Toll, dass auch Sie sich für Geschichte interessieren!

Die nachfolgenden, teilweise sehr umfassenden Beiträge richten sich an die „Hardcore-Interessenten“, welche sich vertieft mit dem historischen Hintergrund des Ersten Weltkriegs auseinandersetzen möchten. Die einzelnen Kapitel und Unterkapitel führen den Leser ab Mitte des 18. Jahrhunderts zur Ausgangslage am Vorabend des Krieges, dann über dessen dramatischen Verlauf an allen europäischen Fronten hin zum Gebirgskrieg, welcher für Besucher dieser Internetseite wohl im Zentrum steht bis hin zum Kriegsende und den Pariser-Vorortsverträgen von 1919.

Zur eigentlichen Vorbereitung einer Wanderung entlang unserer Wegnetze ist die Lektüre dieser Artikel aber nicht notwendig. Sie finden unter den Ausführungen zu den einzelnen Wegen ausreichend historische Hinweise.

Viel Spass beim Durchstöbern der unseres Erachtens wesentlichen Ereignis der Geschichte! Literaturempfehlungen für wirkliche „Hardcore-Hobby-Historiker“ finden sich jeweils im Anschluss an die diversen Timelines. Zur Vertiefung bietet sich Wikipedia stets (unter bekannten Vorbehalten) an.

David Accola

 

Eine Gebrauchsanweisung

Die „Hintergrund-Seiten“ sind inhaltlich eigenständig verständlich. Auf Wiederholungen im chronologischen Sinne wird aber verzichtet. Also: vorne beginnen und am Schluss durchatmen. Sie können aber auch während der Lektüre jederzeit das nächste Kapitel ansteuern oder werden am Seite-Ende zur nächsten, chronologisch sinnmachenden Seite weitergeleitet. Wie es doch in der letzten Strophe des Beresina-Liedes treffend heisst: „Mutig, mutig liebe Brüder“ … Viel Vergnügen, Spass und Durchhaltevermögen!

Ereignisse und Entwicklungen im 19. Jahrhundert

Bevor wir in die Tiefen der eigentlichen Kriegsereignisse eintauchen, macht es Sinn, sich zunächst mit den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu befassen. Nur so ist nachvollziehbar, was sich in deren Folge ereignete.Selbstredend kann umfangbedingt nicht jeder staatliche Akteur in gleicher Tiefe beleuchtet werden. Im Fokus stehen Österreich-Ungarn und Italien im erweiterten Kontext zum Verständnis der Kriegsereignisse im Gebirge, aber auch Deutschland, England und die Comenwealth-Staaten, Frankreich, Russland, die Türkei und die Balkanstaaten sowie abschliessend die Vereinigten Staaten von Amerika, um den Gesamtüberblick zu wahren. Die Vorkriegsereignisse in der Schweiz werden auf der Seite „Die Schweiz im Ersten Weltkrieg“ thematisiert.

Jeder Abschnitt wird durch ein kurzes Protrait der Protagonisten – konkret der Staatsführer zu Beginn des Ersten Weltkriegs – eingeführt. Dem, meines Erachtens zum notwendigen Verständnis zielführende Ergänzungen folgen diesen Kurzportraits. Abgeschlossen werden die Abschnitte durch eine Zeitleiste.

Die Zeitleiste – neudeutsch Timeline –  wird dem Besucher dieser Seite immer wieder begegenen. Für Kriegsausbruch und Verlauf relevante Ereignisse fanden immer in Folge oder gar direktem Zusammenhang mit anderen, bedeutenden Gegebenheiten statt. Entsprechend dient sie dem Überblick der gesamteuropäischen, aber auch auch weltweite Lage, wenn sich diese dann zum Verständnis aufdrängt. Selbstredend, dass eine derartige Darstellung niemals umfassend und entsprechend vollständig sein kann. Aufgeführt werden vornehmlich Ereignisse, welche längerfristig oder auch ursächlich den Ausbruch und Verlauf des Krieges von 1914-1918 zur Folge hatten.

WEITERLESEN

Von wesentlicher Bedeutung ist das gesamthafte Verständnis von „Megatrends“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Stefan Zweig hat diese in seinem autobiographischen Werk (posthum 1942 erschienen) als „Die Welt von Gestern“ beschrieben. Heute müssten wir sagen „Die Welt von Vor-vor-Gestern“, aber das Denken und vielmehr noch die Unterordnungsbereitschaft gegenüber Eliten der damaligen Bürger, sofern diese dann überhaupt über ein entsprechendes Recht verfügten, sind uns heute fremd, oft unverständlich oder auch schlicht nicht nachvollziehbar. Es war eine andere Zeit.

Von ebenso bedeutendem Ausmass war ein Bündnissystem, welches die „Welt von Gestern“ bewahren sollte. Bi- tri- oder gar multinationale Abmachungen sollten der Aufrechterhaltung des „status quo“ dienen.

Die Aspekte der Megatrends und der Bündnispolitik schliessen dieses Kapitel ab.

 

Wenn nicht explizit aufgeführt, basiere ich auf online verfügbaren Quellen und Darstellungen, vornehmlich auf sehr spezifischen Wikipedia-Beiträgen. Den meist anonymen Autoren sei für deren Grundlagenarbeit an dieser Stelle herzlich gedankt.

INHALTSÜBERSICHT DIESER SEITE

 

Napoleons Aufstieg, Kriege und Untergang

Alles beginnt und endet mit dem Korsen …

 

Monarchien und Republiken

Verzwickte Verwandschaftsverhältnisse und Beziehungsnetze

 

Grossmächte und deren Protagonisten

 

Georg V. und das Vereinigte Königreich

England und die Staaten des Commonwealth of Nations

 

Nikolaus  II. und das russische Zarenreich

Von Peter dem Grossen bis zum Untergang der Zarenfamilie

 

Raymond Pointcaré und die III. Französische Republik

Napoleon III. und die Schmach von Sedan

 

Wilhelm II. und das Deutsche Reich

Preussen übernimmt das Zepter – Bismarck steuert die Entwicklung des Deutschen Reichs

 

Kaiser Franz Josef I. und die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie

Franz Josef und sein Vielvölkerstaat

 

Vittorio Emanuele III. und das junge Köngireich Italien

Risorgimento und Gebietsansprüche

 

Mehmed V. – der kranke Mann an der Spitze des Osmanischen Reichs

Aufstieg und Untergang einer Supermacht – das Osmanische Reich

 

Peter I. von Serbien und das Pulverfass auf dem Balkan

Zwei Aufstände, ein Partner und latente Spannungen

 

Woodrow Wilson und die Vereinigten Staaten von Amerika

Von den Indianerkriegen bis zum Aufstieg zur wirtschaftlichen Weltmacht

 

Die Bündnisse Ende des 19. Jahrhunderts

 

Die Megatrends zur Jahrtausendwende

Timeline I: ALLES BEGINNT UND ENDET MIT IHM – NAPOLEON BONAPARTE

NAPOLEONS AUFSTIEG, SEINE KRIEGE, SEIN UNTERGANG

Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard, Gemälde von Jacques-Louis David, 1800, Original in der Kunsthistorischen Sammlung Wien, Belvedere; Digital: Wikipedia.

Napoleon I. Ob man will oder nicht: das Verständnis der Ereignisse im Europa des 19. und frühen 20. Jahrunderts ist ohne Kenntnisnahme seines politischen und militärischen Wirkens schwierig aufzubringen. Als Günstling der Französischen Revolutionsjahre oder als militärisch so skrupellos wie genial bewerteter „Emporkömmling“, bringt er Europa aus den monarchistisch bewährten Fugen. Bald heisst es: „alle gegen den Korsen und wenn es sein muss, gehen wir auch mal unheilige Allianzen ein“. Eine Reihe von Koalitionskriegen, die Historiker bald mal auch als napoleonische Kriege bezeichnet werden, sind die Folge seiner wachsenden Herrschaft über Europa.

Empfohlene Biographien zu Napolen Bonaparte: Adam Zamoyski: Napoleon. Ein Leben. C.H. Beck, München 2018; Franz Herre: Napoleon Bonaparte. Eine Biographie. Hugendubel, München 2006.
Die Krönung Napoleons in Notre Dame zum Kaiser der Franzosen, Gemälde von Jacques-Louis David (1806–1807) Digital: Wikipedia.

Nachdem Napoleon durch eine Volksabstimmung und den Senat die Kaiserwürde angetragen worden war, krönte er sich am 2. Dezember 1804 in der Kathedrale Notre Dame de Paris während der Zeremonie in Anwesenheit von Pius VII. selbst zum Kaiser. Während die Annahme der Kaiserkrone nach innen sein Prestige weiter erhöhen sollte, war es nach außen ein Versuch, sein Regime dynastisch zu legitimieren. Gleichzeitig signalisierte der Kaisertitel jedoch den Anspruch auf die zukünftige Gestaltung Europas. Der Titel „Kaiser der Franzosen“ bedeutete, dass dieser sich letztlich als Kaiser eines Volkes und nicht eines Reiches sah. Napoleon sah sich als Volkssouverän und nicht, wie alle römischen Kaiser zuvor, als von Gott gekrönter Kaiser (Gottesgnadentum). Am 26. Mai 1805 wurde Napoleon im Mailänder Dom mit der Eisernen Krone der Langobarden zum König von Italien gekrönt.

Empfohlene Biographien zu Napolen Bonaparte: Adam Zamoyski: Napoleon. Ein Leben. C.H. Beck, München 2018; Franz Herre: Napoleon Bonaparte. Eine Biographie. Hugendubel, München 2006.
The plum pudding in danger: William Pitt der Jüngere (l.) und Napoléon Bonaparte teilen sich die Welt (Karikatur von James Gillray 1805); Digital: Wikipedia

Der Dritte Koalitionskrieg, auch Zweiter Napoleonischer Krieg, fiel in das Jahr 1805. Er wurde ausgetragen zwischen Frankreich und seinen deutschen Verbündeten, insbesondere Württemberg, Bayern und Baden, und den Alliierten um Großbritannien, Russland, Österreich, Schweden und Neapel. Napoleon siegte in der Schlacht von Ulm. Einen Tag später wurde die französisch-spanische Flotte am 21. Oktober in der Schlacht von Trafalgar geschlagen. Eine vereinigte russisch-österreichische Armee wurde am 2. Dezember in der Schlacht bei Austerlitz von Napoleon besiegt. Daraufhin musste Österreich den Frieden von Pressburg schließen, während Russland und Großbritannien den Krieg fortsetzten. Das Ergebnis der Dritten Koalition war, dass Großbritannien zur See nunmehr die beherrschende Macht war. In Kontinentaleuropa dominierte Napoleon. Dieser gestaltete im Jahr 1806 die Verhältnisse vor allem in Deutschland grundlegend um. Er schuf den Rheinbund, dessen Mitglieder aus dem Heiligen Römischen Reich austraten. Daraufhin legte Kaiser Franz II. am 6. August die Krone des Reiches nieder.

Literatur: Elisabeth Fehrenbach; Vom Ancien Regime zum Wiener Kongress. München 2001. Zur legendären Seeschlacht von Trafalgar: Tim Clayton, Phil Craig: Trafalgar. The men, the battle, the storm. Hodder & Stoughton, London 2004, (englisch). Zur Dreikaiserschlacht von Austerlitz: Frank Bauer; Austerlitz 2. Dezember 1805. Höhepunkt der napoleonischen Kriegführung (Kleine Reihe Geschichte der Befreiungskriege; Bd. 12). Potsdam 2005.  Die Schlacht bei Austerlitz bietet insbesondere auch Inhalt des historischen Romans „Krieg und Friede“ von Lew Nikolajewitsch Tolstoi, welcher diesen 1868/69 veröffentlichte. Der Roman gilt als eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur und wurde mehrfach verfilmt.
Einzug Napoleons an der Spitze seiner Truppen durch das Brandenburger Tor, nach der siegreichen Schlacht bei Jena und Auerstedt. Berlin, 27. Oktober 1806. Bild: Charles Meynier, 1810. Digital: Wikipedia.

Der Vierte Koalitionskrieg, auch Dritter Napoleonischer Krieg oder Feldzug gegen Preußen fand in den Jahren 1806 und 1807 zwischen Frankreich und den mit ihm verbundenen Staaten wie den Mitgliedern des Rheinbundes auf der einen Seite und im Wesentlichen Preußen und Russland auf der anderen Seite statt. Der alte preußische Staat brach nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 zusammen. Der Hof floh nach Ostpreußen. Die Hauptlast des Krieges lag nunmehr bei Russland. Nach der entscheidenden Niederlage gegen Napoleon in der Schlacht bei Friedland beendete der Frieden von Tilsit den Krieg. Preußen verlor dabei fast die Hälfte seines Gebietes, musste hohe Kriegsentschädigungen leisten und sank auf den Status eines minder mächtigen Staates herab. Dagegen befand sich Napoleon auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Literatur: Elisabeth Fehrenbach: Vom Ancien Regime zum Wiener Kongress,  München 2008.
Der Tiroler Bauernführer Andreas Hofer am Vorabend der Bergiselschalcht, Bild: Franz Defregger, um 1870. Digital: Wikipedia

Der Fünfte Koalitionskrieg oder auch Österreichisch-Französische Krieg von 1809 bezeichnet die Auseinandersetzung zwischen dem von Großbritannien unterstützten Österreich und dem Kaiserreich Frankreich mit seinen Verbündeten im Rheinbund. Österreich begann den Krieg in der Hoffnung, dass Napoleon durch den Aufstand in Spanien festgehalten würde. Dies erwies sich als Fehleinschätzung. Zwar konnte Erzherzog Karl Napoleon in der Schlacht bei Aspern besiegen, aber in der Schlacht bei Wagram erlitt er eine entscheidende Niederlage. In diese Phase fallen auch die vier Bergiselschlachten unter dem Tiroler Bauernführer Andreas Hofer (1767-1810). Im Frieden von Schönbrunn musste das Land territoriale Verluste hinnehmen und wurde stark geschwächt. Politisch war Österreich in der Folge zur Anpassung an Frankreich gezwungen, ehe es sich 1813 der antinapoleonischen Koalition in den Befreiungskriegen anschloss.

Literatur: Aspern und Wagram; Frank Bauer: Aspern und Essling, 21./22. Mai 1809, Napoleons erste große Schlachtenniederlage. Kleine Reihe Geschichte der Befreiungskriege 1813–1815, Potsdam 2009. Zu Andreas Hofer und den Bergiselschlachten; Meinrad Pizzinini: Andreas Hofer. Seine Zeit – sein Leben – sein Mythos. Tyrolia, Innsbruck / Wien 2008. Viktor Schemfil: Der Tiroler Freiheitskrieg 1809. Eine militärhistorische Darstellung. In: Schlern-Schriften. Band 335. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2007
Napoleon auf dem Rückzug von Moskau, Historiengemälde von Adolph Northen, um 1860; Digital: Wikipedia

Napoleons Russlandfeldzug von 1812 stellt die erste Phase des Sechsten Koalitionskriegs dar, in dem sich Frankreich und Russland mit ihren jeweiligen Verbündeten gegenüberstanden. Der Feldzug endete nach anfänglichen französischen Erfolgen in einer der größten militärischen Katastrophen der Geschichte. Nach der vollständigen Vertreibung der Grande Armée vom russischen Territorium mündete der Feldzug Anfang 1813 in die zweite Kriegsphase: In den Befreiungskriegen gingen zunächst Preußen, dann Österreich und später die von Frankreich dominierten deutschen Rheinbundstaaten auf die antinapoleonische Seite über, die 1814 Frankreich besiegte und Napoleon zur Abdankung zwang.

