Die Flagge der „British Army“
Die Flagge der „Royal Navy“
Die Flagge der „Royal Air Force“
GROSSBRITANNIEN
Organisation und Führung
«Der Erste Weltkrieg war für die Briten eine höchst unerfreuliche Erfahrung. Das öffentliche Meinungsbild zu diesem Krieg wurde einmal von dem Historiker A. J. P. Taylor mit den abfälligen Worten «tapfere, auf sich gestellte Soldaten, stümperhafte, verbohrte Generäle und nichts erreicht» zusammengefasst. Diese Ablehnung rührte vor allem von den Verlusten an Menschenleben her, denn die soldatischen Opfer waren in der Geschichte Grossbritanniens ohnegleichen.
Quelle: Abschrift des Artikels «Streitkräfte (Grossbritannien)» von James Bourne, (Übersetzung: Markus Pöhlmann) in Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Herausgeber: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz, Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2003.
Diese ernüchternde, selbstkritisch – britische Analyse leitet den Beitrag zu den britischen Streitkräften in der Enzyklopädie des Ersten Weltkriegs ein. Dieser ist sehr ausführlich und umfangreich. Die Lektüre der nachfolgenden Abschrift ist aber empfehlenswert.
Die Mehrzahl der Verluste hatte es auf den Schlachtfeldern der Westfront gegeben. Immer wenn die britischen Medien auf «Sinnlosigkeit», auf «militärische Inkompetenz» oder «die Schrecken des modernen Krieges» abheben, dann illustrieren dies geradezu instinktiv mit den Schlachten von 1916/17, mit der Somme oder Passchendaele (Flandern). Wenn versucht wird, diese Ereignisse zu erklären, dann reicht eine solche Erklärung selten über die Anklage der britischen Generale, besonders der Heeresleitung, hinaus. Diese werden als dümmliche Schlächter verurteilt, deren Strategie, den Krieg zu gewinnen, sich darin erschöpfte, Leichen über Leichen anzuhäufen.»
Selbst innerhalb der britischen Armee erscheinen die rein britischen Verbände im Vergleich mit den unternehmungsfreudigen, aggressiveren, «demokratischeren» und körperlich tüchtigeren Streitkräften der Dominions, besonders den Australiern und Kanadiern, oft in wenig vorteilhaftem Licht.
Hinter den Defiziten der Armee treten die Defizite der viktorianischen bzw. edwardianischen Gesellschaft hervor: in einer Klassengesellschaft verhaftet, hierarchisch, amateurhaft und versessen auf Form und Detail, unfähig, den Herausforderungen des modernen Krieges gerecht zu werden. Unter diesen Umständen ist es doch verwunderlich, wie es der britischen Armee gelang, im Kampf gegen derart mächtige Feinde zu bestehen, ja siegreich daraus hervorzugehen.
Die britische Armee von 1914 war für einen Krieg auf dem Kontinent schlecht gerüstet. Auf allen militärischen Führungsebenen, vielleicht mit Ausnahme der taktischen, hatten ihre institutionellen Rahmenbedingungen grundlegende Schwächen zur Folge gehabt.
Auf der politischen Ebene war es dem Empire nicht gelungen, ein klar gegliedertes System von Institutionen zur Führung eines Grosskrieges auszubilden. Dem 1902 ins Leben gerufenen Committee of Imperial Defense (CID) gelang es offenkundig nicht, sich zur Koordination einer effektiven strategischen Planung und Verteidigungspolitik notwendige Autorität und Legitimation zu verschaffen.
Als der Krieg 1914 ausbrach, wurde das CID ignoriert. Stattdessen wurde der War Council (später in Dardanellen-Komitee umbenannt) gegründet, eine neue und völlig ad hoc geschaffene Einrichtung mit wechselnder Besetzung und schlecht definierten Zuständigkeiten, die praktisch als Ausschuss des Kabinetts existierte und das Recht in Anspruch nach, strategische Fragen neu aufzurollen und Entscheidungen umzustossen. Die hierdurch garantierte Verwirrung legte sich nur teilweise, als Lloyd George bei seinem Amtsantritt als Premierminister im Dezember 1916 ein kleineres und auf die Verhältnisse besser zugeschnittenes Kriegskabinett mit exekutiven Machtbefugnissen berief. Die politische Maschinerie in Grossbritannien erreichte nie derart klare Führungsstrukturen und den Grad an eleganter Kooperation zwischen politischer und militärischer Führung, zu dem es sich schliesslich im Zweiten Weltkrieg bringen sollte. Hierdurch ergaben sich zahlreiche Unklarheiten sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Führungsebene.
Die Fähigkeit der Armee, strategisch zu denken und zu handeln, war nach dem Burenkrieg (1899-1902) Gegenstand zahlreicher Debatten gewesen. Wichtige Reformen wurden zweifellos durchgeführt, zu den wichtigsten gehörten etwa die 1904 erfolgte Einrichtung des Army Council und des Generalstabs. Im Army Council waren die politischen, zivilen und militärischen Schlüsselfiguren versammelt: der Kriegsminister, sein Sekretär und sein Finanzsekretär, der Chef des Generalstabs, der Generaladjutant; der Generalquartiermeister, der Oberquartiermeister für das Munitionswesen und der Parlamentarische Staatssekretär im Aussenministerium.
Die Hoffnungen der Gründungsväter des Army Council, vor allem Lord Esher, dass der Rat im Kriegsfall als ein informiertes und koordiniertes Element im Rahmen der britischen Strategie fungieren würde, waren allerdings im August 1914 mit der Ernennung von Lord Kitchener zum Kriegsminister zum Scheitern verurteilt. Durch Kitcheners unklare Doppelstellung als aktiver Soldat und Chef der Behörde, die den Krieg zu führen hatte, gerieten die politischen, zivilen und militärischen Hierarchien durcheinander. Kitchener ignorierte den Army Council vollständig, der Chef des Imperial General Staff (CIGS), Sir James Wolfe-Murray, führte ein blosses Schattendasein.
Es bedurfte erst der Ernennung des vorzüglichen Sir William Robertson zum CIGS im Oktober 1915, damit überhaupt so etwas wie Kohärenz in die Heeresführung Einzug hielt. Robertsons Ernennung zielte bewusst darauf ab, Kitcheners Einfluss zu beschränken, doch der Preis hierfür war hoch. Robertson erhielt eine bis dahin ungekannte Machtfülle als Generalstabschef, einschliesslich dem alleinigen Vortragsrecht vor der Regierung in strategischen Fragen. Die Gefahren einer derartigen Lösung wurden nur zu offensichtlich, als Lloyd George Premierminister wurde, denn dieser war schon bald überhaupt nicht mehr mit der Qualität der strategischen Empfehlungen zufrieden, die ihm gegeben wurden.
Bei all diesen Defiziten, die auch im Verlauf des Krieges nie wirklich behoben werden sollten, war doch die Strategie Grossbritanniens ohnehin weniger Gegenstand schmerzhafter öffentlicher Auseinandersetzung gewesen als dies auf der operativen Ebene der Fall war, also der Planung und Durchführung der Schlachten. Die uralte Debatte zwischen denen, die eine «Westfrontstrategie» und denen, die eine «Ostfrontstrategie» favorisiert hätten, wurde durch die Forschung des Historikers David French längst in den Mülleimer der Geschichte verfrachtet. Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass es nie eine wirkliche Alternative zum Kampf an der Westfront gegeben hatte. Was heute zur Debatte steht, ist die Frage, wie gut (oder schlecht) der Krieg militärisch geführt wurde; das Forschungsinteresse gilt also primär der Armee selbst.