Zwingend empfohlene Literatur zum Russlandfeldzug: Adam Zamoyski: 1812: Napoleons Feldzug in Russland. Beck, München 2012.
Völkerschlacht bei Leipzig, Gemälde von Wladimir Moschkow, 1815; Digital: Wikipedia

Die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 war die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege. Dabei kämpften die Truppen der Verbündeten, im Wesentlichen Russland, Preußen, Österreich und Schweden, gegen die Truppen Napoleon Bonapartes. Mit bis zu 600.000 beteiligten Soldaten aus über einem Dutzend Ländern war dieser Kampf bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich die größte Schlacht der Weltgeschichte. In dieser wichtigsten Schlacht des Befreiungskrieges gegen die napoleonische Herrschaft brachten die zahlenmäßig überlegenen verbündeten Heere der Österreicher, Preußen, Russen und Schweden Napoleon Bonaparte die entscheidende Niederlage bei, die ihn dazu zwang, sich mit der verbliebenen Restarmee und ohne Verbündete aus Deutschland zurückzuziehen. In der Schlacht wurden von den rund 600.000 beteiligten Soldaten 92.000 getötet oder verwundet.

Literatur: Martin Hofbauer, Martin Rink (Hrsg.): Völkerschlacht bei Leipzig. Verläufe, Folgen, Bedeutungen 1813–1913–2013 (= Beiträge zur Militärgeschichte. Band 77), Berlin 2017
Wiener Kongress Abschlussdokument im Staatsarchiv am Minoritenplatz

Nach Napoleons vernichtender Niederlage 1813 bei Leipzig und der darauf folgenden Verbannung des Kaisers auf die Insel Elba vereinigten sich die Herrscher Europas in der Donaumetropole zum Wiener Kongress. Dieser dauerte vom 18. September 1814 bis 9. Juni 1815 und verfolgte das Ziel den Status quo ante wieder herzustellen, nachdem Napoleon Europa ziemlich auf den Kopf gestellt hatte. Unter der Leitung des österreichischen Außenministers Fürst von Metternich berieten politisch bevollmächtigte Vertreter aus rund 200 europäischen Staaten, Herrschaften, Körperschaften und Städten, darunter alle bedeutenden Mächte Europas mit Ausnahme des Osmanischen Reiches. Die führende Rolle spielten Russland, das Vereinigte Königreich, Österreich und Preußen sowie das wiederhergestellte Königreich Frankreich und der Kirchenstaat.

Neun Tage nach Unterzeichnung der Schlussakte bäumte sich der Franzosenkaiser ein letztes Mal auf. In der Schlacht bei Waterloo vom 18. Juni 1815 wurde er definitiv in die Schranken gewiesen

Die Niederlage der von Napoleon geführten Franzosen gegen die alliierten Truppen unter dem englischen General Wellington und dem preußischen Feldmarschall Blücher beendete Napoleons Herrschaft der Hundert Tage und führte mit dessen endgültiger Abdankung am 22. Juni 1815 zum Ende des Französischen Kaiserreichs.

Nach dieser zweiten völligen militärischen Niederlage innerhalb kurzer Zeit wurden Frankreich im Zweiten Pariser Frieden verschärfte Friedensbedingungen auferlegt. Napoleon selbst wurde als Kriegsgefangener der Briten auf die Atlantikinsel St. Helena gebracht, wo er als Verbannter am 5. Mai 1821 starb.

Literatur: Adam Zamoyski: 1815. Napoleons Sturz und der Wiener Kongress. Beck, München 2014
1804
Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard, Gemälde von Jacques-Louis David, 1800, Original in der Kunsthistorischen Sammlung Wien, Belvedere; Digital: Wikipedia.

Napoleon I. Ob man will oder nicht: das Verständnis der Ereignisse im Europa des 19. und frühen 20. Jahrunderts ist ohne Kenntnisnahme seines politischen und militärischen Wirkens schwierig aufzubringen. Als Günstling der Französischen Revolutionsjahre oder als militärisch so skrupellos wie genial bewerteter „Emporkömmling“, bringt er Europa aus den monarchistisch bewährten Fugen. Bald heisst es: „alle gegen den Korsen und wenn es sein muss, gehen wir auch mal unheilige Allianzen ein“. Eine Reihe von Koalitionskriegen, die Historiker bald mal auch als napoleonische Kriege bezeichnet werden, sind die Folge seiner wachsenden Herrschaft über Europa.

Empfohlene Biographien zu Napolen Bonaparte: Adam Zamoyski: Napoleon. Ein Leben. C.H. Beck, München 2018; Franz Herre: Napoleon Bonaparte. Eine Biographie. Hugendubel, München 2006.
1804
Die Krönung Napoleons in Notre Dame zum Kaiser der Franzosen, Gemälde von Jacques-Louis David (1806–1807) Digital: Wikipedia.

Nachdem Napoleon durch eine Volksabstimmung und den Senat die Kaiserwürde angetragen worden war, krönte er sich am 2. Dezember 1804 in der Kathedrale Notre Dame de Paris während der Zeremonie in Anwesenheit von Pius VII. selbst zum Kaiser. Während die Annahme der Kaiserkrone nach innen sein Prestige weiter erhöhen sollte, war es nach außen ein Versuch, sein Regime dynastisch zu legitimieren. Gleichzeitig signalisierte der Kaisertitel jedoch den Anspruch auf die zukünftige Gestaltung Europas. Der Titel „Kaiser der Franzosen“ bedeutete, dass dieser sich letztlich als Kaiser eines Volkes und nicht eines Reiches sah. Napoleon sah sich als Volkssouverän und nicht, wie alle römischen Kaiser zuvor, als von Gott gekrönter Kaiser (Gottesgnadentum). Am 26. Mai 1805 wurde Napoleon im Mailänder Dom mit der Eisernen Krone der Langobarden zum König von Italien gekrönt.

Empfohlene Biographien zu Napolen Bonaparte: Adam Zamoyski: Napoleon. Ein Leben. C.H. Beck, München 2018; Franz Herre: Napoleon Bonaparte. Eine Biographie. Hugendubel, München 2006.
1805
The plum pudding in danger: William Pitt der Jüngere (l.) und Napoléon Bonaparte teilen sich die Welt (Karikatur von James Gillray 1805); Digital: Wikipedia

Der Dritte Koalitionskrieg, auch Zweiter Napoleonischer Krieg, fiel in das Jahr 1805. Er wurde ausgetragen zwischen Frankreich und seinen deutschen Verbündeten, insbesondere Württemberg, Bayern und Baden, und den Alliierten um Großbritannien, Russland, Österreich, Schweden und Neapel. Napoleon siegte in der Schlacht von Ulm. Einen Tag später wurde die französisch-spanische Flotte am 21. Oktober in der Schlacht von Trafalgar geschlagen. Eine vereinigte russisch-österreichische Armee wurde am 2. Dezember in der Schlacht bei Austerlitz von Napoleon besiegt. Daraufhin musste Österreich den Frieden von Pressburg schließen, während Russland und Großbritannien den Krieg fortsetzten. Das Ergebnis der Dritten Koalition war, dass Großbritannien zur See nunmehr die beherrschende Macht war. In Kontinentaleuropa dominierte Napoleon. Dieser gestaltete im Jahr 1806 die Verhältnisse vor allem in Deutschland grundlegend um. Er schuf den Rheinbund, dessen Mitglieder aus dem Heiligen Römischen Reich austraten. Daraufhin legte Kaiser Franz II. am 6. August die Krone des Reiches nieder.

Literatur: Elisabeth Fehrenbach; Vom Ancien Regime zum Wiener Kongress. München 2001. Zur legendären Seeschlacht von Trafalgar: Tim Clayton, Phil Craig: Trafalgar. The men, the battle, the storm. Hodder & Stoughton, London 2004, (englisch). Zur Dreikaiserschlacht von Austerlitz: Frank Bauer; Austerlitz 2. Dezember 1805. Höhepunkt der napoleonischen Kriegführung (Kleine Reihe Geschichte der Befreiungskriege; Bd. 12). Potsdam 2005.  Die Schlacht bei Austerlitz bietet insbesondere auch Inhalt des historischen Romans „Krieg und Friede“ von Lew Nikolajewitsch Tolstoi, welcher diesen 1868/69 veröffentlichte. Der Roman gilt als eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur und wurde mehrfach verfilmt.
1806-1807
Einzug Napoleons an der Spitze seiner Truppen durch das Brandenburger Tor, nach der siegreichen Schlacht bei Jena und Auerstedt. Berlin, 27. Oktober 1806. Bild: Charles Meynier, 1810. Digital: Wikipedia.

Der Vierte Koalitionskrieg, auch Dritter Napoleonischer Krieg oder Feldzug gegen Preußen fand in den Jahren 1806 und 1807 zwischen Frankreich und den mit ihm verbundenen Staaten wie den Mitgliedern des Rheinbundes auf der einen Seite und im Wesentlichen Preußen und Russland auf der anderen Seite statt. Der alte preußische Staat brach nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 zusammen. Der Hof floh nach Ostpreußen. Die Hauptlast des Krieges lag nunmehr bei Russland. Nach der entscheidenden Niederlage gegen Napoleon in der Schlacht bei Friedland beendete der Frieden von Tilsit den Krieg. Preußen verlor dabei fast die Hälfte seines Gebietes, musste hohe Kriegsentschädigungen leisten und sank auf den Status eines minder mächtigen Staates herab. Dagegen befand sich Napoleon auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Literatur: Elisabeth Fehrenbach: Vom Ancien Regime zum Wiener Kongress,  München 2008.
1809
Der Tiroler Bauernführer Andreas Hofer am Vorabend der Bergiselschalcht, Bild: Franz Defregger, um 1870. Digital: Wikipedia

Der Fünfte Koalitionskrieg oder auch Österreichisch-Französische Krieg von 1809 bezeichnet die Auseinandersetzung zwischen dem von Großbritannien unterstützten Österreich und dem Kaiserreich Frankreich mit seinen Verbündeten im Rheinbund. Österreich begann den Krieg in der Hoffnung, dass Napoleon durch den Aufstand in Spanien festgehalten würde. Dies erwies sich als Fehleinschätzung. Zwar konnte Erzherzog Karl Napoleon in der Schlacht bei Aspern besiegen, aber in der Schlacht bei Wagram erlitt er eine entscheidende Niederlage. In diese Phase fallen auch die vier Bergiselschlachten unter dem Tiroler Bauernführer Andreas Hofer (1767-1810). Im Frieden von Schönbrunn musste das Land territoriale Verluste hinnehmen und wurde stark geschwächt. Politisch war Österreich in der Folge zur Anpassung an Frankreich gezwungen, ehe es sich 1813 der antinapoleonischen Koalition in den Befreiungskriegen anschloss.

Literatur: Aspern und Wagram; Frank Bauer: Aspern und Essling, 21./22. Mai 1809, Napoleons erste große Schlachtenniederlage. Kleine Reihe Geschichte der Befreiungskriege 1813–1815, Potsdam 2009. Zu Andreas Hofer und den Bergiselschlachten; Meinrad Pizzinini: Andreas Hofer. Seine Zeit – sein Leben – sein Mythos. Tyrolia, Innsbruck / Wien 2008. Viktor Schemfil: Der Tiroler Freiheitskrieg 1809. Eine militärhistorische Darstellung. In: Schlern-Schriften. Band 335. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2007
1812
Napoleon auf dem Rückzug von Moskau, Historiengemälde von Adolph Northen, um 1860; Digital: Wikipedia

Napoleons Russlandfeldzug von 1812 stellt die erste Phase des Sechsten Koalitionskriegs dar, in dem sich Frankreich und Russland mit ihren jeweiligen Verbündeten gegenüberstanden. Der Feldzug endete nach anfänglichen französischen Erfolgen in einer der größten militärischen Katastrophen der Geschichte. Nach der vollständigen Vertreibung der Grande Armée vom russischen Territorium mündete der Feldzug Anfang 1813 in die zweite Kriegsphase: In den Befreiungskriegen gingen zunächst Preußen, dann Österreich und später die von Frankreich dominierten deutschen Rheinbundstaaten auf die antinapoleonische Seite über, die 1814 Frankreich besiegte und Napoleon zur Abdankung zwang.

Zwingend empfohlene Literatur zum Russlandfeldzug: Adam Zamoyski: 1812: Napoleons Feldzug in Russland. Beck, München 2012.
1813
Völkerschlacht bei Leipzig, Gemälde von Wladimir Moschkow, 1815; Digital: Wikipedia

Die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 war die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege. Dabei kämpften die Truppen der Verbündeten, im Wesentlichen Russland, Preußen, Österreich und Schweden, gegen die Truppen Napoleon Bonapartes. Mit bis zu 600.000 beteiligten Soldaten aus über einem Dutzend Ländern war dieser Kampf bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich die größte Schlacht der Weltgeschichte. In dieser wichtigsten Schlacht des Befreiungskrieges gegen die napoleonische Herrschaft brachten die zahlenmäßig überlegenen verbündeten Heere der Österreicher, Preußen, Russen und Schweden Napoleon Bonaparte die entscheidende Niederlage bei, die ihn dazu zwang, sich mit der verbliebenen Restarmee und ohne Verbündete aus Deutschland zurückzuziehen. In der Schlacht wurden von den rund 600.000 beteiligten Soldaten 92.000 getötet oder verwundet.

Literatur: Martin Hofbauer, Martin Rink (Hrsg.): Völkerschlacht bei Leipzig. Verläufe, Folgen, Bedeutungen 1813–1913–2013 (= Beiträge zur Militärgeschichte. Band 77), Berlin 2017
1814-1815
Wiener Kongress Abschlussdokument im Staatsarchiv am Minoritenplatz

Nach Napoleons vernichtender Niederlage 1813 bei Leipzig und der darauf folgenden Verbannung des Kaisers auf die Insel Elba vereinigten sich die Herrscher Europas in der Donaumetropole zum Wiener Kongress. Dieser dauerte vom 18. September 1814 bis 9. Juni 1815 und verfolgte das Ziel den Status quo ante wieder herzustellen, nachdem Napoleon Europa ziemlich auf den Kopf gestellt hatte. Unter der Leitung des österreichischen Außenministers Fürst von Metternich berieten politisch bevollmächtigte Vertreter aus rund 200 europäischen Staaten, Herrschaften, Körperschaften und Städten, darunter alle bedeutenden Mächte Europas mit Ausnahme des Osmanischen Reiches. Die führende Rolle spielten Russland, das Vereinigte Königreich, Österreich und Preußen sowie das wiederhergestellte Königreich Frankreich und der Kirchenstaat.

Neun Tage nach Unterzeichnung der Schlussakte bäumte sich der Franzosenkaiser ein letztes Mal auf. In der Schlacht bei Waterloo vom 18. Juni 1815 wurde er definitiv in die Schranken gewiesen

Die Niederlage der von Napoleon geführten Franzosen gegen die alliierten Truppen unter dem englischen General Wellington und dem preußischen Feldmarschall Blücher beendete Napoleons Herrschaft der Hundert Tage und führte mit dessen endgültiger Abdankung am 22. Juni 1815 zum Ende des Französischen Kaiserreichs.

Nach dieser zweiten völligen militärischen Niederlage innerhalb kurzer Zeit wurden Frankreich im Zweiten Pariser Frieden verschärfte Friedensbedingungen auferlegt. Napoleon selbst wurde als Kriegsgefangener der Briten auf die Atlantikinsel St. Helena gebracht, wo er als Verbannter am 5. Mai 1821 starb.