Zweifellos begann die britische Armee aus einer Position grosser Schwäche heraus. Das stehende Heer (Regular Army) war konzipiert, ausgebildet und ausgerüstet für den Dienst als koloniale Gendarmerietruppe. Es war eine Freiwilligentruppe mit langer Verpflichtungsdauer, die ihr Personal in der Regel aus eher bildungsfernen Schichten der britischen Gesellschaft, den städtischen und ländlichen Armen, rekrutierte. Die Truppe lag in Garnisionen über das ganze Empire verteilt oder führte Ordnungsdienstaufgaben durch, in der Regel in geringer Einheitsstärke. Irgendwie schien diese britische Armee gar nicht zu existieren. Offiziere wie einfache Soldaten verspürten kaum persönliche Bindung zur Armee, wohl aber zum Regiment sowie zum Bataillon. Dieses «Regimentssystem» führte dazu, dass die Stabsstellen zu einer Schwachstelle der Armee wurden. Die Zugehörigkeit zu den Stäben strahlte nicht dieselbe soziale und berufliche Anziehungskraft aus, wie dies etwa in den deutschen Streitkräften der Fall war. Die Gesamtzahl ausgebildeter Generalstabsoffiziere war in der britischen Armee dementsprechend gering, weniger als 1’000 standen 1914 im aktiven Dienst. Zu vielen war gestattet worden, Regimentsposten in Übersee anzunehmen, wo sie oft fielen oder dienstuntauglich wurden und sich so die Zahl weiter verringerte.
Die Unzulänglichkeit des britischen Stabssystems spielte also für alle weiteren Schwierigkeiten, die die Armee zwischen 1915 und 1917 erfahren sollte, eine ganz fundamentale Rolle. Auch war die Armee nur unzureichend mit schwerer Artillerie ausgestattet, da diese in Kolonial- und Guerillakriegen einen teuren und entbehrlichen Luxus darstellte.
Die grundlegende Schwäche der Armee aber war ihre Grösse. Nach kontinentaleuropäischen Massstäben war sie im August 1914 mit ihrer Kriegsstärke von knapp 250’000 Mann sehr klein. Dazu kam der Mangel an ausgebildeten Reservisten, ein Problem, das auch die Aufstellung der Territorialmiliz (Territorial Force) seit 1908 nicht hatte beheben können.
Mit Ausnahme der USA gab es zwischen 1914 und 1918 keine Armee, die über einen derart grossen Anteil an Soldaten verfügte, die erst im Verlauf des Krieges ausgebildet worden waren. Die Folgen waren gravierend.
Die Vorkriegsarmee hatte ihren höheren Offizieren nur wenig Gelegenheit bieten können, in grossen militärischen Dimensionen zu denken. Es gab keine Erfahrung darin, wie man etwa ein grösseres Hauptquartier führt. Sir John Frenchs General Headquarters (GHQ) war für administrative Schlampereien geradezu berüchtigt, bis Robertson dort als Chef des Stabes einzog. Haig, ein ausgebildeter Stabsoffizier, war in dieser Hinsicht viel effektiver, seit er das Oberkommando im Dezember 1915 übernommen hatte; doch selbst in Haigs GHQ blieben grössere strukturelle und personelle Defizite erhalten, wohl sogar bis Frühjahr 1918. Auch gelang es ihm oft nicht, Strategie und Operationen in Übereinstimmung zu bringen und Doktrin und Ausbildung zu vereinheitlichen. Nicht einmal die «Armee» als operative Führungsebene existierte bis Dezember 1914, um dann wiederum aus unerfahrenen oder Amateurstäben improvisiert zu werden.
Bei Kriegsausbruch hatten nur drei aktive Offiziere jeweils ein Korps geführt, alle zudem in Friedenszeiten: French, Haig und Sir Horace Smith-Dorrien. Damit hatte das Heer bereits seinen Bestand an erfahrenen kommandierenden Generälen aufgebraucht und ging, mit der Entsendung des III. Korps im September 1914 dem Unkalkulierbaren entgegen. Ähnlich schlecht war die Situation auf der Divisionsebene, wo Operationen und Taktik aufeinandertrafen. Nur zwei Offiziere hatten je eine Division im Einsatz geführt (French und Smith-Dorrien), weniger als 40 hatten es in Friedenszeiten getan – und das in einem Heer, dass im Verlauf der nächsten zwei Jahre fast 60 Divisionen aufstellen sollte.
All diese Schwächen wurden durch die rapide und ungeordnete Aufstockung der Streitkraft noch potenziert. Logisch wäre gewesen, die Regular Army als Kadertruppe für einen effizienten Ausbau der Armee heranzuziehen und so am besten von den bereits ausgebildeten Soldaten profitieren zu können. Die Entscheidung, die Masse des Heeres aber gleich 1914 nach Frankreich zu entsenden, bedeutete, dass dies nie eine Option sein konnte. Die Entscheidung verdammte das vergrösserte britische Expeditionskorps BEF (British Expeditionary Force), zu einer verlängerten militärischen Jugend, die erst an der brutalen Realität der Somme ihr Ende fand. Stattdessen ging die Vergrösserung auf Kosten eines dramatischen Niedergangs der militärischen Kenntnisse auf allen Ebenen. 1916 verfügte die BEF über enorme personelle Stärke, aber es wurde Sommer 1917, bis sie auch eine ebensolche Schlagkraft entwickelt hatte.
Von 1915 bis weit ins Jahr 1917 hinein wurden dürftig ausgebildete britische Truppen in unkoordinierten Angriffen gegen die starke deutsche Verteidigungslinie geworfen, unterstütz von unzureichenden Mengen an unzuverlässiger Artilleriemunition, immer eine grandiose «Knock-Out»-Strategie vor Augen, die aber jenseits der eigenen Kräfte lag.
Allein auf der Ebene der Taktik liessen die Vorkriegserfahrungen hoffen. Die Armee hatte die Lehren aus dem Burenkrieg gut verarbeitet. Die Infanterie wurde mit einem neuen, hervorragenden Gewehr ausgestattet, dem Lee-Enfield Mark II. Die Schiessausbildung wurde radikal verbessert, und 1914 war die BEF darin allen anderen Armeen überlegen. Eine neue Taktik, in deren Mittelpunkt das Prinzip von «Feuer und Bewegung» sowie gefechtsmässiges Verhalten standen, wurde erstmals 1909 als offizielle Doktrin in den Field Service Regulations. Part 1: Operations niedergelegt. Durch die Wiederbesinnung auf diese taktischen Tugenden Ende 1917 sollten die britischen Siege von 1918 möglich werden.
Eine praktische und ergonomische Felduniform wurde von Major A. R. Burrowes entwickelt und als Standard eingeführt. Ständige Einsätze in kleinen Kolonialkriegen und Polizeiaktionen, gerade in Indien und Westafrika, erwiesen nun ihre Bedeutung. Durch diese «Buschkriege» wurde einer Generation von jüngeren Offizieren Kampferfahrung und die Bedeutung von Initiative, Unternehmungsgeist, Plan und List im Krieg vermittelt. Sie sollten die angriffsfreudigen und gleichzeitig kalkulierenden Führer der Bataillone, Brigaden, Divisionen (und gelegentlich auch der Korps) von 1917/1918 stellen.
Die ungenügende und kostspielige Leistung der BEF zwischen 1915 und 1917 hat bisweilen den Blick darauf verstellt, wie sehr sich die Armee zwischen Ende 1917 und dem Kriegsende noch gewandelt hat. In dieser Phase entstand eine Gefechtstechnik, die funktionierte und der das deutsche Heer letztlich nicht entgegensetzen konnte. Sie beruhte auf dem Gefecht der verbundenen Waffen, einschliesslich Panzer und Flugzeuge, das im Rahmen der sogenannten set piece battle geführt wurde, also dem Angriff mit begrenzten Zielen, Zeitplan und einer starken artilleristischen Feuerwalze.
Dazu kam ein massiver Anstieg der materiellen Ressourcen, die nun den britischen Generälen zur Verfügung standen. Die Mobilmachung der britischen Industrie für den «totalen Krieg», mit Lloyd Georges Ernennung zum Munitionsminister im Mai 1915 eingeläutet worden war, machte sich an der Front eigentlich erst im Frühjahr 1917 bemerkbar. Aber seit diesem Zeitpunkt konnten die Briten militärisch zunehmend aus dem Vollen schöpfen. Alle Typen von Geschützen, einschliesslich schwerer und Haubitzen sowie Explosivmunition mit effektiveren Aufschlagzündern (Nr. 106) waren nun in riesiger Anzahl verfügbar. Im Verlauf der Hundert-Tage-Kampagne ab dem 8. August 1918 verfeuerten die britischen 18-Pfund-Feldkanonen im Durchschnitt täglich 100’000 Granaten. Beim Angriff auf die Siegfried-Stellung verschoss die BEF am 29. September 1918 eine Rekordzahl von 945’052 Granaten, darunter zum ersten Mal in grosser Stückzahl – 30’000 Senfgasgranaten. Beim Angriff der 46. Division auf Bellenglise am St. Quentin-Kanal verfeuerte ihre Artillerie acht Stunden lang jede Minute 126 Granaten pro 500 m der deutschen Linie – der Infanterieangriff war damit auf jedem Meter dieser 500 m langen Front mit 50’000 Granaten vorbereitet. Im Verlauf des Sturms des Mont Houy bei Valancienne am 1. November durch die 6. (kanadische) Brigade wurde der Infanterieangriff von 87’700 Granaten, also 2’150 t Sprengstoff unterstützt – das waren 1,5 t pro Infanteristen. Es war kein Wunder, dass sich so Verlustverhältnisse von 10:1 einstellten. Die Artillerie war nicht nur stärker, sondern sie war auch zielgenauer. Die wissenschaftlichen Entwicklungen in der Horchtechnik, der Lokalisierung von Mündungsfeuer, in der Vermessung und der Sprechfunkverbindung mit den Artilleriefliegern verbesserten die artilleristischen Möglichkeiten, die gegnerischen Ziele – vor allem die deutsche Artillerie – zu ermitteln, zu treffen und zu zerstören. Das war es, woran man 1915/16 auf so klägliche Weise gescheitert war.
Auch die Feuerkraft der Infanterie selbst wurde durch die grossangelegte Beschaffung von leichten Lewis-MGs, Grabenmörsern, Hand- und Gewehrgranaten massiv gesteigert. Diese neuen Waffen, zusammen mit der Wiederbesinnung auf die individuelle Schiessfertigkeit, erlaubten es der Infanterie, nun wieder die flexible Gefechtstaktik von Feuer und Bewegung aus der Vorkriegszeit anzuwenden. Das gab ihr die Feuerkraft, ihren Weg gegebenenfalls auch ohne Artillerieunterstützung durchzukämpfen. 1914 war der Infanterist wie ein Wildhüter mit Schlapphut ausgerüstet gewesen. Gewehr und Bajonett waren seine einzige Bewaffnung, zum Schlachtfeld marschierte er zu Fuss. Dort lieferten die Schrapnells der Feldartillerie die einzige Feuerunterstützung. 1918 dagegen glich der britische Infanterist einem Industriearbeiter. Er trug einen Stahlhelm und eine Gasmaske, zum Schlachtfeld fuhr er auf dem Lastwagen. Wenn er dort ankam, lief in der Regel bereits ein artilleristisches Sperrfeuer von ungeheurer Zerstörungsgewalt. Beim Angriff wurde er von Panzern und Flugzeugen sowie einem Täuschungsmanöver mit ausgeklügelten Funkspielen unterstützt. Dieser Wandel stellte eine regelrechte militärische Revolution dar.
Es war nicht nur die Quantität und Qualität der Kriegsmittel, die sich veränderte; auch die Art ihrer Verwendung wandelte sich. Eine der wichtigsten und längst überfälligen Veränderungen stellte sich auf strategischer Ebene ein. Die strategische Grossmachtssucht, die für die im Grund genommen amateurhafte und schlecht ausgerüstete britische Armee in den früheren Schlachten, vor allem an der Somme und in der Dritten Flandernschlacht so verheerende Folgen gehabt hatte, war 1918 einer Strategie der begrenzten Ziele gewichen. Die Eroberung dieser Ziele wurde erst nach sorgfältiger Planung, Aufklärung und logistischer Vorbereitung in die Wege geleitet. Einmal festgelaufen, wurden die Angriffe eingestellt und an anderer Stelle fortgesetzt, eine Methode, die hochqualifizierte Stabsarbeit voraussetzte. Die Eroberung von Gelände und das Festhalten daran, unabhängig von dessen militärischem Wert, verlor seine mystische Bedeutung. Die Einheiten wurden nun auch ermutigt, ohne grosse Rücksicht auf den Schutz ihrer Flanken vorzugehen. Das deutsche Heer würde nicht durch einen einzigen, mächtigen K.-o.-Schlag, sondern nur durch eine unablässige Folge kräftiger Fausthiebe zu Boden gehen.
Am ehesten machte sich der Wandel aber auf der operativen und taktischen Ebene bemerkbar. Im Frühjahr 1918 war die Fähigkeit der BEF, Schlachten zu planen und durchzuführen, eine andere. Dies wird besonders ersichtlich, wenn man etwa die hoffnungslose Stabsarbeit, der die 21. und 24. Division bei Loos im September 1915 zum Opfer fielen, verglichen mit der brillanten und völlig überraschenden Verschiebung des kanadischen Korps an die Front bei Amiens im August 1918.
Die massive Feuerkraft der Artillerie wurden jetzt nicht mehr dazu verwendet, die Soldaten und Verteidigungsanlagen zu zerstören, sondern um sein Befehls- und Führungssystem zu neutralisieren und die Nachführung von Verstärkung zu verhindern: eine Schlacht in der Tiefe des Raumes. Das vorbereitende Trommelfeuer, das dem Feind oft einen bevorstehenden Angriff angekündigt hatte, wurde abgelöst von einem mathematisch vorausberechnenden Schiessverfahren, dem sogenannten Kartenschiessen, das auf genauen und aktuellen Geländekarten aufbaute, eine Taktik, mit der die 3. Armee erstmals im November 1917 bei Cambrai erfolgreich gewesen war. Hier kam die Überraschung in der Operationsführung wieder zur Geltung. Strategie der begrenzten Ziele hiess aber auch, dass die Artillerie schnell nachgezogen wurde, um einmal eingenommene Stellungen gegen deutsche Gegenstösse zu verteidigen, eine Methode, die General Plumers 2. Armee in den Flandernkämpfen von 1917 entwickelt hatte. Seit dem Herbst 1916 war die deutsche Armee im Westen immer mehr zu einer elastischen Verteidigung in der Tiefe übergegangen. Diese zielte darauf ab, die angreifende Infanterie weit in die deutsche Verteidigungszone und damit in den Bereich des Unterstützungsfeuers herauszulocken, wo sie dann der artilleristisch unterstützte Gegenstoss der deutschen Hauptkräfte traf. Die vom britischen Oberkommando 1916/17 verfochtene Durchbruchsstrategie hatte den Deutschen also in die Hände gespielt. Doch die neue Strategie der begrenzten Ziele erlaubte es der inzwischen viel stärker bewaffneten britischen Infanterie und Artillerie, der deutschen Methode etwas entgegenzusetzen. Die Gegenstösse der Deutschen gerieten nun zunehmend verlustreicher und weniger effektiv.