Literatur: Adam Zamoyski: 1815. Napoleons Sturz und der Wiener Kongress. Beck, München 2014
800X600 Napoleon Bonaparte
Aus korsischer Familie stammend, stieg Bonaparte (* 15. August 1769 in Ajaccio; † 5. Mai 1821 in Longwood House auf St. Helena im Südatlantik) während der Französischen Revolution in der Armee auf. Die Feldzüge des nachmaligen Kaisers der Franzosen (1804-1814) sind so legendär wie seine politischen Schachzüge zur fortlaufenden Erweiterung seines Machtbereichs. Bis zu seinem verlustreich verlaufenen Russlandfelzug 1812 dominierten er und seine Generäle das Geschehen auf den europäischen Schlachtfeldern. In der Völkerschlacht von Leipzig erlitt er die entscheidende Niederlage, die letztlich seine Abdankung und die Verbannung auf die Insel Elba zur Folge hatte.
800x600 Waterloo
Im März 1815 gelingt es Napoleon I. die Macht über Frankreich vorübergehend wieder an sich zu reissen. Seine Rückkehr wurde insbesondere seitens der Armee begrüsst. Soldaten seiner ehemaligen Regimenter schlossen sich zur Armée de Cent Jours zusammen und stellten sich während des Sommerfeldzugs 1815 den Armeen der siebten Koalition gegenüber. In fünf Schlachten schlugen sich die Franzosen mit Briten (Wellington), Niederländern (Prinz von Oranien), Preussen (Blücher). Die bekannteste Schlacht dieses Sommerfeldzugs ist ohne Frage das Gemetzel auf einem Feld vor dem belgischen Flecken Waterloo, unweit von Brüssel. Die dortige Niederlage führte zum definiven Abschluss der Dominanz Napoleons und zur finalen Verbannung auf die Südseeinsel St. Helena.

Monarchien, Republiken, neutrale Staaten und deren Beziehungen untereinander

Vereinfacht ausgedrückt, bestanden im damaligen Europa zwei Blöcke, zu welchen sich die unterschiedlichen Staatsformen zusammengeschlossen hatten. Das Vereinigte Königreich Grossbritannien und Nordirland sowie die Französische Republik hatten sich 1904 zur Entente cordiale vereinigt, einem Abkommen, in welchem die beiden Kolonialstaaten vornehmlich die Interssenskonflikte beider Länder in den Kolonien Afrikas zu lösen suchten. 1907 trat Russland, welches bereits seit 1804 eine Schirmherrschaft gegenüber dem Königreich Serbien garantierte diesem Bündnis bei, das nun zur Triple Entente wurde.

Ihnen gegenüber Stand der „Zweibund“, einem Beistandsvertrag der beiden grossen Monarchien des Deutschen Kaiserreichs und Österreich-Ungarns. Diesem, 1879 abgeschlossenen Bündnis, trat drei Jahre später das noch junge Königreich Italien bei, wodurch der „Dreibund“ entstand. Italien sollte 1915 seine Verpflichtungen aufkünden, wogegen sich das Zarentum Bulgarien und das Osmanische Reich, welches bis 1912 grosse Gebiete des Balkans beherrschte dem auch als Mittel- oder Zentralmächten bekannten Büdnis an.

Die, seitens der zwischen diesen Blöcken liegenden Staaten des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Belgien erklärte Neutralität wurde von allen Regierungen anerkannt, auch jene Spaniens, Portugals, Dänemarks, jene der drei skandinavischen Staaten und jene der Schweiz. Die Rücksicht auf diese Neutralität sollte dann aber seitens der Kriegführenden unterschiedlich ausfallen.

Kaiser, Zar und König – eine verzwickte Verwandschaft

Alexandrina Victoria of Kent (1819-1901), wohl besser bekannt als Victoria, ab 1837 Königin des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und ab 1876 Kaiserin von Indien gilt wohl zurecht als „Grossmutter Europas“. Von 1840 bis 1857 schenkte die Monarchin neun Nachkommen das Leben. Ihr Mann, Prinzgemalhl Albert aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha verstarb 1861 im Alter von 42 Jahren, ansonsten wäre anzunehmen, dass das Paar noch weitere Nachkommen in die Welt gesetzt hätte. Es gehörte gewissermassen zu Victorias Friedenspolitik, ihre Söhne und Töchter unter ihresgleichen mit allen bedeutenden Königs- und Fürstenhäuser zu verheiraten.

Der Annahme folgend, dass „Verwandschaft keinen Krieg führe“ betrieb sie eine entsprechende Heiratspolitik die in diesen Häusern munter weitergeführt wurde. Bei ihrem Tod, nach 64 Jahren der Regentschaft über ein Weltreich, zählte Victoria 42 Enkelinnen und Enkel sowie 88 Urenkel zur Familie. (Victoria war die Ururur(3x)grosmutter des aktuellen Monachen Charles III. (*1948) aus dem Haus Windsor, welches 1917 den Namen Sachsen-Coburg aus gesellschaftstaktischen Überlegungen ablegte. [/expand]

 

Drei der Enkel bzw zwei Enkel und der Ehemann einer weiteren Enkelin sollten während der Zeit des Ersten Weltkriegs eine Hauptrolle im Machtgefüge spielen. Eine Rolle, die sie in variabler Qualität wahrnahmen und letztlich unterschiedlich durch das Schicksal dafür belohnt wurden.

Erster Enkel war Sohn von Victorias erstgeborener Tochter gleichen Namens. Mit Kosename Vicky (1840-1901) heratete Sie den Prinzen Friedrich Willhelm von Preussen, den den späteren Deutschen Kaiser Friedrich III. Dieser Ehe entsprang 1859 der Enkel Nr. 1: Kaiser Wilhelm II.

Zweiter Enkel war Sohn von Vicorias erstem Sohn, Albert Eduard (1841-1910), Kosename Bertie, der als Eduard VII. von 1901-1910 auf dem englischen Thron sass und seiner Frau, der Prinzessin Alesxandra von Dänemark, der Tochter des späteren Königs Christian IX. Deren Sohn, geboren 1865, sollte als Enkel Nr. 2: King George V. den britischen Thron representieren.

Enkelin Nr. 3 war Alix (1872-1918), die Tochter von Victorias Tochter Alice (1843-1878) und dem Grosszerzog Ludwig IV. von Hessen-Darmstadt. Durch ihre Heirat 1894 mit dem dem russischen Thronfolger wurde sie als Alexandra Fiodorowna nicht nur Mitglied des Hauses Romanow, sondern im gleichen Jahr auch die Kaiserin an der Seite von Niklaus II. „Kaiser und Selbstherscher von ganz Russland“, wie sein offizieller Titel lautete.

Vereinfachte Darstellung komplizierter Verwandtschaften: oben (v.l.n.r) King Georg V, Kaiser Wilhelm II. und Zar Nikolaus II. Untere Reihe: Queen Victoria (die Grossmutter der oben abgebildeten Protagonisten), dann ihr Sohn Albert Eduard (Vater von Georg), ihre Tochter Victoria (Mutter von Wilhelm) mit ihrem Mann Friedrich III. und Alice (Mutter der nachmaligen Zarin Alexandra Fjodorowna, rechts von ihr. Übergelagert das „Spinnennetz“ der Europa überspannenden Verträge- und Bündnissysteme.

So gesehen herrschte also politische und familiäre Ordnung. Selbstverständlich gab es lokal zu verortende Spannungen, insbesondere auf dem Balkan brodelte es immer wieder zwischen Osmanen, Serben und natürlich der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie. Darauf werden wir aber später detaillierter eingehen müssen. Was wir bei der Betrachtung der oben stehenden Abbildung im Bewusstsein behalten wollen, ist die etwas betrübliche Einsicht immer jene, das Mächte sich zu Machtgebilden zusammenschlossen, um den Status quo zu bewahren. Es waren keine Friedensabkommen, es waren bestenfalls Nichtangriffspakts oder aber einfach Verträge, welche die Regeln hinsichtlich des weiteren Vorgehens bei der Umsetzung von wirtschaftlichen Entwicklungsschritten festlegten.

Queen Victoria I
Die Ahnenreihe aller europäischer Königshäuser lässt sich nahzu lückenlos in den Schoss der „Grossmutter Europas“ nachvollziehen. Oben dargestellt die Linie des Enkels, der während des Ersten Weltkriegs die Geschicke Englands politisch zu vertreten hatte und jene der Enkelin Alix, welche im Zuge der Oktoberrevolution mit ihrer ganzen Zarenfamilie in Jekaterinenburg hingerichtet wurde. Victoria war die erste bekannte Überträgerin der Bluterkrankheit, unter welcher dann ihr Urenkel Alexei litt und seine Mutter in den Dunstkreis von Rasputin trieb.
König Kaiser Zar
Die drei verwandten Monarchen, denen nach dem Krieg ein unterschiedliches Schicksal beschieden war. King George V. (links) überstand auf der Seite der nachmaligen Sieger die Kriegsjahre und blieb bis zu seinem Tod 1936 auf dem Thron. Kaiser Wilhelm II. (mitte) sollte im November 1918 seine Demission einreichten und verbrachte die nachfolgende Zeit bis zu seinem Tod 1941 im niederländischen Exil. Kaiser Nikolaus II. (rechts) letztlich wurde mit seiner Familie im Juli 1918 von Revolutionären ermordet.

DIE GROSSMÄCHTE UND DEREN PROTAGONISTEN

Im Folgenden geht es darum, die hauptsächlichen Darsteller des späteren „Grossen Krieges“, wie der Erste Weltkrieg bezeichnet wurde, bevor man diese zu nummerieren begann, vorzustellen. Natürlich kann diese Vorstellung nur rudimentär erfolgen und keineswegs abschliessend sein. Die Anordnung der „Portraits“ richtet sich nach den späteren Zugehörigkeiten zu den Bündnissystemen der Entente bzw. den Mittelmächten.

Bei der Entwicklung der jeweiligen Staatsgefüge werden konsequent auschliesslich die letzten 100 Jahre vor Kriegsausbruch beleuchtet, also die Entwicklung nach dem Wiener Kongress bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. (1815-1915).

KÖNIG GEORGE V. UND DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH

600x800 George V

Georg V. (englisch: George V., gebürtig Prince George Frederick Ernest Albert of Wales; * 3. Juni 1865 in Marlborough House,  London; † 20. Januar 1936 in Sandringham House, Norfolk) aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha war vom 6. Mai 1910 bis zu seinem Tod König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland (seit 1927 Nordirland) sowie Kaiser von Indien.

Aufgrund des innenpolitischen Drucks während des Ersten Weltkriegs änderte Georg V. am 17. Juli 1917 den anglisierten Namen seiner Dynastie Saxe-Coburg and Gotha in den bis heute verwendeten Namen Windsor.

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Das Britische Weltreich (englisch British Empire oder kurz Empire) war das größte Kolonialreich der Geschichte. Unter der Herrschaft des Vereinigten Königreichs vereinte es Dominions, Kronkolonien, Protektorate, Mandatsgebiete und sonstige abhängige Gebiete, die aus den englischen Überseebesitzungen, Handelsposten und Strafkolonien hervorgegangen waren. Im Jahr 1922, zur Zeit seiner größten Ausdehnung, umfasste es mit 458 Millionen Einwohnern ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung.

Es erstreckte sich über eine Fläche von ca. 33,67 Millionen km², was einem Viertel der Landfläche der Erde entspricht. Wie zuvor schon das spanische Kolonialreich galt auch das Empire als „Reich, in dem die Sonne nie untergeht“.

Der Zeitraum zwischen 1815 und 1914 wird von einigen Historikern als „imperiales Jahrhundert“ bezeichnet. Nach dem Sieg über Frankreich hatte Großbritannien keine ernstzunehmenden Rivalen mehr, mit Ausnahme des Russischen Reiches in Zentralasien. Die auf See uneingeschränkt dominierenden Briten übernahmen die Rolle eines „Weltpolizisten“, eine später als „Pax Britannica“ bezeichnete Staatsdoktrin. Die Außenpolitik war vom Prinzip der „splendid isolation“ geprägt: Andere Mächte waren durch Konflikte in Europa gebunden, während die Briten sich heraushielten und durch die Konzentration auf den Handel ihre Vormachtstellung noch weiter ausbauten. Großbritannien übte nicht nur die Kontrolle über die eigenen Kolonien aus, sondern beeinflusste dank der führenden Position in der Weltwirtschaft auch die Innenpolitik zahlreicher nominell unabhängiger Staaten. Dazu gehörten China, Argentinien und Siam, die auch „informelles Empire“ genannt werden.

Neue Technologien, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurden, stützten die imperiale Macht Großbritanniens. Dazu gehörten das Dampfschiff und die Telegrafie, welche die Koordination, Kontrolle und Verteidigung des Empire erleichterten. Bis 1902 waren sämtliche Kolonien durch ein Netz von Telegrafenkabeln miteinander verbunden, die All Red Line.

Das Britische Weltreich im Jahr 1897, die britischen Besitzungen werden traditionell rot gekennzeichnet.  Original: Cambridge University Library, Digital: Wikipedia.

Timeline II: „DAS BRITISCHE WELTREICH“

DAS IMPERIALE JAHRHUNDERT

Die anglizistische Geschichtsschreibung beschreibt die Phase von 1815 – 1914 als „imperiales Jahrhundert“. In dieser politisch massgeblich von Queen Victoria geprägten Zeit baute das Königreich Grossbritanniens und Irlands ihren weltweiten Anspruch markant aus. Zwar hatte England 1776 durch den Verlust der „Dreizehn Kolonien“ seinen Einfluss in Nordamerika preisgeben müssen, konnte aber ehemals französische Gebiete auf dem nordamerikanischen Kontinent eingliedern und dem neuen Dominion Canada hinzufügen. In Indien hatte die Ostindien Kompanie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Fuss gefasst, die konkurenzierenden Franzosen vom Subkontinenten weitgehend verdrängt und dort den britischen Einfluss kontinuierlich ausgebaut. Indien galt als strategisches Sprungbrett für den asiatischen Raum und war wirtschaftlich von grosser Bedeutung.

Aus drei wird eins: England, Schottland und Irland schliessen zusammen.

Unter dem britischen König Georg III. tritt durch den Act of Union (dt. Vereinigungsgesetz) das Königreich Irland dem Britischen Königreich bei welches fortan als United Kingdom bezeichnet wurde. Irland sollte bis 1919 treu an der Seite Londons stehen, löste sich dann aber nach einem blutigen Bürgerkrieg kontinuierlich vom britischen Mutterhaus und wurden als Republik 1921 selbständig. Nordirland ist bis heute Teil Grossbritanniens.Der „Union Jack“ (Flagge des Vereinigten Königsreichs) wurde 1801 entsprechend ergänzt: Zum Georgskreuz (England, links) und Andreaskreuz (Schottland, mitte) kam das St. Patrickskreuz (Irland) hinzu.

Literatur: Alan J. Ward: The Irish Constitutional Tradition: Responsible Government and Modern Ireland 1782–1992. Irish Academic Press, 1994
Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington, Gemälde von Sir Thomas Lawrence um 1815; Apsley House, London; Digital: Wikipedia

Unter Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington führt die für die Koalitionsparteien siegreiche Schlacht bei Waterloo zur endgültigen Niederschlagung Napoleons I. und zur massiven Machtreduktion Frankreichs für das kommende Jahrhundert. Das Vereinigte Königreich sollte dannach die absolute Seehoheit erreichen und profitierte auf Grund der nach dem Wiener Kongress wieder aufkeimenden Auseinandersetzungen auf dem europäischen Kontinent von einer grossen, wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeit in Übersee.

Biographie zu Wellington: John Keegan: Die Maske des Feldherrn. Quadriga, Berlin 2000
Die Duchess of Kent mit ihrer Tochter Victoria, Gemälde von Henry Bone, 1824/25

In Kensigton Palace wird am 24. Mai Princess Alexandrina Victoria of Kent geboren. 1837 sollte sie den britischen Thron besteigen und als Queen Victoria die nächsten 64 Jahre die Regentschaft über das Impire innehaben. Ab 1878 trug sie zudem den Titel einer „Empress of India“ (Kaiserin von Indien). In dem nach ihr benannten Viktorianischen Zeitalter erlebte das britische Kolonialreich seinen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Höhepunkt. Ihre aussergewöhnlich lange Regierungszeit (die zweitlängste eines britischen Monarchen nach Elisabeth II.) war durch die Entwicklung Großbritanniens zu einer konstitutionellen Parteiendemokratie und den damit verbundenen Machtverlust der Monarchie geprägt. Die Revolution von 1848/49 überstand das Land weitgehend unbeschadet. Als Großmutter Europas bemühte sich Victoria um Frieden zwischen den Ländern, deren Herrscher alle mehr oder weniger von ihr abstammten. 1901 sollte ihr ältester Sohn Eduard VII. als erster Herrscher aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha (seit 1917 in Großbritannien Haus Windsor genannt) den britischen Thron besteigen.