Auch die Infanterietaktik wandelte sich, ein Prozess, der mit der Veröffentlichung der einflussreichen Ausbildungsvorschrift SS 143: Instructions fort he Training of Platoons for Offensiv Action im Februar 1917 einsetzte. SS 143 war das Resultat der Arbeit eines der besten Taktiker der britischen Armee, Generalmajor Arthur Solly-Flood. Sie markierte, wie dies der Historiker Paddy Griffith herausgearbeitet hat, den epochalen Wandel von einer Taktik der Angriffswellen, wie sie an der Somme so schlimm gescheitert war, hin zu einer Taktik der kleinen, initiativen Einheiten mit hoher Feuerkraft, für einen Krieg, den der spätere Feldmarschall Wavell einmal als den «Krieg der Zugführer» charakterisierte. In der überarbeiteten Form vom Februar 1918 legte SS143 die Grundlage für die Herbsterfolge der BEF, bei denen Flexibilität, Initiative und Manöver zu Schlüsselqualitäten wurden. Nun begann man auch die Bedeutung der Kooperation zwischen Infanterie und Panzern voll zu begreifen. Die Tanks des Weltkriegs blieben – trotz aller Verbesserungen – langsam, verwundbar und mechanisch unzuverlässig. Sie forderten ihren Besatzungen ein Höchstmass an körperlicher Leistungsfähigkeit und Kampfmoral ab. Mit dem Verständnis, dass die Panzer in erster Linie eine Unterstützungswaffe für die Infanterie bildeten, waren die Briten ab 1918, als sie mit Panzern zum Angriff übergingen, hierin durchwegs erfolgreich.
Trotz aller ernsten Schwächen in Bezug auf Tradition, Doktrin, Ausrüstung, Organisation und Grösse, mit denen die britische Armee in den Krieg zog, trotz aller, sich aus ihrer improvisierten Vergrösserung ergebenden massiven Erschütterungen und «Entprofessionalisierungen», trotz der ständigen Konfrontation mit der Hauptmasse eines tüchtigen und mutigen Feindes unter den komplizierten Bedingungen eines Koalitionskrieges demonstrierte die Armee strategische, operative und taktische Entwicklungsfähigkeit. Diese Entwicklung vollzog sich zudem in vergleichsweiser kurzer Zeit. Der Erste Weltkrieg gilt gemeinhin als langer Krieg, aber nach den Massstäben moderner Kriege war an seinen 52 Monaten Dauer nichts Aussergewöhnliches. Die BEF trat gegen die Hauptmacht der Deutschen nicht vor dem 24. Monat (Juli 1916) an, und sie war erst ab dem 35. Monat (Juni 1917) deren Hauptkriegsgegner an der Westfront. Selbst die 52 Monate waren noch eine kurze Spanne, um eine kleine Berufsarmee, die eigentlich eine für den kontinentalen Krieg schlecht ausgerüstete koloniale Polizeitruppe war, in eine taktisch erfahrene Massen- und Wehrpflichtarmee zu verwandeln, die mit einem ganzen Arsenal neuer Waffen und Technologien ausgestattet war. Diese Armee war bemerkenswert innovativ, sie war führend bei der Entwicklung der Luftbildaufklärung, der Feuerwalze, der Kooperation zwischen Artillerie und Luftwaffe, des Artillerieschiessverfahrens, der Luftversorgung von Bodentruppen, von täuschendem Funkverkehr, des Schlachtfliegers und des Panzers. Die Heeresleitung, namentlich unter Haig war offen für neue Ideen, vor allem für neue Technologien. Haig war ein grosser Befürworter von Panzerkräften und der Luftwaffe. Die meisten Historiker stimmen heute darin überein, dass die BEF eine Lernzeit durchlief, wobei es noch Debatten über deren Quellen, Geschwindigkeit und Qualität gibt. Das Ganze war sicherlich eine ungeordnete Entwicklung, mit Initiativen «von unten» wie «von oben», eine Entwicklung deren genaue Ursprünge sich oft schwer identifizieren lassen und die sicher das Ergebnis vieler Hände Arbeit war.
Krieg ist die ultimative Freund-Feind-Beziehung, operative und taktische Entwicklungen verlaufen dabei unvermeidlich auf symbiotische Weise. Trotz aller Verluste erwuchs die BEF aus der Somme-Schlacht als eine realistischere, professionellere und stärkere Armee, die dann 1917 zum schwierigsten, unerbittlichsten und rücksichtslosesten Gegner der deutschen Armee erwachsen sollte.
Ordonance QF-18-Pounder-Gun: Die Kanone der Feld-Artillerie mit enem Kaliber von 83,8 mm und einer maximalen Reichweite von 8700 Metern. Das Geschütz hatte ein Gewicht von 1’300 kg und eine Kadenz von vier Schuss pro Minute. QF steht für „Quick Fire“. Von 1903 – 1940 wurden rund 10’000 Stück dieser Waffe durch die britischen Rüstungsfirmen hergestellt.
Die Schiffe der Dreatnought-Linie revolutionierten die Ära des Seekriegs. HMS Dreathnought („Fürchtenichts“) war Namensgeber für die Typisierung von modernen Schlacht- oder Grosskampfschiffen, wie diese später bezeichnet wurden. Rund 750 Mann Besatzung gewährleisteten den Betrieb des gepanzerten Schiffes und den Einsatz von 37 Geschützen und fünf Torbedorohren.
Die Airco DH.4 war ein einmotoriger zweisitziger Doppeldecker, der im Ersten Weltkrieg als Bomber eingesetzt wurde. Er wurde von der britischen Firma Airco entwickelt. Die Fertigung erfolgte in Großbritannien und als DH-4A, DH-4B und DH-4M in den USA. Sie wurde auf britischer und US-amerikanischer Seite ab März 1917 eingesetzt.
Die Landstreitkräfte
Grossbritanniens offensive Landstreitkräfte wurden in einer Expeditons-Streitkraft zusammengefasst. Die Gründung einer schnellen Eingreiftruppe des britischen Heeres unter der Bezeichnung British Expeditionary Force (BEF) geht auf Richard Haldane in seiner Tätigkeit als Kriegsminister zurück. Während seiner Amtszeit wurden in Grossbritannien zwei mögliche Kriegsszenarien für einen Krieg der Entente gegen Deutschland diskutiert. Entgegen der Ansicht der Navalisten, die meinten, Grossbritannien solle einen reinen Seekrieg mit Deutschland führen und den Landkampf den Franzosen überlassen, ließ Haldane eine Expeditionsstreitmacht zusammenstellen, die zu Kriegsbeginn auf den Kontinent verlegt werden sollte. Ab 1911 war für den Kriegsfall ein Einsatz britischer Truppen auf dem Kontinent zur Unterstützung Frankreichs fest vereinbart.
Das Britische Expeditionskorps (BEF) bestand anfänglich aus drei Armeekorps à zwei Divisionen und einer Kavallerie-Division. Das abgebildete Organigramm entspricht der Aufstellung zu Kriegsbeginn (August 1914). Die fortlaufende Zuführung von Truppen führte zur Bildung weiterer Divisionen, die letzlich in fünf Korps-Gruppen organisiert waren.
Am 4. August 1914 marschierten deutsche Truppen in das neutrale Belgien ein. Großbritannien befahl am selben Tag die Mobilmachung seiner Armee. Herbert Kitchener wurde zum Kriegsminister ernannt. Kitchener sagte als einer der Ersten einen mehrjährigen Krieg voraus und gab noch am 5. August den Befehl zur Vergrößerung der Armee aus. Durch Armeebefehl 324 vom 21. August 1914 wurden aus angeworbenen Freiwilligen vorerst sechs neue Divisionen aufgestellt. Insgesamt konnten so bis 1915 mehr als 40 Divisionen als Kitcheners Armee oder Neue Armee für den Einsatz an der Westfront aufgebaut werden.
Nachdem die ersten Einheiten der BEF am 11. August in Le Havre angelandet waren, bestand die British Expeditionary Force in Frankreich bis Herbst 1914 aus vier Infanteriedivisionen und einer Kavalleriedivision. Geführt wurde sie von Sir John French. Die Infanteriedivisionen waren aufgeteilt in zwei Armeekorps unter Generalmajor Douglas Haig und James Grierson. Die Kavalleriedivision wurde geführt von Edmund Allenby. Der Einsatz der British Expeditionary Force entschied im September 1914 die Schlachten an der Marne und an der Aisne. Im Rahmen des Wettlaufes zum Meer wurde die B.E.F. von der Aisne nach Flandern verlegt und ab Oktober 1914 in fünf Korpsgruppen organisiert.
Oberbefehlshaber: Generalleutnant Sir John D. French
Generalstabschef: Generalleutnant Sir Archibald J. Murray
I. Korps (Generalleutnant Douglas Haig)
1. Division (Generalmajor Samuel H. Lomax)
2. Division (Generalmajor Charles Monro)
II. Korps (Generalleutnant Horace Smith-Dorrien)
3. Division (Generalmajor Hubert Hamilton)
5. Division (Generalmajor Charles Fergusson, ab 26. Oktober Thomas Morland)
III. Korps (Generalleutnant William Pulteney)
4. Division (Generalmajor Henry Wilson)
6. Division (Generalmajor John L. Keir)
IV. Korps (Generalleutnant Henry Rawlinson)
7. Division (Generalmajor Thompson Capper)
8. Division (Generalmajor Francis J. Davies)
Kavallerie Korps (Generalleutnant Edmund H. Allenby)
1. Kavallerie-Division (Generalmajor Henry de B. de Lisle)
2. Kavallerie-Division (Generalmajor Sir Hubert Gough)
3. Kavallerie-Division (Generalmajor Julian H. Byng)
Nach dem Abflauen der Ersten Flandernschlacht wurde die British Expeditionary Force durch die neuaufgestellten Kitchener-Divisionen der Territorial-Force ergänzt. Zum Jahresende 1914 wurde die B.E.F. deshalb in 1. Armee unter Haig und 2. Armee unter Smith-Dorrien, später Herbert Plumer, neu organisiert.
Wegen seiner unentschlossenen Führung wurde French für die britischen Fehlschläge und die hohen Verluste verantwortlich gemacht und im Dezember 1915 durch seinen Stellvertreter und Oberbefehlshaber der 1. Armee Haig ersetzt. Als Generalstabschef des B.E.F. wurde Generalleutnant Launcelot E. Kiggell bestimmt. Das britische Hauptquartier befand sich von Anfang April 1916 bis zur Auflösung im April 1919 auf Château de Beaurepaire bei Montreuil, nur während der Schlacht an der Somme verlegte General Haig seinen Gefechtsstand nach Beauquesne.
Weitere Armeen wurden wie folgt aufgestellt:
die 3. Armee im Juli 1915 unter Charles Monro
die 4. Armee im Februar 1916 unter Henry Rawlinson
die Reservearmee im Mai 1916, im Oktober 1916 umbenannt in 5. Armee unter Hubert Gough
Weitere britische Expeditionskorps im Ersten Weltkrieg wurden im Mittelmeer (Mediterranean Expeditionary Force), Mesopotamien, Ägypten/Palästina, an der Saloniki-Front auf dem Balkan und in Italien eingesetzt. Diese wurden teilweise von Expeditionskorps der britischen Dominions Kanada, Australien und Neuseeland unterstützt.
King George V. und die Armeeführer der B.E.F., von links nach rechts: Sir William Birdwood (5. Armee), Sir Henry Rawlinson (4. Armee), Sir Herbert Plumer (2. Armee), King George V., Sir Douglas Haig (GOC), Sir Henry Horne (1. Armee) und Sir Julian Byng (3. Armee), November 1918
Die Marine
Grossbritanniens zweite Front verlief auf den Weltmeeren: Als der Krieg ausbrach, waren die britische Öffentlichkeit und die Politik (vorneweg der Aussenminister Sir Edward Grey) der Meinung, dass Grossbritanniens Rolle vornehmlich eine maritime sein werde.
Die Royal Navy dachte ganz sicher so und ging davon aus, dass die Seemacht entscheidend zum Sieg der Entente beitragen würde. Ohnehin war man bei der Marine von der Unvermeidbarkeit eines Krieges mit Deutschland überzeugt gewesen. Jahrelang hatte etwa Admiral Lord Charles Beresford seine Offiziere beim Frühstück mit den Worten begrüsst: «Nun meine Herren, wieder ein Tag näher am Krieg mit Deutschland».
Quelle: Abschrift des Artikels «Streitkräfte (Grossbritannien)» von James Bourne, (Übersetzung: Markus Pöhlmann) in Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Herausgeber: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz, S. 884- 891, Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2003.
Unter Führung des dynamischen Admirals John Fisher (First Sea Lord 1904-1910) hatte die Navy mit der Entwicklung der Dreadnoughts den Kriegsschiffbau revolutioniert und einen Rüstungswettlauf mit dem Deutschen Reich provoziert, den die Briten nach Meinung aller bis 1912 für sich entschieden hatten. Fisher wusste genau, wie er diese mächtige Waffe zum Einsatz bringen wollte: Ständiger Druck sollte das Kalkül seiner Strategie bilden. Die Seeblockade sollte dazu dienen, die Deutschen entweder wirtschaftlich zusammenbrechen zu lassen oder – was wahrscheinlicher schien – sie zu zwingen, in der Nordsee die Entscheidung gegen die Briten zu suchen. Fishers moderne Flotte aus Grosskampfschiffen unter der Führung seines Protegés Admiral John Jellicoe würde dann die deutsche Flotte in einer Vernichtungsschlacht zerschlagen, einem neuen Trafalgar. Dieser Sieg würde die entscheidende Wende im Krieg bringen, er sollte Neutralen wie Feinden gleichermassen die Allmacht der britischen Flotte vor Augen führen. Er würde eine noch schärfere Blockade ermöglichen und vielleicht sogar den Weg für die Landung einer britischen – oder besser noch: einer russischen – Armee an der pommerschen Küste frei machen. Doch die Dinge entwickelten sich anders als von Fisher geplant.
Auf den Weltmeeren wurden zwar die deutschen Kreuzer gejagt und die Schiffe der Handelsmarine aufgebracht, aber die Blockade Deutschlands musst aus Rücksicht auf die Neutralen, namentlich die USA, als Fernblockade im eisigen Dreieck zwischen Grossbritannien, Grönland und Island durchgeführt werden. Deutschland zeigte keinerlei Anzeichen für einen wirtschaftlichen Zusammenbruch. Das Ausweichen des deutschen Schlachtkreuzers Goeben und des kleinen Kreuzers Breslau in türkische Hoheitsgewässer und die Beschiessung der britischen Küste durch deutsche Kriegsschiffe waren für die Royal Navy in dieser ersten Kriegsphase herbe Verluste. Auch die Bedrohung der Seeüberlegenheit durch die U-Boote führte bei höheren Seeoffizieren zu einiger Unruhe. Am meisten aber war es die offensichtliche Zurückhaltung des Kaisers, seine Flotte in einem Grosskampf mit den Briten zu riskieren, die zu Frustration führte und die unangenehme Frage aufkommen liess, wofür die Navy dann eigentlich gut sei.