Biographie: Julia Baird: Queen Victoria. Das kühne Leben einer außergewöhnlichen Frau. wbg Theiss, Darmstadt 2018
George im Alter von fünf Jahren, Fotographie aus dem Jahr 1870, veröffentlicht 1911.

Im Juni wird Victorias ältester Enkel aus männlicher Line geboren. George V. sollte während der Weltkriegsjahre die Geschicke der Vereinigten Königreichs leiten, nachdem er den Thron 1910 als Nachfolger seines Vaters Eduard in Erbfolge übernahm. Zu seinen verwandten Monarchen in Berlin und St. Petersburg unterhielt er einen persönlich sehr nahen und freundlichen Kontakt, was aber einer friedlichen Lösung von machtpolitisch gesteuerten Herausforderungen nicht zu Gute kam.

Biographie: David Cannadine: George V – The unexpected King, London 2014, Penguin Random House UK
Gebiete, die zur einen oder anderen Zeit Teil des britischen Weltreiches waren. Das Vereinigte Königreich und die Britischen Überseegebiete sind rot unterstrichen.

Koloniale Expansion des Vereinigten Königreichs

Nebst den bereits unter britischem Einfluss stehenden Kolonien im Pazifik, weitete London im Verlauf des späten 19. Jahrhunderts insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent und in geringerem Ausmass in China aus. Zum Empire stiessen: 1882: Aegypten; 1884: Südöst-Neuguina, Somaliland; 1885: Betschuanaland, Nigeria; 1886: Oberburma, Kenia; 1889: Rhodesien; 1890: Sansibar; 1891: Zentralafrikanisches Protektorat; 1894: Uganda; 1898; Waihawei (China); 1899: Sudan.

Literatur: Benedikt Stuchtey: Geschichte des Britischen Empire. Verlag C.H. Beck, München 2021
The Silent Highwayman – Cartoon aus Punch zum Großen Gestank, 1858. Der stille Wegelagerer: Der Tod reiht sich in die Themse ein und fordert das Leben der Opfer, die nicht für die Reinigung des Flusses bezahlt haben, während des Großen Stinkens.

Die Expansionspolitik Grossbritanniens hatte – wie kann es ander sein – ihre Kehrseiten. In England kam es Mitte des 19. Jahrhunderts durch Einwanderung und eine hohe Geburtenrate zu einem explosionsartigen Bevölkerungswachstum. In London führte dieses zu Umweltproblemen, wie dem Großen Gestank im Jahre 1858. Während um 1850 viele Iren aufgrund der Großen Hungersnot in Irland nach England flüchteten, kamen ab 1882 große Mengen Zuwanderer aus Osteuropa und Russland, die sich aufgrund der in ihrer Heimat stattfindenden Judenpogrome in derselben Londoner Gegend ansiedelten, dem Londoner East End. Das Gebiet um den Hafen, vor allem das heutige London Borough of Tower Hamlets, war völlig überbevölkert. Arbeitsplätze und Wohnmöglichkeiten waren rar. Viele Frauen verdienten sich ihren Lebensunterhalt durch Gelegenheitsprostitution. Das Leben spielte sich auf der Straße, in Pubs und in Armenunterkünften ab. Armut, Alkohol und Diebstahl gehörten zum Alltag. Im Oktober 1888 vermutete der Metropolitan Police Service alleine in Whitechapel etwa 1.200 Prostituierte und 62 Bordelle. Eine Einladung für reale und literarische Figuren wie Jack the Ripper, Sherlock Holmes und Dr. Watson, hier ihren bleibenden Fingerabdruck zu hinterlassen. Umweltbelastungen und damit verbundene Epidemien wie der Ausbruch der Cholera waren die Folge einer rasanten Bevölkerungszunahme zu deren Bewirtschaftung auch das fortschrittliche, industrialisierte Königreich nicht ausreichend vorbereitet war. Sozialen Unruhen waren das Resultat und die Frauen begannen als sogenannte „Suffragetten“ (suffrage: engl./franz. Wahlrecht)  für ihre Rechte einzustehen und lauthals aufzubegehren.

Literatur zur Suffragettenbewegung:Antonia Meiners (Hrsg.): Die Suffragetten. Sie wollten wählen – und wurden ausgelacht, München, 2016.
Burische Frauen und Kinder in einem britischen Konzentrationslager während des Zweiten Burenkriegs.

In einer Reihe von Feldzügen, welche als Erster (1880/1881) und in ausgeprägterer Form (1899 -1902) als Zweiter Burenkrieg in die Geschichte einging, festigte das Vereinigte Königreich seinen Einfluss in Südafrika gegenüber den ursprünglich holländischen Kolonialisten. Wenn dieser Krieg strategisch auch keine bedeutende Auswirkung auf den imperialen Einfluss Grossbrittaniens hatte, so ist er doch aus militärhistorischer Sicht beachtenswert. Nach anfänglichen Erfolgen der Briten änderten die Buren deren Taktik und gingen zum Kleinkrieg in aufgelösten Lininen (später als Guerillakrieg bezeichnet) über und wandten ein Vorgehen an, welches später als „Taktik der verbrannten Erde“ in der Geschichte Aufnahme fanden. Als dritten, wenig rühmlichen Begriff etablierte sich dort der Begriff von Lagern von internierten Buren (Frauen und Kinder) durch die Briten, welche auch auf Grund der hohen Opferzahlen als erste Konzentrationslager (Abbildung eines „Boercamp“ oben) bezeichnet werden müssen.

Literatur: Martin Bossenbroek: Tod am Kap. Geschichte des Burenkriegs. C. H. Beck, München 2016
1801
Aus drei wird eins: England, Schottland und Irland schliessen zusammen.

Unter dem britischen König Georg III. tritt durch den Act of Union (dt. Vereinigungsgesetz) das Königreich Irland dem Britischen Königreich bei welches fortan als United Kingdom bezeichnet wurde. Irland sollte bis 1919 treu an der Seite Londons stehen, löste sich dann aber nach einem blutigen Bürgerkrieg kontinuierlich vom britischen Mutterhaus und wurden als Republik 1921 selbständig. Nordirland ist bis heute Teil Grossbritanniens.Der „Union Jack“ (Flagge des Vereinigten Königsreichs) wurde 1801 entsprechend ergänzt: Zum Georgskreuz (England, links) und Andreaskreuz (Schottland, mitte) kam das St. Patrickskreuz (Irland) hinzu.

Literatur: Alan J. Ward: The Irish Constitutional Tradition: Responsible Government and Modern Ireland 1782–1992. Irish Academic Press, 1994
1815
Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington, Gemälde von Sir Thomas Lawrence um 1815; Apsley House, London; Digital: Wikipedia

Unter Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington führt die für die Koalitionsparteien siegreiche Schlacht bei Waterloo zur endgültigen Niederschlagung Napoleons I. und zur massiven Machtreduktion Frankreichs für das kommende Jahrhundert. Das Vereinigte Königreich sollte dannach die absolute Seehoheit erreichen und profitierte auf Grund der nach dem Wiener Kongress wieder aufkeimenden Auseinandersetzungen auf dem europäischen Kontinent von einer grossen, wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeit in Übersee.

Biographie zu Wellington: John Keegan: Die Maske des Feldherrn. Quadriga, Berlin 2000
1819
Die Duchess of Kent mit ihrer Tochter Victoria, Gemälde von Henry Bone, 1824/25

In Kensigton Palace wird am 24. Mai Princess Alexandrina Victoria of Kent geboren. 1837 sollte sie den britischen Thron besteigen und als Queen Victoria die nächsten 64 Jahre die Regentschaft über das Impire innehaben. Ab 1878 trug sie zudem den Titel einer „Empress of India“ (Kaiserin von Indien). In dem nach ihr benannten Viktorianischen Zeitalter erlebte das britische Kolonialreich seinen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Höhepunkt. Ihre aussergewöhnlich lange Regierungszeit (die zweitlängste eines britischen Monarchen nach Elisabeth II.) war durch die Entwicklung Großbritanniens zu einer konstitutionellen Parteiendemokratie und den damit verbundenen Machtverlust der Monarchie geprägt. Die Revolution von 1848/49 überstand das Land weitgehend unbeschadet. Als Großmutter Europas bemühte sich Victoria um Frieden zwischen den Ländern, deren Herrscher alle mehr oder weniger von ihr abstammten. 1901 sollte ihr ältester Sohn Eduard VII. als erster Herrscher aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha (seit 1917 in Großbritannien Haus Windsor genannt) den britischen Thron besteigen.

Biographie: Julia Baird: Queen Victoria. Das kühne Leben einer außergewöhnlichen Frau. wbg Theiss, Darmstadt 2018
1865
George im Alter von fünf Jahren, Fotographie aus dem Jahr 1870, veröffentlicht 1911.

Im Juni wird Victorias ältester Enkel aus männlicher Line geboren. George V. sollte während der Weltkriegsjahre die Geschicke der Vereinigten Königreichs leiten, nachdem er den Thron 1910 als Nachfolger seines Vaters Eduard in Erbfolge übernahm. Zu seinen verwandten Monarchen in Berlin und St. Petersburg unterhielt er einen persönlich sehr nahen und freundlichen Kontakt, was aber einer friedlichen Lösung von machtpolitisch gesteuerten Herausforderungen nicht zu Gute kam.

Biographie: David Cannadine: George V – The unexpected King, London 2014, Penguin Random House UK
1882-1899
Gebiete, die zur einen oder anderen Zeit Teil des britischen Weltreiches waren. Das Vereinigte Königreich und die Britischen Überseegebiete sind rot unterstrichen.

Koloniale Expansion des Vereinigten Königreichs

Nebst den bereits unter britischem Einfluss stehenden Kolonien im Pazifik, weitete London im Verlauf des späten 19. Jahrhunderts insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent und in geringerem Ausmass in China aus. Zum Empire stiessen: 1882: Aegypten; 1884: Südöst-Neuguina, Somaliland; 1885: Betschuanaland, Nigeria; 1886: Oberburma, Kenia; 1889: Rhodesien; 1890: Sansibar; 1891: Zentralafrikanisches Protektorat; 1894: Uganda; 1898; Waihawei (China); 1899: Sudan.

Literatur: Benedikt Stuchtey: Geschichte des Britischen Empire. Verlag C.H. Beck, München 2021
1850-1900
The Silent Highwayman – Cartoon aus Punch zum Großen Gestank, 1858. Der stille Wegelagerer: Der Tod reiht sich in die Themse ein und fordert das Leben der Opfer, die nicht für die Reinigung des Flusses bezahlt haben, während des Großen Stinkens.

Die Expansionspolitik Grossbritanniens hatte – wie kann es ander sein – ihre Kehrseiten. In England kam es Mitte des 19. Jahrhunderts durch Einwanderung und eine hohe Geburtenrate zu einem explosionsartigen Bevölkerungswachstum. In London führte dieses zu Umweltproblemen, wie dem Großen Gestank im Jahre 1858. Während um 1850 viele Iren aufgrund der Großen Hungersnot in Irland nach England flüchteten, kamen ab 1882 große Mengen Zuwanderer aus Osteuropa und Russland, die sich aufgrund der in ihrer Heimat stattfindenden Judenpogrome in derselben Londoner Gegend ansiedelten, dem Londoner East End. Das Gebiet um den Hafen, vor allem das heutige London Borough of Tower Hamlets, war völlig überbevölkert. Arbeitsplätze und Wohnmöglichkeiten waren rar. Viele Frauen verdienten sich ihren Lebensunterhalt durch Gelegenheitsprostitution. Das Leben spielte sich auf der Straße, in Pubs und in Armenunterkünften ab. Armut, Alkohol und Diebstahl gehörten zum Alltag. Im Oktober 1888 vermutete der Metropolitan Police Service alleine in Whitechapel etwa 1.200 Prostituierte und 62 Bordelle. Eine Einladung für reale und literarische Figuren wie Jack the Ripper, Sherlock Holmes und Dr. Watson, hier ihren bleibenden Fingerabdruck zu hinterlassen. Umweltbelastungen und damit verbundene Epidemien wie der Ausbruch der Cholera waren die Folge einer rasanten Bevölkerungszunahme zu deren Bewirtschaftung auch das fortschrittliche, industrialisierte Königreich nicht ausreichend vorbereitet war. Sozialen Unruhen waren das Resultat und die Frauen begannen als sogenannte „Suffragetten“ (suffrage: engl./franz. Wahlrecht)  für ihre Rechte einzustehen und lauthals aufzubegehren.

Literatur zur Suffragettenbewegung:Antonia Meiners (Hrsg.): Die Suffragetten. Sie wollten wählen – und wurden ausgelacht, München, 2016.
1880 - 1910
Burische Frauen und Kinder in einem britischen Konzentrationslager während des Zweiten Burenkriegs.

In einer Reihe von Feldzügen, welche als Erster (1880/1881) und in ausgeprägterer Form (1899 -1902) als Zweiter Burenkrieg in die Geschichte einging, festigte das Vereinigte Königreich seinen Einfluss in Südafrika gegenüber den ursprünglich holländischen Kolonialisten. Wenn dieser Krieg strategisch auch keine bedeutende Auswirkung auf den imperialen Einfluss Grossbrittaniens hatte, so ist er doch aus militärhistorischer Sicht beachtenswert. Nach anfänglichen Erfolgen der Briten änderten die Buren deren Taktik und gingen zum Kleinkrieg in aufgelösten Lininen (später als Guerillakrieg bezeichnet) über und wandten ein Vorgehen an, welches später als „Taktik der verbrannten Erde“ in der Geschichte Aufnahme fanden. Als dritten, wenig rühmlichen Begriff etablierte sich dort der Begriff von Lagern von internierten Buren (Frauen und Kinder) durch die Briten, welche auch auf Grund der hohen Opferzahlen als erste Konzentrationslager (Abbildung eines „Boercamp“ oben) bezeichnet werden müssen.

Literatur: Martin Bossenbroek: Tod am Kap. Geschichte des Burenkriegs. C. H. Beck, München 2016

ZAR NIKOLAUS II. VON RUSSLAND

Web 711px Nicholas II By Boissonnas & Eggler C1909

Nikolaus II. (russisch Nikolaj II; geboren als Nikolaus Alexandrowitsch Romanow, * .1868 in Zarskoje Selo; † 17. Juli 1918 in Jekaterinburg) aus dem Herrschergeschlecht Romanow-Holstein-Gottorp war der letzte Kaiser des Russischen Reiches. Sein offizieller Titel lautete „Kaiser und Selbstherrscher von ganz Russland“.

Er regierte vom 1. November 1894 bis zu seinem Sturz am 18. März 1917 infolge der Februarrevolution. Durch sein Festhalten an der autokratischen Politik seiner Vorgänger und fehlender Bereitschaft zu demokratischen Reformen hatte Nikolaus maßgeblichen Anteil am Zusammenbruch der russischen Monarchie während des Ersten Weltkriegs.

Nach seiner Abdankung wurde er gemeinsam mit seiner Familie interniert und in der Nacht auf den 17. Juli 1918 von den Bolschewiki in Jekaterinburg ermordet. Am 20. August 2000 wurden Nikolaus und seine Familie aufgrund ihres Märtyrertodes von der Russisch-Orthodoxen Kirche heiliggesprochen.

Das russische Reich in seiner Ausdehnung um 1914,  Original: The Congress Library, Washington D.C, Digital: Wikipedia.