Fisher aber hatte keinen Zweifel, dass der Tag, für den so lange geplant und von dem er so lange geträumt hatte, kommen würde. Als dieser Tag am 31. Mai 1916 kam, gelang es Jellicoe nicht, den erwarteten grossen Schlag gegen die deutsche Flotte zu führen. Trotz höchsten seemännischen und taktischen Könnens machten ihm die Qualitäten und das Glück seines Gegners, das Versagen mehrerer untergebener Führer und die schlechtere Konstruktion seiner Schiffe einen Strich durch die Rechnung. Die Schlacht am Skagerrak (engl: Battle of Jutland) war für das Überlegenheitsgefühl der Royal Navy ein schwerer Schlag – einer, von dem sie sich vielleicht nie mehr erholt hat.
Danach geriet der Seekrieg zu einem erbitterten Kampf gegen die U-Boote, der Grossbritannien im April 1917 bis an den Rand einer landesweiten Hungersnot brachte. Der just in diesem Moment erfolgte Kriegseintritt der USA trug viel dazu bei, die britische Seeherrschaft im Nordatlantik wieder herzustellen. Trotz Niederlagen und Enttäuschungen besteht kein Zweifel, dass diese Fähigkeit, den weltweiten Zugang zu Nahrungsmitteln und Waffen offen zu halten und sichere Passagen für die Verlegung britischer Truppen an die verschiedenen Fronten zu garantieren, letztlich eine kriegsentscheidende Waffe war.
HMS Agamemnon der Lord Nelson-Klasse. Das 135 Meter lange Schiff, bewaffnet mit 46 grosskalibrigen Geschützen und fünf Torbedorohren wurden zunächst in der Home-Fleet (Kanalküste) und dann im Rahmen der Dardanellenkämpfe eingesetzt. Die Besatzung umfasste rund 800 Mann.
HMS E18 war ein Unterseeboot der Klasse E der Royal Navy, das im Ersten Weltkrieg in der Ostsee eingesetzt wurde und im Mai 1916 in den Küstengewässern des Ostseegouvernements Estland des zaristischen Russlands sank.
HMS Ark Royal war ein Flugzeugmutterschiff der Royal Navy. Das 1913 eigentlich als Frachter begonnene Schiff wurde 1914 als Träger für Wasserflugzeuge fertiggestellt.
Die Luftstreitkräfte
Im Mai 1890 wurde die Ballon-Einheit der Royal Engineers gegründet. In Eastchurch in der Grafschaft Kent eröffnete die britische Marine im Dezember 1911 eine Flugschule.
Auf Grund einer königlichen Anordnung gründete das britische Militär am 13. April 1912 das Royal Flying Corps, kurz RFC. Zum RFC gehörte eine Armee-, eine Marine- und eine Reserveeinheit, eine zentrale Flugschule in Upavon, Wiltshire, und die königlichen Flugzeugwerke in Farnborough.
Am 13. Mai 1912 wurde die Ballon-Einheit der Royal Engineers dem RFC unterstellt.
Das Motto des RFC lautete Per Ardua ad Astra (Durch Schwierigkeiten zu den Sternen).
Am 5. Juli 1912 ereignete sich der erste tödliche Unfall des RFC, als in der Nähe von Stonehenge eine Doppelsitzermaschine abstürzte und beide Insassen dabei ums Leben kamen.
Der später danach ausgegebene Befehl „Flying will continue this evening as usual“ wurde anschliessend zur Tradition.
Im August wurde in Larkhill, Wiltshire, ein Wettbewerb durchgeführt, um das beste Flugzeug für die Belange des RFC zu ermitteln. Der Doppeldecker Bristol Tractor ging dabei als Gewinner hervor.
Das erste Manöver unter Einbeziehung von 24 Armeeflugzeugen fand im September in East Anglia statt.
Am Ende des Jahres 1912 unterstanden dem Royal Flying Corps bereits 12 bemannte Ballons und 36 Doppeldecker-Kampfflugzeuge.
Entwicklung während des Krieges
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war das RFC hauptsächlich für den Einsatz bemannter Aufklärungsballons für die Artillerie an der Westfront verantwortlich.
Die meisten Kampfeinsätze flog zu dieser Zeit die französische Luftwaffe, die zahlenmässig den Briten an Flugzeugen weit überlegen war.
Doch unter der starken Führung von Generalmajor Hugh Trenchard, der das Kommando in Frankreich am 19. August 1915 übernahm, steigerte das RFC seine Aktivitäten und errang unter schweren Verlusten zunehmend Kampferfolge. 1916 starben über 700 Mann, es war die höchste Rate während des Krieges.
Noch vor der Ankunft des RFC in Frankreich gab es die ersten Kriegsopfer: eine überladene Maschine, die sich bei Dover der Hauptflotte anschliessen wollte, stürzte ab. Beide Flieger starben. Einer von ihnen war Lieutenant Robert R. Skene, der erste Brite, der einen Looping mit einem Flugzeug geflogen hatte.
Kurz darauf überquerte das RFC mit 60 Flugzeugen der Staffeln 2, 3, 4 und 5 den Ärmelkanal.
Der erste britische Verwundete bei einem militärischen Flugeinsatz war Sergeant Major Jillings, der bei einem Aufklärungsflug über den deutschen Linien am 22. August 1914 von einem Gewehrschuss ins Bein getroffen wurde.
Am 25. August 1914 gelang der erste Erfolg im Luftkampf, bei dem eine deutsche Maschine vom Typ Etrich Taube zur Landung gezwungen wurde. Der Pilot konnte bis in einen nahen Wald verfolgt werden.
Zu Kriegsbeginn waren die britischen Flugzeuge mit dem Union Jack markiert, was zu häufigem Friendly fire führte, da britische Bodentruppen das Kreuz aus der Entfernung mit dem Kreuz auf deutschen Flugzeugen verwechselten und auf die Maschinen feuerten. Daher übernahm das RFC die runde Flugzeugkokarde der französischen Flugzeuge mit einer geänderten Farbfolge.
Schon früh experimentierten die Briten mit Funkgeräten in den Flugzeugen, da die Nachrichtenübermittlung vom Flugzeug zum Boden bisher nur mittels abgeworfener und eingesammelter Zettel funktionierte. So gaben die Piloten beispielsweise Korrekturen für den Artilleriebeschuss oder die Lage feindlicher Truppen bekannt. Die eingesetzten Geräte wogen allerdings zu viel und belegten im Flugzeug den Platz des zweiten Mannes. Zudem konnten die Geräte im Flugzeug nur senden, aber nicht empfangen. Rücksprache der Bodenstellen mit dem Piloten war also nicht möglich.
Der grosse Durchbruch war jedoch die Aufklärung der Lücke zwischen den deutschen Armeen. Dies ermöglichte es, den deutschen Vormarsch in der Marneschlacht zu stoppen.
Auch die Bedeutung von Luftaufnahmen wurde schnell erkannt und schon im September 1914 fotografierte die Besatzung eines britischen RFC-Aufklärers an der Aisne die feindlichen Stellungen. Die Aufnahmen wurden am Boden in einer fahrbaren Dunkelkammer entwickelt. Die Technik ermöglichte auch eine hohe Trefferquote bei der Bombardierung feindlicher Eisenbahnstrecken und von Kommandostellen während der britischen Offensive bei Neuve-Chapelle am 10. März 1915. Die Karten für die Piloten basierten auf vorher getätigten Luftaufnahmen.
Eine weitere wichtige Aufgabe des RFC war das Absetzen von Spionen hinter den feindlichen Linien. Die erste Aktion dieser Art misslang am 13. September 1915, weil die Maschine abstürzte und der Pilot wie auch der abzusetzende Spion schwer verwundet in deutsche Gefangenschaft gerieten.
Zu Beginn der Schlacht an der Somme, Mitte 1916, verfügte das RFC über 421 Flugzeuge und vier Fesselballon-Staffeln mit 14 Ballons. Zum ersten Mal wurde die Sopwith 1 ½ Strutter eingesetzt, die ein eingebautes Maschinengewehr besass, das mit dem Propeller synchronisiert war.
Als Zusammenschluss der Kommandos für Makedonien, Mesopotamien, Palästina und Deutsch-Ostafrika wurde am 15. Juli 1916 die Brigade Mittlerer-Osten unter Führung von Brigadegeneral W.G.H. Salmond gegründet.
Im März 1917 erreichte die einhundertste Staffel die Front. Dabei handelte es sich um die erste Nachtbombereinheit.
Während der Schlacht von Cambrai, Ende November 1917, warfen britische Maschinen Bomben auf feindliche Stellungen, um gegen Panzer gerichtete Geschütze auszuschalten.
Am 1. April 1918 wurde die Royal Air Force als Zusammenschluss aus RFC und RNAS gegründet.
Organisation
Die grundlegende Einheit des Royal Flying Corps war die Staffel (engl. Squadron), bestehend aus mehreren Schwärmen (engl. Flight). Eine Staffel wurde gewöhnlich von einem Major befehligt, ein Flight von einem Captain. Bei Kriegsbeginn verfügte das RFC über sieben Staffeln, zum Zeitpunkt der Gründung der RAF im April 1918 waren es über 150.
Die Vermehrung der Staffeln führte Ende November 1914 zur Einführung von Wings (deutsches Äquivalent: Gruppe) als Zusammenfassung mehrerer Staffeln. Es wurden zunächst zwei Wings gebildet, No. 1 in Merville und No. 2 in Saint-Omer. Mit der Teilung der British Expeditionary Force in zwei Armeen wenig später wurde jeder Armee ein Wing zugeordnet.
Im Laufe der Zeit rückte man von der Idee ab, dass alle Staffeln dieselben Funktionen ausüben sollten und ging zu einer Spezialisierung über. Im Januar 1916 wurde entschieden, jeder Armee zwei Wings zuzuteilen, ein Corps Wing zur Unterstützung der Bodentruppen und ein Army Wing zur Verfügung des Armeeoberbefehlshabers mit Aufgaben wie Fernaufklärung, Luftkampf und Bombenangriffen.
Corps und Army Wing wurden zu einer Brigade zusammengefasst, der ausserdem eine Ballonsektion und ein Flugzeugpark unterstanden. Für den Einsatz an der Westfront wurden bis zur Gründung der RAF insgesamt acht Brigaden (nummeriert mit römischen Zahlen) aufgestellt (unter der RAF noch drei weitere), ferner zwei für den Kriegsschauplatz im Nahen Osten (Middle East Brigade und Palestine Brigade) sowie eine Training Brigade.
Im August 1914 wurden die 2. und 4. Squa ausschlieslich mit der B.E.2a ausgerüstet, und der Typ leistete in den ersten Kriegsmonaten völlig zufriedenstellende Dienste. Eine B.E.2a, entweder mit der Seriennummer 471 oder 327, war das erste RFC-Flugzeug, das am 13. August in Frankreich landete, und es war eine B.E.2a, die zusammen mit einer Bleriot XI am 19. August den ersten Aufklärungsflug unternahm.
Im Laufe des Jahres 1914 war eine zentrale Flugschule in Indien geplant, doch der Ausbruch des Krieges machte die Idee zunichte. Dennoch befanden sich im August 1914 zwei für diese Schule vorgesehene B.E.8 in Farnborough, von denen eine auf dem obenstehenden Foto zu sehen ist. Dieses Flugzeug, das eine frühe und grobe Form der Tarnung trug, verließ Farnborough am 11. August und befand sich am 14. August auf dem Flugzeugpark in Amiens. Zwei Tage später stürzte das Flugzeug ab, wobei seine Besatzung ums Leben kam. Die RFC nutzte das als „Bloater“ bekannte Muster in der Folgezeit kaum noch.
Das einzige andere britische Flugzeug, das die RFC nach Frankreich begleitete, war die Avro 504, ein Flugzeug, das 1913 in Hendon ein sensationelles Debüt gegeben hatte, wo es eine unglaubliche Geschwindigkeit an den Tag legte. Die RFC bestellte im April 1914 zwölf Flugzeuge, von denen drei bis zur Kriegserklärung zur 5 Squadron kamen. Die Avro 504, Seriennummer 390, hatte das Pech, am 22. August abgeschossen und erbeutet zu werden. Dieser Vorfall gab den Deutschen den ersten Hinweis darauf, dass die britischen Streitkräfte irgendwo vor ihnen standen.
Die „Feldherrenköpfe“
In seiner 230 Seiten umfassenden Darstellung „Feldherrnköpfe 1914-1918“ veröffentlichte Hermann Karl 1932 und dem Pseudony Arminius 17 „Charakterbilder“ von prägenden – mehr oder weniger glücklich agierenden – Verantwortungsträger an der Spitze der Streitkräfte, die im kriegerischen Umfeld einschneidende Entscheide zu treffen hatten. Seine Charakterisierung der beiden Briten Wilson und Haig werden in kürzest möglicher Form übernommen; ergänzt wird dieser Artikel durch die Aufführung weiterer, aus militärischer Sicht heute zusätzlich prägende Köpfe.
Wilson – der Diplomat
Feldmarschall Sir Henry Huges Wilson, 1. Baronet GCB DSO, (*1864, – †1922). Bis Kriegsbeginn Chef der Operationskazlei des „Imperial-General-Staff“, dann bis Januar 1915 Sous-Chef des Generalstabes des britischen Westfrontheeres, dann „Chief-Liason-Officer“ beim französischen Hauptquartier in Frankreich bis Februar 1916. Dann Führer eines Korps an der Westfront bis September 1916, dann Chef der britschen Mission für Russland bis Januar 1917. Vom 27. Februar bis 17. Mai britischer Verbindungsgeneral und Stabschef des französischen „General-en-Chef“ Nivelle, dem auch die Leitung der britschen Operationen obliegt. Dann wieder „Chief-Liasons-Officer“ bis November 1917. Vom 7. November 1917 bis 2. Februar 1918, britischer Vertreter im Obersten Kriegsrat der Alliierten. Ab dann bis Kriegsende Chef des „Imperial-General-Staff“.