Timeline III: „DAS REICH DER ZAREN“

DAS RUSSISCHE KAISERREICH

Russlands Geschichte ist so umfassend, wie sich die Fläche der heutigen, russische Föderation geographisch auf einer Weltkarte darstellt. Im Kontext dieser Seiteninhalte mögen die Meilensteine der Entstehung des „Zarenreichs“ rund um die Familie der Romanow’s genügen. Das Bewusstsein der territoriale Entwicklung rund um den Aufstieg zur Blüte im Mittelalter (Kiewer Periode), die nachfolgende Herrschaft der Mongolen (bis Mitte des 16. Jahrhunderts) und der Aufstieg zur neuen, nordischen Grossmacht (frühes 18. Jahrhundert) sind im Hinterkopf abzuspeichern, um die internationale Grossmachtstellung des Russischen Kaiserreichs gebührend würdigen zu können.

Peter I., Ölgemälde von Jean-Marc Nattier, 1717, Eremitage, Sankt Petersburg.

Pjotr Alexejewitsch Romanow (1672-1725) besteigt als Peter I., der Grosse den kaiserlichen Thron und gilt bis heute als einer der bedeutensten Herrscher Russlands. Seine Bestrebungen, das russische Reich in eine wirtschaftlich vielversprechende Zukunft zu führen, öffnete Grenzen für westeuropäische Berater, beschränkte den Einfluss der orthodoxen Kirche und fokussierte auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Umsetzung einer Reform, die in Russlands konservativer Bevölkerung wenig Unterstützung fand. Seine anonymen West-Reisen, bspw. nach Amsterdam wo er sich von den führenden Handwerkern in den Bau von Schiffen unterweisen liess (Diplom als Segelmacher) oder aber nach London (Begegnung mit Oliver Newton) waren durchaus nachrichtendienstlichen Charakters. Sein Sohn Alexei Petrowitsch (1670-1718) vermochte der aufklärerischen Idee seines Vaters nicht zu folgen. Seine zweite Frau sollte als Katarina I. die Romanow-Line Peters an der Macht halten.

Literatur: Robert K. Massie: Peter der Große. Sein Leben und seine Zeit. Fischer, Frankfurt 1992. Empfehlenswerte Verfilmung: Peter der Grosse, vierteiliger Historienfilm mit Maximilian Schell in der Hauptrolle, USA, 1986.
Kaiserin Elisabeth I. von Russland, Gemälde von Charles André van Loo, 1760.

Jelisaweta Petrowna Romanowa (1709-1762), Tochter Peter des Grossen aus zweiter Ehe, regiert das russische Reich als Kaiserin Elisabeth I. bis zu ihrem Tod. In diese Zeit fällt auch die Phase des Siebenjährigen Krieges gegen Preussen, aus welchem sie als erfolgreiche Herrscherin hervorgeht. Sie verstirbt ohne Erbfolger, womit die ursprüngliche Linie der Romanows beendet wird. Die Tochter ihrer Schwester Anna (1708-1728) soll das Haus Romanow aber an der Macht halten und als

Literatur: Jewgenij Anissimow: Zarinnen–Frauen auf dem russischen Thron, Pereprawa Verlag, Wien 2008
Tamara Talbot Rice: Elisabeth von Russland. Die letzte Romanow auf dem Zarenthron. München 1970
Daria Olivier: Elisabeth von Russland. Die Tochter Peter des Großen. Wien 1963.
Katharina II. von Russland (1780er-Jahre), Gemälde von Johann Baptist von Lampi, Kunsthistorisches Museum Wien, Digital: Wikipedia.

Katharina II. war die Gattin von Kaiser Peter III, der als Sohn Elisabeths I. nach deren Tod den Kaiserthron bestieg. Durch einen gewagten Staatsstreich stürzte Katharina ihren Ehemann von diesem und sollte während 34 Jahren die Geschicke des Kaiserreichs lenken.

Sie ist die einzige Herrscherin, der in der Geschichtsschreibung der Beiname die Große verliehen wurde. Katharina II. war eine Repräsentantin des aufgeklärten Absolutismus.

Literatur: Jan Kusber: Katharina die Große – Legitimation durch Reform und Expansion., Stuttgart 2022
Kaiser Paul, Ölgemälde des russischen Malers Stepan Schtschukin.

Am Todestag Katharinas der Großen, dem 17. November 1796, erklärte sich der 42-jährige Paul zum Kaiser. Am 5. April 1797 erließ er, wohl aus Hass auf seine Mutter, die ihn zeitlebens gedemütigt hatte, ein Dekret, das nur noch männliche Nachkommen zur Thronfolge zuließ.

Literatur: Valentin Zubov: Zar Paul I. Mensch und Schicksal. K. F. Koehler, Stuttgart 1963
Kaiser Nikolaus I. Pawlowitsch, Franz Krüger, Öl auf Leinwand, 1852, Eremitage Sankt Petersburg; Digital: Wikipedia.

Als Alexander I. am 1. Dezember 1825 starb, hinterließ er keine Söhne, so dass sich sein Bruder Nikolaus völlig unerwartet selbst mit der Regierungsübernahme konfrontiert sah. Der zweitälteste Bruder Konstantin, der im Ausland weilte, wurde zwar als designierter Thronfolger am 9. Dezember 1825 in Petersburg offiziell zum Kaiser ausgerufen, hatte aber bereits 1822/23 auf die Thronfolge verzichtet, was nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt war. Am 24. Dezember 1825 übernahm Nikolaus I. formell die Regierung und wurde am 3. September 1826 in Moskau zum Kaiser gekrönt.

Literatur: Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die russischen Zaren 1547–1917. C. H. Beck, München 1999
Der Schauplatz des Krimkriegs am Schwarzen Meer

Der Krimkrieg (auch Orientkrieg oder 9. Türkisch-Russischer Krieg) war ein von 1853 bis 1856 dauernder militärischer Konflikt zwischen Russland einerseits und dem Osmanischen Reich sowie dessen Verbündeten Frankreich, Großbritannien und seit 1855 auch Sardinien-Piemont andererseits. Er begann als neunter Russisch-Türkischer Krieg, in den die westeuropäischen Mächte eingriffen, um eine Gebietserweiterung Russlands auf Kosten des geschwächten Osmanischen Reichs zu verhindern. Russland unterlag den Alliierten, worauf im Dritten Pariser Frieden unter anderem festgehalten wurde, dass in der Region des Schwarzen Meeres eine militärisch neutralen Zone errichtet werden solle. Russland durfte dort fortan keine Kriegsflotte und keine Festungen mehr unterhalten.

In den beiden Kriegen nur zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, 1828–1829 und 1877–1878, eroberten die Russen Edirne und marschierten direkt bis kurz vor Konstantinopel. Erneut bestand 1878 die Perspektive einer russischen Eroberung der Meerengen, Russland hatte bereits praktisch den gesamten europäischen Teil des Osmanischen Reiches erobert. Die Briten entsandten ihre Flotte an den Bosporus und drohten Russland mit einem weiteren Krieg mit ihnen. Geschwächt durch den Kriegsverlauf konnte sich Russland keinen Fortsetzungskrieg gegen Großbritannien erlauben und stoppte seine Offensive in San Stefano (heute Yeşilköy, einem westlichen Vorort Istanbuls am Marmarameer). Der Frieden von San Stefano beendete den zehnten und letzten der Russisch-Türkischen Kriege.

Orlando Figes: The Crimean War. A History. New York 2011,deutsche Übersetzung: Krimkrieg. Der letzte Kreuzzug. Berlin-Verlag, Berlin 2011
Alexander II. von Russland, Aufnahme von 1878 oder 1881.

Als Alexander II. nach dem Tod seines Vaters am 18. Februar die Regierungsgeschäfte übernahm, war er zwar mit knapp 37 Jahren ein gereifter, gut ausgebildeter und auch politisch versierter Mann. Allerdings musste er das Reich in einer schweren Krise übernehmen: Im Krimkrieg, den Alexander zunächst fortsetzte, zeichnete sich die Niederlage Russlands schon im Frühjahr 1855 deutlich ab und wurde mit dem Fall Sewastopols unabwendbar. Der Kaiser besuchte im November selbst Odessa und die Krim und gelangte dabei endgültig zu der Erkenntnis, dass der Krieg verloren sei.

Wegen der so genannten „Großen Reformen“, vor allem wegen der Abschaffung der Leibeigenschaft während seiner Regierungszeit verliehen schon die Zeitgenossen Alexander II. den Beinamen „Zar-Befreier“ (russisch Oswoboditel).

Im März 1888 wurde er anlässlich eines Attentats tödlich verletzt.

Literatur: Heinz-Dietrich Löwe: Alexander II. 1815–1881. In: Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die Russischen Zaren 1547–1917. C.H. Beck, München 1995
Alexander III., um 1880

Alexander III. folgte seinem Vater auf den Thron, nachdem sein älterer Bruder, der Zarewitsch Nikolai 1865 überraschend verstorben war, am 13. März 1881.

Die wohl größte Leistung von Alexander III. in seiner 13-jährigen Herrschaft war die Grundsteinlegung für die Transsibirische Eisenbahn, die längste Eisenbahnstrecke der Welt. Damit wurde der europäische Teil Russlands mit den sibirischen Ostgebieten verbunden und war das zentrale Herrschaftsinstrument des Kaisers in diesen entlegenen Gebieten.

Alexander III. erhielt noch zu Lebzeiten den Titel „Friedensstifter“ (russisch: mirotworez), weil in seine Amtszeit kein größerer Krieg mit den Großmächten fiel.

Sein Sohn Nikolaus II. sollte den Thron 1894 besteigen, bevor er und seine Familie Opfer der revolutionären Bewegung 1917 werden sollten.

Literatur: Edith M. Almedingen: Die Romanows. Die Geschichte einer Dynastie. Russland 1613–1917., Frankfurt am Main 1995
1682
Peter I., Ölgemälde von Jean-Marc Nattier, 1717, Eremitage, Sankt Petersburg.

Pjotr Alexejewitsch Romanow (1672-1725) besteigt als Peter I., der Grosse den kaiserlichen Thron und gilt bis heute als einer der bedeutensten Herrscher Russlands. Seine Bestrebungen, das russische Reich in eine wirtschaftlich vielversprechende Zukunft zu führen, öffnete Grenzen für westeuropäische Berater, beschränkte den Einfluss der orthodoxen Kirche und fokussierte auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Umsetzung einer Reform, die in Russlands konservativer Bevölkerung wenig Unterstützung fand. Seine anonymen West-Reisen, bspw. nach Amsterdam wo er sich von den führenden Handwerkern in den Bau von Schiffen unterweisen liess (Diplom als Segelmacher) oder aber nach London (Begegnung mit Oliver Newton) waren durchaus nachrichtendienstlichen Charakters. Sein Sohn Alexei Petrowitsch (1670-1718) vermochte der aufklärerischen Idee seines Vaters nicht zu folgen. Seine zweite Frau sollte als Katarina I. die Romanow-Line Peters an der Macht halten.

Literatur: Robert K. Massie: Peter der Große. Sein Leben und seine Zeit. Fischer, Frankfurt 1992. Empfehlenswerte Verfilmung: Peter der Grosse, vierteiliger Historienfilm mit Maximilian Schell in der Hauptrolle, USA, 1986.
1741
Kaiserin Elisabeth I. von Russland, Gemälde von Charles André van Loo, 1760.

Jelisaweta Petrowna Romanowa (1709-1762), Tochter Peter des Grossen aus zweiter Ehe, regiert das russische Reich als Kaiserin Elisabeth I. bis zu ihrem Tod. In diese Zeit fällt auch die Phase des Siebenjährigen Krieges gegen Preussen, aus welchem sie als erfolgreiche Herrscherin hervorgeht. Sie verstirbt ohne Erbfolger, womit die ursprüngliche Linie der Romanows beendet wird. Die Tochter ihrer Schwester Anna (1708-1728) soll das Haus Romanow aber an der Macht halten und als

Literatur: Jewgenij Anissimow: Zarinnen–Frauen auf dem russischen Thron, Pereprawa Verlag, Wien 2008
Tamara Talbot Rice: Elisabeth von Russland. Die letzte Romanow auf dem Zarenthron. München 1970
Daria Olivier: Elisabeth von Russland. Die Tochter Peter des Großen. Wien 1963.
1762
Katharina II. von Russland (1780er-Jahre), Gemälde von Johann Baptist von Lampi, Kunsthistorisches Museum Wien, Digital: Wikipedia.

Katharina II. war die Gattin von Kaiser Peter III, der als Sohn Elisabeths I. nach deren Tod den Kaiserthron bestieg. Durch einen gewagten Staatsstreich stürzte Katharina ihren Ehemann von diesem und sollte während 34 Jahren die Geschicke des Kaiserreichs lenken.

Sie ist die einzige Herrscherin, der in der Geschichtsschreibung der Beiname die Große verliehen wurde. Katharina II. war eine Repräsentantin des aufgeklärten Absolutismus.

Literatur: Jan Kusber: Katharina die Große – Legitimation durch Reform und Expansion., Stuttgart 2022
1796
Kaiser Paul, Ölgemälde des russischen Malers Stepan Schtschukin.

Am Todestag Katharinas der Großen, dem 17. November 1796, erklärte sich der 42-jährige Paul zum Kaiser. Am 5. April 1797 erließ er, wohl aus Hass auf seine Mutter, die ihn zeitlebens gedemütigt hatte, ein Dekret, das nur noch männliche Nachkommen zur Thronfolge zuließ.

Literatur: Valentin Zubov: Zar Paul I. Mensch und Schicksal. K. F. Koehler, Stuttgart 1963
1825
Kaiser Nikolaus I. Pawlowitsch, Franz Krüger, Öl auf Leinwand, 1852, Eremitage Sankt Petersburg; Digital: Wikipedia.

Als Alexander I. am 1. Dezember 1825 starb, hinterließ er keine Söhne, so dass sich sein Bruder Nikolaus völlig unerwartet selbst mit der Regierungsübernahme konfrontiert sah. Der zweitälteste Bruder Konstantin, der im Ausland weilte, wurde zwar als designierter Thronfolger am 9. Dezember 1825 in Petersburg offiziell zum Kaiser ausgerufen, hatte aber bereits 1822/23 auf die Thronfolge verzichtet, was nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt war. Am 24. Dezember 1825 übernahm Nikolaus I. formell die Regierung und wurde am 3. September 1826 in Moskau zum Kaiser gekrönt.

Literatur: Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die russischen Zaren 1547–1917. C. H. Beck, München 1999
1853–1856
Der Schauplatz des Krimkriegs am Schwarzen Meer

Der Krimkrieg (auch Orientkrieg oder 9. Türkisch-Russischer Krieg) war ein von 1853 bis 1856 dauernder militärischer Konflikt zwischen Russland einerseits und dem Osmanischen Reich sowie dessen Verbündeten Frankreich, Großbritannien und seit 1855 auch Sardinien-Piemont andererseits. Er begann als neunter Russisch-Türkischer Krieg, in den die westeuropäischen Mächte eingriffen, um eine Gebietserweiterung Russlands auf Kosten des geschwächten Osmanischen Reichs zu verhindern. Russland unterlag den Alliierten, worauf im Dritten Pariser Frieden unter anderem festgehalten wurde, dass in der Region des Schwarzen Meeres eine militärisch neutralen Zone errichtet werden solle. Russland durfte dort fortan keine Kriegsflotte und keine Festungen mehr unterhalten.

In den beiden Kriegen nur zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, 1828–1829 und 1877–1878, eroberten die Russen Edirne und marschierten direkt bis kurz vor Konstantinopel. Erneut bestand 1878 die Perspektive einer russischen Eroberung der Meerengen, Russland hatte bereits praktisch den gesamten europäischen Teil des Osmanischen Reiches erobert. Die Briten entsandten ihre Flotte an den Bosporus und drohten Russland mit einem weiteren Krieg mit ihnen. Geschwächt durch den Kriegsverlauf konnte sich Russland keinen Fortsetzungskrieg gegen Großbritannien erlauben und stoppte seine Offensive in San Stefano (heute Yeşilköy, einem westlichen Vorort Istanbuls am Marmarameer). Der Frieden von San Stefano beendete den zehnten und letzten der Russisch-Türkischen Kriege.

Orlando Figes: The Crimean War. A History. New York 2011,deutsche Übersetzung: Krimkrieg. Der letzte Kreuzzug. Berlin-Verlag, Berlin 2011
1855
Alexander II. von Russland, Aufnahme von 1878 oder 1881.

Als Alexander II. nach dem Tod seines Vaters am 18. Februar die Regierungsgeschäfte übernahm, war er zwar mit knapp 37 Jahren ein gereifter, gut ausgebildeter und auch politisch versierter Mann. Allerdings musste er das Reich in einer schweren Krise übernehmen: Im Krimkrieg, den Alexander zunächst fortsetzte, zeichnete sich die Niederlage Russlands schon im Frühjahr 1855 deutlich ab und wurde mit dem Fall Sewastopols unabwendbar. Der Kaiser besuchte im November selbst Odessa und die Krim und gelangte dabei endgültig zu der Erkenntnis, dass der Krieg verloren sei.

Wegen der so genannten „Großen Reformen“, vor allem wegen der Abschaffung der Leibeigenschaft während seiner Regierungszeit verliehen schon die Zeitgenossen Alexander II. den Beinamen „Zar-Befreier“ (russisch Oswoboditel).

Im März 1888 wurde er anlässlich eines Attentats tödlich verletzt.

Literatur: Heinz-Dietrich Löwe: Alexander II. 1815–1881. In: Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die Russischen Zaren 1547–1917. C.H. Beck, München 1995
1881
Alexander III., um 1880

Alexander III. folgte seinem Vater auf den Thron, nachdem sein älterer Bruder, der Zarewitsch Nikolai 1865 überraschend verstorben war, am 13. März 1881.

Die wohl größte Leistung von Alexander III. in seiner 13-jährigen Herrschaft war die Grundsteinlegung für die Transsibirische Eisenbahn, die längste Eisenbahnstrecke der Welt. Damit wurde der europäische Teil Russlands mit den sibirischen Ostgebieten verbunden und war das zentrale Herrschaftsinstrument des Kaisers in diesen entlegenen Gebieten.

Alexander III. erhielt noch zu Lebzeiten den Titel „Friedensstifter“ (russisch: mirotworez), weil in seine Amtszeit kein größerer Krieg mit den Großmächten fiel.

Sein Sohn Nikolaus II. sollte den Thron 1894 besteigen, bevor er und seine Familie Opfer der revolutionären Bewegung 1917 werden sollten.

Literatur: Edith M. Almedingen: Die Romanows. Die Geschichte einer Dynastie. Russland 1613–1917., Frankfurt am Main 1995

Raymond Poincaré und die III. französische republik

Web Raymond Poincare Officiel

Raymond Poincaré (* 20. August 1860 in Bar-le-Duc, Département Meuse; † 15. Oktober 1934 in Paris) war war mehrmals Ministerpräsident der Dritten Republik und vom 18. Februar 1913 bis 17. Februar 1920 Frankreichs Staatspräsident.

Im Jahr 1870, als Poincaré zehn Jahre alt war, wurde seine Heimatstadt Bar-le-Duc während des Deutsch-Französischen Krieges von deutschen Truppen überrollt, was seine spätere negative Einstellung zum Deutschen Reich beeinflusst haben kann.

WEITERLESEN

Raymond Poincaré war in folgenden Zeitperioden Ministerpräsident des Landes:

  • 14. Januar 1912 bis 21. Januar 1913 (gleichzeitig war er Außenminister)
  • 15. Januar 1922 bis 9. Juni 1924 (gleichzeitig war er Außenminister)
  • 23. Juli 1926 bis 11. November 1928 (gleichzeitig war er Finanzminister)
  • 11. November 1928 bis 29. Juli 1929 (ohne zusätzliche Aufgaben)

Während der Julikrise 1914 waren Staatspräsident Poincaré und Ministerpräsident René Viviani vom 13. bis zum 23. Juli zu einem offiziellen Staatsbesuch in Sankt Petersburg. Poincaré gab seinen russischen Gastgebern eine „feierliche Bestätigung der Verpflichtungen, die aus dem Bündnis (Zweibund) für beide Länder hervorgingen“. Dies stärkte Russland den Rücken, das seitdem keinen Grund mehr sah, von seiner Unterstützung für das von Österreich-Ungarn bedrohte Serbien abzurücken. Eine Woche nach Poincarés Abreise erklärte Zar Nikolaus II. die russische Generalmobilmachung, die die Kriegserklärung Deutschlands nach sich zog.

Nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges sprach er sich entschieden für eine Fortsetzung des Krieges bis zum Sieg aus und forderte die Union sacrée, das Gegenstück zum deutschen Burgfrieden. Sein schärfster politischer Gegner war Georges Clemenceau, den Poincaré dennoch 1917 zum Ministerpräsidenten berief, um die politische Einheit und damit die Kriegsfähigkeit Frankreichs zu sichern. Bis zum Kriegsende hatte Clemenceau Poincaré als wichtigsten Entscheidungsträger der französischen Politik verdrängt.

Nouvelle carte complète illustrée, administrative, historique et routière de la France et des colonies, 1885 (1:1 753 000).  Digital: Wikipedia.

Timeline IV: „VON DER RESTAURATION ZUR DRITTEN REPUBLIK“

NAPOLEON III. UND DIE SCHMACH VON SEDAN

Joseph Beaume: Einweihung eines Denkmals zur Erinnerung an Ludwig XVI. durch Karl X. auf der Place de la Concorde am 3. Mai 1826 (Ölgemälde, 1827, Schloss Versailles)

In der Geschichte Frankreichs bezeichnet Restauration die Epoche der Wiederherstellung der Bourbonenmonarchie zwischen dem Ende des Ersten Französischen Kaiserreichs und der Julirevolution von 1830.

Unterbrochen wurde die Restaurationsepoche durch die Rückkehr Napoleon Bonapartes aus der Verbannung und die folgende Episode der Hundert Tage. Deshalb spricht man auch von der „Ersten Restauration“ (frz. Première Restauration) von April 1814 bis März 1815 und der „Zweiten Restauration“ (frz. Seconde Restauration) von der endgültigen Abdankung Napoleons im Juni 1815 bis zum Ausbruch der Revolution im Juli 1830.

Literatur: Emmanuel de Waresquiel und Benoît Yvert: Histoire de la Restauration, 1814–1830: naissance de la France moderne, Paris 1996, (das französische Standardwerk zur Geschichte der Restauration in Frankreich; Neuauflage aus dem Jahr 2002.
Joseph Beaume: Napoleon verlässt Elba, Gemälde 1836, Chateau Versailles; Digital: Wikipedia.

Als Herrschaft der Hundert Tage (französisch Cent-Jours) bezeichnet man den Zeitraum von der erneuten Machtübernahme in Frankreich durch Napoleon Bonaparte nach dessen Rückkehr von seiner Verbannungsinsel Elba am 1. März bis zum endgültigen Verlust seiner Macht in Folge der Schlacht bei Waterloo am 22. Juni 1815. Die Bezeichnung Hundert Tage hat sich eingebürgert, obgleich der Zeitraum tatsächlich etwas länger war (110 Tage lagen zwischen der Evakuierung Ludwigs XVIII. bis zu seiner Wiedereinsetzung)

Literatur: Günter Müchler: Napoleons Hundert Tage. Eine Geschichte von Versuchung und Verrat. Theiss, Darmstadt 2014
Eugène Delacroix: Die Freiheit führt das Volk (1830). Reproduktion eines Gemäldes im Stil der Romantik; Dargestellt ist ein Kriegsschauplatz während der französischen Julirevolution (am 28. Juli 1830), im Zentrum die Göttin der Freiheit mit der französischen Tricolore in der erhobenen rechten Hand, welche das Bürgertum (Volk) durch die Schlacht führt.

Die Julirevolution von 1830, Les Trois Glorieuses („Drei Glorreiche [Tage]“), hatte den endgültigen Sturz der Bourbonen in Frankreich und die erneute Machtergreifung des Bürgertums in einem liberalen Königreich zur Folge. Ursache der Revolution war die reaktionäre Politik König Karls X. Er beabsichtigte, die Vorherrschaft des Adels wiederherzustellen (siehe Restauration). Als der König versuchte, das Parlament aufzulösen, erhoben sich im Juli 1830 in Paris Handwerker, Arbeiter und Studenten und zwangen ihn zur Abdankung und Flucht nach England. Da sich die Revolution an den drei Tagen vom 27. bis 29. Juli 1830 abspielte, werden diese im französischen Sprachraum auch als „Die Drei Glorreichen“ (Les Trois Glorieuses) bezeichnet.

Diese Revolution wirkte sich auch auf den Rest Europas aus. Nicht nur, dass die liberale Bewegung überall Auftrieb erhielt, es gab auch in mehreren Staaten Unruhen und neue Verfassungen.

In der Schweiz kam es unter dem Eindruck der Julirevolution zu einer als Regeneration bezeichneten Erneuerung der liberalen Bewegung. In elf Kantonen wurden unter Druck des Bürgertums liberale Verfassungen eingeführt. Zu Gewalt kam es nur vereinzelt, vor allem in den Kantonen Neuenburg und Basel. Eine liberale Revision des Bundesvertrages scheiterte jedoch 1833 am Widerstand der konservativen Mehrheit der Kantone. Durch die Asylpolitik der liberalen Kantone wurde die Schweiz zum Zufluchtsort von politisch Verfolgten aus ganz Europa, so beispielsweise von Charles Louis Napoléon (Napoleon III.) und Giuseppe Mazzini. Die 1830 entstandenen Spannungen zwischen liberalen und konservativen Kantonen führten zum Sonderbundskrieg von 1847. Die liberalen Erfolge und Experimente in einigen Kantonen machten die Schweiz und besonders Zürich nach 1830 zu einem wichtigen Vorbild für die liberale Bewegung in ganz Europa.

Literatur: Kurt Holzapfel: Julirevolution 1830 in Frankreich: französische Klassenkämpfe und die Krise der Heiligen Allianz (1830–1832). Dietz, Berlin 1990
Alphonse de Lamartine (Bildmitte, mit erhobenem Arm) verwehrt am 25. Februar 1848 Sozialrevolutionären mit der roten Fahne das Eindringen ins Hôtel de Ville in Paris (Ölgemälde von Henri Felix Emmanuel Philippoteaux)

Die bürgerlich-demokratische Februarrevolution von 1848 in Frankreich beendete am 24. Februar 1848 die Herrschaft des ursprünglich eher liberalen „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe von Orléans und führte zur Ausrufung der Zweiten Französischen Republik. An deren Spitze wurde im weiteren Verlauf der Revolution, nach dem niedergeschlagenen sozialrevolutionären Juniaufstand, der Neffe des ehemaligen Kaisers Napoleon Bonaparte, Louis Napoléon Bonaparte, am 10. Dezember 1848 zum Staatspräsidenten gewählt.

Literatur: Heinz Rieder: Die Völker läuten Sturm. Die europäische Revolution 1848/49. Verlag Katz, Gernsbach 1997
Napoleon III., Gemälde von Alexandre Cabanel, um 1865. Es war das Lieblingsporträt Kaiserin Eugénies, weil es seine Person am getreusten darstellte.

Napoleon III. (* 20. April 1808 in Paris; † 9. Januar 1873 in Chislehurst bei London) war unter seinem Geburtsnamen Charles-Louis-Napoléon Bonaparte während der Zweiten Republik von 1848 bis 1852 französischer Staatspräsident und von 1852 bis 1870 als Napoleon III. Kaiser der Franzosen. Mit dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 hatte der aus einer Volkswahl hervorgegangene Präsident eine Diktatur errichtet. Ein Jahr darauf (1852) proklamierte er sich zum Kaiser und sein Land zum Zweiten Kaiserreich. Das Parlament wurde weitgehend entmachtet und erhielt erst ganz am Ende seiner Herrschaft wieder etwas mehr Kompetenzen.

Bedingt durch den plebiszitären Charakter seiner Herrschaft war der Kaiser praktisch gezwungen, immer neue Erfolge vorzuweisen, um sich die Gunst der Massen zu erhalten. Dies führte zu einer relativ expansiven Außenpolitik, die auch das Ziel der territorialen Vergrößerung Frankreichs auf Kosten seiner Nachbarstaaten verfolgte.

Literatur: Johannes Willms: Napoleon III. Frankreichs letzter Kaiser. C.H. Beck, München 2008
Franz Herre: Napoleon III. Glanz und Elend des zweiten Kaiserreiches. Bertelsmann, München 1990
Kämpfe am 18. August 1870 auf dem Dorffriedhof von Saint-Privat bei Gravelotte nahe Metz. Gemälde von Alphonse de Neuville.
Der Friedhof von Saint-Privat, 1881, Öl auf Leinwand, Musée d´Orsay, Paris; Der in der Nähe von Metz wurde zum blutigen Schlachtfeld, auf dem 42000 Soldaten starben. Am 18. August 1870 kämpften dort die französischen Truppen, erkennbar an ihren roten Hosen, in den letzten Zügen gegen die preußische Armee.  Mit dem Bild verteidigt der Maler den republikanischen Patriotismus und stärkt das französische Revanchestreben. Das Gemälde, das 1881 im Pariser Salon erstmals ausgestellt wurde, brachte dem Künstler den Offizierstitel der Ehrenlegion ein.

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 bis 1871 war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens. Auslöser des Krieges war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die spanische Thronkandidatur. Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Entgegen der Erwartung des französischen Kaisers traten auch die vier süddeutschen Staaten in den Krieg ein. Währenddessen blieben die übrigen europäischen Mächte neutral.

Innerhalb weniger Wochen im Spätsommer 1870 besiegten die deutschen Verbündeten große Teile der französischen Armeen. Nach der Schlacht von Sedan in Nordfrankreich ging Kaiser Napoléon III. am 2. September 1870 in Gefangenschaft. Daraufhin bildete sich in Paris eine provisorische nationale Regierung, welche die Dritte Französische Republik ausrief, den Krieg fortführte und neue Armeen aufstellte. Aber auch die neue Regierung vermochte es nicht, das Blatt zu wenden. Nach dem Fall von Paris fand sich die französische Regierung im Februar 1871 zum Vorfrieden von Versailles bereit. Offiziell endete der Krieg am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt.

Literatur: Michael Epkenhans: Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871 (= Kriege der Moderne). Reclam Philipp Jun., Stuttgart 2020
Jochen Oppermann: Der Deutsch-Französische Krieg. 1870/71. marixverlag, Wiesbaden 2020
Wilhelm Camphausen: Napoleon III. und Bismarck nach der Schlacht bei Sedan (1878)

Die Schlacht von Sedan fand am 1. und 2. September 1870 im Deutsch-Französischen Krieg in Sedan, einer Stadt im Département Ardennes statt. Die Stadt liegt in der Nähe der belgischen Grenze am Ufer der Maas. Der deutsche Sieg war vorentscheidend für den Ausgang des Krieges. Auf französischer Seite hatte die Kapitulation der französischen Truppen und die Gefangennahme des Kaisers Napoléon III. die Ausrufung der Dritten Republik zur Folge.

Literatur: Gerd Fesser: Sedan 1870. Ein unheilvoller Sieg. Paderborn 2019
Dennis E. Showalter: Das Gesicht des modernen Krieges. Sedan, 1. und 2. September 1870. In: Stig Förster, Dierk Walter, Markus Pöhlmann (Hrsg.): Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai. 2. Auflage. München 2004
Adolphe Thiers in den 1870er Jahren.