Haig – der Bulle
Feldmarschall Douglas Haig, 1. Earl Haig, (*1861, † 1928). Zu Kriegsbeginn Führer des 1. Englischen Korps an der Westfront, ab Januar 1915 bis Dezember Führer der dort eingesetzten 1. Englischen Armee. Vom 27. Dezember bis Kriegsende „Commander-in-Chief“ des britischen Heeres in Belgien und Frankreich.Haig ist bis heute umstritten. Ihm wird vorgeworfen, durch eine zu konservative Truppenführung unter weitgehender Nichtbeachtung der Fortschritte in der Militärtechnik enorme und unnötige Verluste verschuldet zu haben. Ferner wird ihm vorgeworfen, die Wirkung einzelner Waffensysteme falsch eingeschätzt zu haben: Als gelernter Kavallerist war er überzeugt, dass sich feindliche Maschinengewehrstellungen am besten durch schneidige, frontale Reiterangriffe ausschalten ließen, zumal eine Kugel „ein Pferd kaum aufzuhalten vermag“,[2] und befahl daher häufig Frontalattacken, sowohl durch Kavallerie als auch durch Infanterie. Dabei unterschätzte er lange Zeit die Effizienz der modernen Defensivwaffen. Für fragwürdig geringe Erfolge nahm er hohe Verluste seiner Truppen in Kauf. Nachdem die britische Armee an den ersten beiden Tagen der Sommeschlacht 1916 die höchsten Verluste in ihrer Geschichte erlitten hatte, erhielt er den Beinamen „Butcher (Metzger) of the Somme“
Jellico – der Protegé
Admiral John Rushworth Jellicoe, 1. Earl Jellicoe, OM, GCB, GCVO, (* 1859 – † 1935). Unter First Sealord John Arbuthnot Fisher war Jellicoe der Direktor für Marinerüstung (1905–1907) und danach Marineinspekteur (1908–1910). Er setzte sich stark dafür ein, Gelder bereitzustellen, um die Marine zu modernisieren, wobei er Neuentwicklungen wie Dreadnoughts und Unterseeboote unterstützte. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er zum Befehlshaber der Grand Fleet bestellt. In der Skagerrakschlacht 1916 war er somit ihr Befehlshaber. Sein Umgang mit der Flotte während der Schlacht ist umstritten, einige Historiker beschreiben Jellicoes Taktik als zu vorsichtig, während andere ihm keine wesentlichen Fehler unterstellen. Jellicoe wurde vorgeworfen, die deutsche Hochseeflotte nicht verfolgt zu haben, um ihr einen finalen Schlag zu versetzen. Allerdings war das Risiko durch deutsche Torpedoangriffe gegeben, weshalb er von einem erneuten Angriff Abstand nahm, um die britische Flotte zu schonen.[8] In der Heimat zeigte sich die britische Öffentlichkeit enttäuscht, dass die Royal Navy, nicht wie bei der Schlacht von Trafalgar, als eindeutiger Sieger hervorging. 1916 wurde er zum Ersten Seelord ernannt und wechselte von seinem Frontkommando an den Schreibtisch. 1918 wurde er zum Viscount ernannt und am 3. April 1919 zum Admiral of the Fleet (Grossadmiral) befördert. Jellicoe war von September 1920 bis November 1924 Generalgouverneur von Neuseeland. Bei seiner Rückkehr nach Großbritannien wurde er 1925 zum Earl ernannt. Jellicoe war ein intelligenter und hingebungsvoller Offizier. Bei seinen Mannschaften war er sehr beliebt, da er sich für ihr Wohlergehen und ihre Moral einsetzte. Er war jedoch auch ein Mikromanager, der sich um noch die kleinsten Details selber kümmerte, was ihn bisweilen an den Rand der völligen Erschöpfung brachte. Sein Einsatz der Flotte in der Skagerrakschlacht zeigten sowohl seine Stärken als auch seine Schwächen als Führer auf.
Trenchard – Vater der Royal Air Force
Hugh Montague Trenchard, 1. Viscount Trenchard, GCB, OM, GCVO, DSO (*1873 – † 1956) war ein britischer Offizier, der die Royal Air Force federführend mitbegründete und im Ersten Weltkrieg als erster Chief of the Air Staff führte. In diesen Funktionen stieg er zum Marshal of the Royal Air Force auf und erwarb sich den Ruf als Father of the RAF (dt.: „Vater der Royal Air Force“). Trenchard gilt als Verfechter der strategischen Bombardements, dessen Ziel nicht Truppen, sondern die Infrastruktur des Gegners sein sollte. Wegen seiner überlauten Stimme erhielt er den Spitznamen Boom (Dröhnen, Donnern) Kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Trenchard an die Westfront versetzt, um dort das Kommando über den aus zwei Staffeln bestehenden No. 1 Wing RAF zu übernehmen, die das IV Corps der British Army und das Indian Corps der British Indian Army unterstützen sollten. Trenchard wurde im Juni 1915 zum Brevet-Colonel und im August 1915 zum temporären Brigadier-General befördert sowie als Nachfolger David Hendersons zum Kommandeur aller Verbände des Royal Flying Corps an der Westfront ernannt. Im März 1916 wurde er zum temporären und im Januar 1917 zum regulären Major-General befördert. 1917 kehrte er nach Grossbritannien zurück, um dort die Flugausbildung neu zu organisieren. Im Januar 1918 wurde er als Knight Commander des Order of the Bath geadelt. Als im Januar 1918 das Air Council eingerichtet wurde, wurde Trenchard das Amt des Chief of the Air Staff übertragen, er war damit Oberkommandierender der britischen Luftwaffe. Mit seiner Hilfe gelang die Fusion des Royal Flying Corps und des Royal Naval Air Service zur Royal Air Force. Nach einem Streit mit dem Minister der Luftwaffe, Harold Harmsworth, trat er jedoch von seiner Position zurück, zwei Wochen bevor die Royal Air Force im April 1918 offiziell gebildet werden sollte. Trenchard nahm seine aktive Laufbahn wieder auf und organisierte als Kommandeur der Independent Force heftige Bombardements gegnerischer Eisenbahnen, Flugplätze und Industriezentren in der letzten Phase des Ersten Weltkriegs.
Der exemplarische Autor
In der Zeit des Ersten Weltkrieges gab es eine recht grosse Anzahl von britischen Poeten. Allen voran stehen Siegfried Sassoon und Wilfried Owen.
Beiden ist im bedrückend schönen Buch von Pat Barker (Regeneration, 1991) ein Denkmal gesetzt.
Eine Anthologie der britischen Dichter findet sich in The Penguin Book of First World War Poetry, ed. By Jon Silkin. Keine Weihnachtslektüre, aber vielleicht für den nächsten 11. November, den Tag des Waffenstillstands an der Westfront.
Der bekannteste britische (walisische) Erst Weltkrieg-Autor ist wohl Robert Graves. Seine Kriegserlebnisse hat er in Good-Bye to All That verarbeitet.
Er widmet einen großen Teil des Buches seinen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg, in dem er detailliert den Grabenkrieg und insbesondere den Unsinn der Schlacht von Loos beschreibt. Bei dieser Schlacht an der Westfront kam 1915 zum ersten Mal auf britischer Seite Giftgas zum Einsatz.
Graves war durch seine Kriegserfahrungen traumatisiert. Nachdem er verwundet worden war, musste er während einer Zugfahrt fünf Tage mit schmutzigen und nicht gewechselten Bandagen auskommen. Das Telefon im Graben verängstigte ihn so sehr, dass er sich dieser Technologie nie mehr anvertraute. Auch erlitt er einmal einen elektrischen Schock, weil die Leitung vom Blitz getroffen wurde. Nach seiner Rückkehr nach Hause wurde er nach eigener Aussage von Geistern und Alpträumen verfolgt. Seine Geliebte, die amerikanische Dichterin Laura Riding, preist er als „spirituelle und intellektuelle Geburtshelferin“ seines Werkes, welches ihn berühmt gemacht hat.
Mit seiner Darstellung Lawrence and the Arabs. (1927) thematisierte er in einem früheren Werk die Rolle der britischen Streitkräfte im Nahen Osten, unmittelbar nachdem Thomas Edward Lawrence seinen Kriegsbericht zu dem, von ihm organisierten arabischen Aufstand gegen das Osmanische Reich in den Jahren 1917/1918 schildert und unter dem Titel „Die sieben Säulen der Weisheit“ veröffentlichte.
Auch seine beiden Gedichtbände (Over the Brazier und Fairies and Fusiliers) thematisieren die Weltkriegserlebnisse des später sehr prominenten und oft exzentrischen Dichters, der seinen Lebensabend auf Malorca verbrachte.