Als Dritte Französische Republik (französisch Troisième République française) bezeichnet man den französischen Staat zwischen 1870 und 1940. Der offizielle Staatsname war République française.

Die Verfassung schuf eine Legislative mit Zwei-Kammer-Parlament (Abgeordnetenkammer und Senat), das gemeinsam als Nationalversammlung einen Präsidenten mit starker Stellung gegenüber der Regierung auf sieben Jahre wählte. Die Stellung des Präsidenten war nicht ganz so stark wie später in der gaullistischen Konzeption für die Fünfte Republik. Der Ministerpräsident war abhängig von der Mehrheit in der Abgeordnetenkammer; die Kabinette wechselten recht häufig. Erster Präsident der Troisième République française sollte der Historiker Adolphe Louis Thiers (Bild) werden. Bis zur Amtsübernahme durch Raymond Pointcaré (1913) sollten Thiers noch weitere sieben Staatspräsidenten folgen.

Literatur: Jens Ivo Engels: Kleine Geschichte der Dritten französischen Republik (1870–1940). Böhlau, Köln 2007
1814
Joseph Beaume: Einweihung eines Denkmals zur Erinnerung an Ludwig XVI. durch Karl X. auf der Place de la Concorde am 3. Mai 1826 (Ölgemälde, 1827, Schloss Versailles)

In der Geschichte Frankreichs bezeichnet Restauration die Epoche der Wiederherstellung der Bourbonenmonarchie zwischen dem Ende des Ersten Französischen Kaiserreichs und der Julirevolution von 1830.

Unterbrochen wurde die Restaurationsepoche durch die Rückkehr Napoleon Bonapartes aus der Verbannung und die folgende Episode der Hundert Tage. Deshalb spricht man auch von der „Ersten Restauration“ (frz. Première Restauration) von April 1814 bis März 1815 und der „Zweiten Restauration“ (frz. Seconde Restauration) von der endgültigen Abdankung Napoleons im Juni 1815 bis zum Ausbruch der Revolution im Juli 1830.

Literatur: Emmanuel de Waresquiel und Benoît Yvert: Histoire de la Restauration, 1814–1830: naissance de la France moderne, Paris 1996, (das französische Standardwerk zur Geschichte der Restauration in Frankreich; Neuauflage aus dem Jahr 2002.
1815
Joseph Beaume: Napoleon verlässt Elba, Gemälde 1836, Chateau Versailles; Digital: Wikipedia.

Als Herrschaft der Hundert Tage (französisch Cent-Jours) bezeichnet man den Zeitraum von der erneuten Machtübernahme in Frankreich durch Napoleon Bonaparte nach dessen Rückkehr von seiner Verbannungsinsel Elba am 1. März bis zum endgültigen Verlust seiner Macht in Folge der Schlacht bei Waterloo am 22. Juni 1815. Die Bezeichnung Hundert Tage hat sich eingebürgert, obgleich der Zeitraum tatsächlich etwas länger war (110 Tage lagen zwischen der Evakuierung Ludwigs XVIII. bis zu seiner Wiedereinsetzung)

Literatur: Günter Müchler: Napoleons Hundert Tage. Eine Geschichte von Versuchung und Verrat. Theiss, Darmstadt 2014
1830
Eugène Delacroix: Die Freiheit führt das Volk (1830). Reproduktion eines Gemäldes im Stil der Romantik; Dargestellt ist ein Kriegsschauplatz während der französischen Julirevolution (am 28. Juli 1830), im Zentrum die Göttin der Freiheit mit der französischen Tricolore in der erhobenen rechten Hand, welche das Bürgertum (Volk) durch die Schlacht führt.

Die Julirevolution von 1830, Les Trois Glorieuses („Drei Glorreiche [Tage]“), hatte den endgültigen Sturz der Bourbonen in Frankreich und die erneute Machtergreifung des Bürgertums in einem liberalen Königreich zur Folge. Ursache der Revolution war die reaktionäre Politik König Karls X. Er beabsichtigte, die Vorherrschaft des Adels wiederherzustellen (siehe Restauration). Als der König versuchte, das Parlament aufzulösen, erhoben sich im Juli 1830 in Paris Handwerker, Arbeiter und Studenten und zwangen ihn zur Abdankung und Flucht nach England. Da sich die Revolution an den drei Tagen vom 27. bis 29. Juli 1830 abspielte, werden diese im französischen Sprachraum auch als „Die Drei Glorreichen“ (Les Trois Glorieuses) bezeichnet.

Diese Revolution wirkte sich auch auf den Rest Europas aus. Nicht nur, dass die liberale Bewegung überall Auftrieb erhielt, es gab auch in mehreren Staaten Unruhen und neue Verfassungen.

In der Schweiz kam es unter dem Eindruck der Julirevolution zu einer als Regeneration bezeichneten Erneuerung der liberalen Bewegung. In elf Kantonen wurden unter Druck des Bürgertums liberale Verfassungen eingeführt. Zu Gewalt kam es nur vereinzelt, vor allem in den Kantonen Neuenburg und Basel. Eine liberale Revision des Bundesvertrages scheiterte jedoch 1833 am Widerstand der konservativen Mehrheit der Kantone. Durch die Asylpolitik der liberalen Kantone wurde die Schweiz zum Zufluchtsort von politisch Verfolgten aus ganz Europa, so beispielsweise von Charles Louis Napoléon (Napoleon III.) und Giuseppe Mazzini. Die 1830 entstandenen Spannungen zwischen liberalen und konservativen Kantonen führten zum Sonderbundskrieg von 1847. Die liberalen Erfolge und Experimente in einigen Kantonen machten die Schweiz und besonders Zürich nach 1830 zu einem wichtigen Vorbild für die liberale Bewegung in ganz Europa.

Literatur: Kurt Holzapfel: Julirevolution 1830 in Frankreich: französische Klassenkämpfe und die Krise der Heiligen Allianz (1830–1832). Dietz, Berlin 1990
1848
Alphonse de Lamartine (Bildmitte, mit erhobenem Arm) verwehrt am 25. Februar 1848 Sozialrevolutionären mit der roten Fahne das Eindringen ins Hôtel de Ville in Paris (Ölgemälde von Henri Felix Emmanuel Philippoteaux)

Die bürgerlich-demokratische Februarrevolution von 1848 in Frankreich beendete am 24. Februar 1848 die Herrschaft des ursprünglich eher liberalen „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe von Orléans und führte zur Ausrufung der Zweiten Französischen Republik. An deren Spitze wurde im weiteren Verlauf der Revolution, nach dem niedergeschlagenen sozialrevolutionären Juniaufstand, der Neffe des ehemaligen Kaisers Napoleon Bonaparte, Louis Napoléon Bonaparte, am 10. Dezember 1848 zum Staatspräsidenten gewählt.

Literatur: Heinz Rieder: Die Völker läuten Sturm. Die europäische Revolution 1848/49. Verlag Katz, Gernsbach 1997
1852
Napoleon III., Gemälde von Alexandre Cabanel, um 1865. Es war das Lieblingsporträt Kaiserin Eugénies, weil es seine Person am getreusten darstellte.

Napoleon III. (* 20. April 1808 in Paris; † 9. Januar 1873 in Chislehurst bei London) war unter seinem Geburtsnamen Charles-Louis-Napoléon Bonaparte während der Zweiten Republik von 1848 bis 1852 französischer Staatspräsident und von 1852 bis 1870 als Napoleon III. Kaiser der Franzosen. Mit dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 hatte der aus einer Volkswahl hervorgegangene Präsident eine Diktatur errichtet. Ein Jahr darauf (1852) proklamierte er sich zum Kaiser und sein Land zum Zweiten Kaiserreich. Das Parlament wurde weitgehend entmachtet und erhielt erst ganz am Ende seiner Herrschaft wieder etwas mehr Kompetenzen.

Bedingt durch den plebiszitären Charakter seiner Herrschaft war der Kaiser praktisch gezwungen, immer neue Erfolge vorzuweisen, um sich die Gunst der Massen zu erhalten. Dies führte zu einer relativ expansiven Außenpolitik, die auch das Ziel der territorialen Vergrößerung Frankreichs auf Kosten seiner Nachbarstaaten verfolgte.

Literatur: Johannes Willms: Napoleon III. Frankreichs letzter Kaiser. C.H. Beck, München 2008
Franz Herre: Napoleon III. Glanz und Elend des zweiten Kaiserreiches. Bertelsmann, München 1990
1870
Kämpfe am 18. August 1870 auf dem Dorffriedhof von Saint-Privat bei Gravelotte nahe Metz. Gemälde von Alphonse de Neuville.
Der Friedhof von Saint-Privat, 1881, Öl auf Leinwand, Musée d´Orsay, Paris; Der in der Nähe von Metz wurde zum blutigen Schlachtfeld, auf dem 42000 Soldaten starben. Am 18. August 1870 kämpften dort die französischen Truppen, erkennbar an ihren roten Hosen, in den letzten Zügen gegen die preußische Armee.  Mit dem Bild verteidigt der Maler den republikanischen Patriotismus und stärkt das französische Revanchestreben. Das Gemälde, das 1881 im Pariser Salon erstmals ausgestellt wurde, brachte dem Künstler den Offizierstitel der Ehrenlegion ein.

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 bis 1871 war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens. Auslöser des Krieges war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die spanische Thronkandidatur. Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Entgegen der Erwartung des französischen Kaisers traten auch die vier süddeutschen Staaten in den Krieg ein. Währenddessen blieben die übrigen europäischen Mächte neutral.

Innerhalb weniger Wochen im Spätsommer 1870 besiegten die deutschen Verbündeten große Teile der französischen Armeen. Nach der Schlacht von Sedan in Nordfrankreich ging Kaiser Napoléon III. am 2. September 1870 in Gefangenschaft. Daraufhin bildete sich in Paris eine provisorische nationale Regierung, welche die Dritte Französische Republik ausrief, den Krieg fortführte und neue Armeen aufstellte. Aber auch die neue Regierung vermochte es nicht, das Blatt zu wenden. Nach dem Fall von Paris fand sich die französische Regierung im Februar 1871 zum Vorfrieden von Versailles bereit. Offiziell endete der Krieg am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt.

Literatur: Michael Epkenhans: Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871 (= Kriege der Moderne). Reclam Philipp Jun., Stuttgart 2020
Jochen Oppermann: Der Deutsch-Französische Krieg. 1870/71. marixverlag, Wiesbaden 2020
1870
Wilhelm Camphausen: Napoleon III. und Bismarck nach der Schlacht bei Sedan (1878)

Die Schlacht von Sedan fand am 1. und 2. September 1870 im Deutsch-Französischen Krieg in Sedan, einer Stadt im Département Ardennes statt. Die Stadt liegt in der Nähe der belgischen Grenze am Ufer der Maas. Der deutsche Sieg war vorentscheidend für den Ausgang des Krieges. Auf französischer Seite hatte die Kapitulation der französischen Truppen und die Gefangennahme des Kaisers Napoléon III. die Ausrufung der Dritten Republik zur Folge.

Literatur: Gerd Fesser: Sedan 1870. Ein unheilvoller Sieg. Paderborn 2019
Dennis E. Showalter: Das Gesicht des modernen Krieges. Sedan, 1. und 2. September 1870. In: Stig Förster, Dierk Walter, Markus Pöhlmann (Hrsg.): Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai. 2. Auflage. München 2004
1871
Adolphe Thiers in den 1870er Jahren.

Als Dritte Französische Republik (französisch Troisième République française) bezeichnet man den französischen Staat zwischen 1870 und 1940. Der offizielle Staatsname war République française.

Die Verfassung schuf eine Legislative mit Zwei-Kammer-Parlament (Abgeordnetenkammer und Senat), das gemeinsam als Nationalversammlung einen Präsidenten mit starker Stellung gegenüber der Regierung auf sieben Jahre wählte. Die Stellung des Präsidenten war nicht ganz so stark wie später in der gaullistischen Konzeption für die Fünfte Republik. Der Ministerpräsident war abhängig von der Mehrheit in der Abgeordnetenkammer; die Kabinette wechselten recht häufig. Erster Präsident der Troisième République française sollte der Historiker Adolphe Louis Thiers (Bild) werden. Bis zur Amtsübernahme durch Raymond Pointcaré (1913) sollten Thiers noch weitere sieben Staatspräsidenten folgen.

Literatur: Jens Ivo Engels: Kleine Geschichte der Dritten französischen Republik (1870–1940). Böhlau, Köln 2007

wilhelm II. und das deutsche reich

Web Kaiser Wilhelm II Of Germany 1902

Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Albert Viktor von Preußen (* 27. Januar 1859 in Berlin; † 4. Juni 1941 in Doorn in den Niederlanden), aus dem Haus Hohenzollern war von 1888 bis 1918 letzter Deutscher Kaiser und König von Preußen. Wilhelm war ein Enkel Kaiser Wilhelms I. und ein Sohn Kaiser Friedrichs III. Dieser regierte nur 99 Tage, sodass im „Dreikaiserjahr“ 1888 auf einen 90-jährigen und einen 56-jährigen Herrscher der 29-jährige Wilhelm II. folgte. Durch seine Mutter Victoria von Großbritannien und Irland war Wilhelm Enkel der britischen Königin Victoria. Mit seiner traditionellen Auffassung vom Kaisertum zeigte Wilhelm wenig Verständnis für das Wesen der konstitutionellen Monarchie.

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Erst im Oktober 1918, unter dem Druck des sich für Deutschland und seine mit ihm verbündeten anderen Mittelmächte als verloren abzeichnenden Ersten Weltkriegs, stimmte Wilhelm den Oktoberreformen zu, denen zufolge der Reichskanzler formell das Vertrauen des Reichstags benötigte. Der von Wilhelm stark forcierte Ausbau der Kaiserlichen Marine und die damit eng verbundene sogenannte Weltpolitik wurden zum Markenzeichen wilhelminischer Politik, aber gleichzeitig auch zum Symbol ihres Scheiterns.

Nach Beginn der Novemberrevolution verkündete Reichskanzler Max von Baden am 9. November 1918 die Abdankung Wilhelms und seines Sohnes, Kronprinz Wilhelms von Preußen. Bereits seit dem 29. Oktober hielt sich der Kaiser im deutschen Hauptquartier im belgischen Spa auf. Er ging von dort ins Exil in die nahen Niederlande, wo ihm Königin Wilhelmina Asyl gewährte und 1919 die von den Entente-Mächten verlangte Auslieferung als Kriegsverbrecher ablehnte. Im Haus Doorn ansässig geworden, bemühte sich Wilhelm II. erfolglos um eine Restauration der Monarchie in Deutschland. Er starb 1941 im Alter von 82 Jahren, ohne jemals wieder deutschen Boden betreten zu haben.

Karte des Deutschen Reiches 1871–1918; aus: Putzger – Historischer Weltatlas; Datei aus Wikipedia

Timeline V: „die preussen übernehmen das zepter“

VOM FLICKENTEPPICH ZUM KAISERREICH

Straßenkämpfe am Alexanderplatz in Berlin im Jahr 1848 während der Deutschen Revolution.

Die Märzrevolution in Berlin war ein Teil der Revolutionen 1848/1849 in Europa und ein zentrales Ereignis der deutschen Freiheits- und Nationalbewegung. Nachdem oppositionelle Volksversammlungen in Berlin Freiheitsrechte von der preußischen Monarchie gefordert hatten, ging ab dem 13. März 1848 Militär gegen sie vor. Diese Auseinandersetzungen steigerten sich am 18. und 19. März zu Barrikadenkämpfen, die mehrere hundert Todesopfer forderten. König Friedrich Wilhelm IV. sah sich schließlich gezwungen, das Militär aus Berlin abzuziehen und den Demonstranten politische Zugeständnisse zu machen. Bis zum Sommer kam es zu einer vorübergehenden Liberalisierung: Eine liberale Märzregierung wurde ernannt, und eine frei gewählte Nationalversammlung begann mit der Ausarbeitung einer Verfassung für Preußen. Die Uneinigkeit der revolutionären Kräfte ermöglichte es dem König jedoch, die meisten Zugeständnisse ab 1849 wieder zurückzunehmen.

Literatur: Rüdiger Hachtmann: Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution. Dietz, Bonn 1997
Auszug aus dem Flickenteppich autonomer Reiche, Fürsten und Herzogtümer die sich über das Gebiet des heutigen Deutschlands ausdehnten.

Der Deutsche Bund war ein Staatenbund, auf den sich im Jahr 1815 die „souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands“ mit Einschluss des Kaisers von Österreich und der Könige von Preußen, von Dänemark (hinsichtlich Holsteins) und der Niederlande (hinsichtlich Luxemburgs) geeinigt hatten. Dieser Bund existierte von 1815 bis 1866 und hatte bereits bundesstaatliche Züge, da sich ein Recht des Deutschen Bundes entwickelte, das die Gliedstaaten band. Dennoch besaß der Deutsche Bund keine Staatsgewalt, sondern nur eine „völkerrechtsvertraglich vermittelte Vereinskompetenz“.

Während der Revolution von 1848/49 verlor der Bund seine Bedeutung und löste sich im Juli 1848 faktisch auf.

Der Deutsche Bund wurde infolge des Deutschen Krieges vom Sommer 1866 aufgelöst. Preußen und seine Verbündeten gründeten einen Bundesstaat, den Norddeutschen Bund. Dieser war formell kein Nachfolger des Deutschen Bundes, nahm aber viele Ideen und Initiativen aus jener Zeit auf.

Einen „Deutschen Bund“ gab es kurzfristig noch am Anfang des Jahres 1871. Durch Vereinbarung des Norddeutschen Bundes mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen vom 8. Dezember und Beschluss des Bundesrates und des Reichstags vom 9./10. Dezember 1870 wurde der Halbsatz „Dieser Bund wird den Namen Deutscher Bund führen“ ersetzt durch: „Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen“; die Bestimmung über den neuen Staatsnamen trat am 1. Januar 1871 in Kraft. Mit der neuen Reichsverfassung vom 16. April 1871 wurde der „Deutsche Bund“ aus dem Titel der Verfassung getilgt.

Literatur: Wolf D. Gruner: Der Deutsche Bund: 1815–1866. Beck, München 2010
Wilhelm I. auf einem Porträt des Hoffotografen Wilhelm Kuntzemüller (1884)

Wilhelm I., mit vollem Namen Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen (* 22. März 1797 in Berlin; † 9. März 1888 ebenda), aus dem Haus Hohenzollern war von 1861 bis zu seinem Tod König von Preußen und seit der Reichsgründung 1871 erster Deutscher Kaiser.

Nach der Thronbesteigung seines älteren kinderlosen Bruders, Friedrich Wilhelm IV., avancierte er als Prinz von Preußen zum Thronfolger und setzte sich gegen jede Form der Verfassungsänderung ein. Die Öffentlichkeit nahm ihn als Symbolfigur der antiliberalen Militärpartei am preußischen Hof wahr.

Während der Märzrevolution 1848 sprach sich der Prinz zwar für ein gewaltsames Vorgehen gegen die Demonstranten aus, hatte faktisch aber keine Kommandogewalt über die in Berlin stationierten Truppen. Der bald öffentlich als Kartätschenprinz beschimpfte Wilhelm sah sich schließlich gezwungen, ins Exil nach Großbritannien zu gehen, von wo er bereits im Sommer 1848 zurückkehrte. 1849 ließ er als Oberbefehlshaber die Revolutionen in der Pfalz und in Baden blutig niederschlagen.

Durch die Revolution 1848/1849 und seinen Aufenthalt in Koblenz als Militärgouverneur des Rheinlandes und Westfalens begann sich Wilhelms Einstellung gegenüber einer konstitutionellen Monarchie zu mäßigen. Den deutschen Nationalismus betrachtete er zunehmend als ein mögliches politisches Instrument für Preußens Krone.

1858 übernahm Wilhelm für seinen erkrankten Bruder die Regentschaft. In der politischen Öffentlichkeit beförderte der Thronwechsel Hoffnungen auf eine Neue Ära. Da der Prinzregent, ab 1861 König von Preußen, jedoch auf eine konservative Heeresreform hinarbeitete, eskalierte kurz darauf ein Streit mit dem Abgeordnetenhaus zu einem Verfassungskonflikt.

Im Kampf gegen das Parlament berief Wilhelm 1862 Otto von Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten. Mit dessen Unterstützung konnte der Verfassungskonflikt 1866 beigelegt und mittels Kriegen eine Machtsteigerung Preußens erreicht werden.

Literatur: Guntram Schulze-Wegener: Wilhelm I. Deutscher Kaiser, König von Preußen, Nationaler Mythos. Mittler, Hamburg 2015
Franz Herre: Kaiser Wilhelm I. Der letzte Preuße. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1980
Otto von Bismarck werden zahlreiche Zitate in den Mund geschoben …

Die Ernennung Otto von Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten sprach König Wilhelm I. am 22. oder 23. September 1862 aus. Im Zuge des sich zuspitzenden preußischen Verfassungskonflikts hatten konservative Politiker Bismarck wiederholt als preußischen Ministerpräsidenten ins Gespräch gebracht. Erst nachdem jedoch ein Einigungsversuch der preußischen Regierung mit dem Landtag am Widerstand des Königs gescheitert war und zwei Minister Rücktrittsgesuche eingereicht hatten, wurde Bismarck im Herbst 1862 nach Berlin gerufen. Da zu erwarten war, dass das preußische Abgeordnetenhaus die Finanzierung von Wilhelms Heeresreform ablehnen würde, erwog dieser, zu Gunsten von Kronprinz Friedrich Wilhelm abzudanken. In dieser Situation kam es am 22. September 1862 zu einer Unterredung zwischen Bismarck und König Wilhelm I. in Schloss und Park Babelsberg bei Potsdam. In Folge des Treffens wurde Bismarck zunächst zum Ministerpräsidenten ernannt, am 8. Oktober 1862 zusätzlich auch zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten.

Zur Vorgeschichte und den Umständen der Ernennung siehe das Kapitel „Deutschland am Kreuzweg“ von Otto Pflanze: Bismarck. Band 1: Der Reichsgründer. Beck, München 2008
Wilhelm I. trifft während der Schlacht bei Königgrätz auf den Kronprinzen Friedrich, Wandgemälde von Emil Hünten für die Berliner Ruhmeshalle.Beim Wiedersehen auf dem Schlachtfeld übereichte der König tief ergriffen dem Kronprinzen den Orden „Pour le merite“. Generalstabschef Helmuth Moltke ist am linken Bildrand zu erkennen.

Nach der niedergeschlagenen Deutschen Revolution 1848/49 war die Frage nach einer deutschen Einigung noch nicht geklärt. Zwar wurde der Deutsche Bund wiederhergestellt, doch die nationalen Gefühle wurden dadurch nicht befriedigt. Hinzu kam noch, dass auch der Adel den Nutzen einer nationalstaatlichen Einigung sah, besonders unter wirtschaftlichen Aspekten. Ein einheitlicher deutscher Binnenmarkt sollte die Grundlage sein für die Fahrt aufnehmende industrielle Revolution in Deutschland.

Mit den Deutschen Einigungskriegen setzte Preußen die Idee des deutschen Nationalstaates im Sinn der kleindeutschen Lösung durch. Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg (1864), dem Deutschen Krieg (1866) und dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) entstand das preußisch dominierte Deutsche Kaiserreich. Im historischen Rückblick wurde die Nationalstaatsbildung mit einer „Blut-und-Eisen-Politik“ Otto von Bismarcks in Verbindung gebracht.

Literatur: Thorsten Loch, Lars Zacharias: Wie die Siegessäule nach Berlin kam. Eine kleine Geschichte der Reichseinigungskriege 1864–1871. Rombach, Freiburg i.Br. 2012
Proklamation des preußischen Königs Wilhelm I. am 18. Januar 1871 zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles. Die dritte Version fertiggestellt am 22. März 1877 zum 80. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. Gemälde von Anton von Werner im Auftrag der preußischen Königsfamilie zum 70. Geburtstag Kanzler Bismarck erstellt. Bismarcks weiße Kleidung entspricht nicht der Realität, sollte aber seine Position herausheben.

Der deutsche Sieg bei Sedan und die Gefangennahme des französischen Kaisers Napoleon III. (beides am 2. September 1870) machten den Weg für die Reichsgründung frei. Bismarck begann mit den süddeutschen Staaten zu verhandeln. Dies bedeutete den Beitritt Bayerns, Württembergs und Badens zum Norddeutschen Bund durch die im November 1870 vereinbarte Gründung eines neuen „Deutschen Bundes“.

Andere Pläne wie der eines Doppelbundes, wie ihn etwa Bayern vorgeschlagen hatte, waren nunmehr chancenlos. Die bismarcksche Lösung garantierte zum einen eine Dominanz Preußens auch im neuen, sogenannten zweiten Deutschen Reich. Zum anderen bedeutete der monarchische Föderalismus eine Barriere gegen Tendenzen zur Parlamentarisierung.

Der preußische König, Inhaber des Bundespräsidiums, erhielt den zusätzlichen Titel „Deutscher Kaiser“. Diese Benennung war staatsrechtlich von untergeordneter, symbolisch jedoch von erheblicher Bedeutung – die Erinnerung an das Alte Reich erleichterte die Identifikation mit dem neuen Staat. König Wilhelm selbst, der – nicht zu Unrecht – fürchtete, dass der neue Titel die preußische Königswürde überdecken werde, blieb lange ablehnend. Wenn überhaupt, verlangte er den Titel eines „Kaisers von Deutschland“. Bismarck warnte, dass die süddeutschen Monarchen dies kaum akzeptieren würden. Außerdem lautete der verfassungsmäßige Titel seit dem 1. Januar bereits „Deutscher Kaiser“. Wilhelm ließ es dann bei der Kaiserproklamation am 18. Januar geschehen, dass der badische Großherzog ein Hoch auf „Kaiser Wilhelm“ ausrief.

Literatur: Margaret Anderson, Sibylle Hirschfeld (Übers.): Lehrjahre der Demokratie – Wahlen und politische Kultur im Deutschen Kaiserreich. Steiner, Stuttgart 2009
Von links nach rechts: Die drei Kaiser des Jahres 1888. Wilhelm I. (1871–1888), Friedrich III.(1888) und Wilhelm II.(1888–1918)

Das Jahr 1888 ist als Dreikaiserjahr in die deutsche Geschichte eingegangen.

Auf Kaiser Wilhelm I., der am 9. März in Berlin starb, folgte sein an Kehlkopfkrebs erkrankter Sohn Friedrich Wilhelm als Kaiser Friedrich III., der nach 99 Tagen Regentschaft am 15. Juni in Potsdam starb. Ihm folgte am selben Tag sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm, der als Kaiser Wilhelm II. den Thron als Deutscher Kaiser und König von Preußen bestieg. Innerhalb von nur vier Monaten wurde das Deutsche Reich somit von drei Herrschern aus unmittelbar aufeinanderfolgenden Generationen regiert.

Im Zusammenhang mit dem Dreikaiserjahr entstand im Volksmund der Spruch: „Wilhelm I. war der greise Kaiser, Friedrich III. der weise (oder „leise“) Kaiser und Wilhelm II. der Reisekaiser.“ Damit wurde auf das mit fast 91 Jahren hohe Lebensalter Wilhelms I. und auf die kurz vor der Thronbesteigung aufgetretene, durch Kehlkopfkrebs ausgelöste Stummheit Friedrichs III. Bezug genommen

Der Lotse geht von Bord

Nach der kurzen Herrschaftszeit von Friedrich III. standen sich mit dem neuen Kaiser Wilhelm II. und Bismarck zwei ungleiche Persönlichkeiten gegenüber. Bismarck hielt Wilhelm für unreif und wenig vorbereitet auf die Übernahme der Verantwortung. Er sei ein „Brausekopf, könne nicht schweigen, sei Schmeichlern zugänglich und könne Deutschland in einen Krieg stürzen, ohne es zu ahnen und zu wollen.“ Für Wilhelm dagegen war Bismarck eine nicht mehr zeitgemäße Person und er machte deutlich, selbst politischen Einfluss nehmen zu wollen: „Sechs Monate will ich den Alten verschnaufen lassen, dann regiere ich selbst.“

Bismarck sah vor diesem Hintergrund in der mutwilligen Verschärfung der innenpolitischen Lage eine Möglichkeit, den neuen Kaiser von seiner Unentbehrlichkeit zu überzeugen. Er brachte daher ein neues, verschärftes und unbefristetes Sozialistengesetz ein, wohl wissend, dass dies die Kartellparteien auseinandersprengen würde, da die Nationalliberalen dies nicht mittragen konnten. Wilhelm, der seine Regierungszeit nicht mit einem solchen Konfliktkurs beginnen wollte, stellte sich den Plänen des Kanzlers entgegen. In einer Sitzung des Kronrates prallten beide am 24. Januar 1890 aufeinander.

In den folgenden Monaten versuchte Bismarck verzweifelt, seine Stellung zu halten und spielte erneut mit Staatsstreichgedanken, aber auch mit dem Plan einer engen Zusammenarbeit zwischen Zentrum und Konservativen.

Am 15. März 1890 entzog Kaiser Wilhelm dem Kanzler wegen dessen Konfliktkurses endgültig die Unterstützung. Das Entlassungsgesuch Bismarcks datiert vom 18. März 1890.

Als Nachfolger Otto von Bismarcks wählte der Kaiser den politisch unerfahrenen General Leo von Caprivi.

Literatur: Christoph Nonn: Bismarck. Ein Preuße und sein Jahrhundert. C.H. Beck, München 2015.
1848
Straßenkämpfe am Alexanderplatz in Berlin im Jahr 1848 während der Deutschen Revolution.

Die Märzrevolution in Berlin war ein Teil der Revolutionen 1848/1849 in Europa und ein zentrales Ereignis der deutschen Freiheits- und Nationalbewegung. Nachdem oppositionelle Volksversammlungen in Berlin Freiheitsrechte von der preußischen Monarchie gefordert hatten, ging ab dem 13. März 1848 Militär gegen sie vor. Diese Auseinandersetzungen steigerten sich am 18. und 19. März zu Barrikadenkämpfen, die mehrere hundert Todesopfer forderten. König Friedrich Wilhelm IV. sah sich schließlich gezwungen, das Militär aus Berlin abzuziehen und den Demonstranten politische Zugeständnisse zu machen. Bis zum Sommer kam es zu einer vorübergehenden Liberalisierung: Eine liberale Märzregierung wurde ernannt, und eine frei gewählte Nationalversammlung begann mit der Ausarbeitung einer Verfassung für Preußen. Die Uneinigkeit der revolutionären Kräfte ermöglichte es dem König jedoch, die meisten Zugeständnisse ab 1849 wieder zurückzunehmen.

Literatur: Rüdiger Hachtmann: Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution. Dietz, Bonn 1997
1849
Auszug aus dem Flickenteppich autonomer Reiche, Fürsten und Herzogtümer die sich über das Gebiet des heutigen Deutschlands ausdehnten.

Der Deutsche Bund war ein Staatenbund, auf den sich im Jahr 1815 die „souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands“ mit Einschluss des Kaisers von Österreich und der Könige von Preußen, von Dänemark (hinsichtlich Holsteins) und der Niederlande (hinsichtlich Luxemburgs) geeinigt hatten. Dieser Bund existierte von 1815 bis 1866 und hatte bereits bundesstaatliche Züge, da sich ein Recht des Deutschen Bundes entwickelte, das die Gliedstaaten band. Dennoch besaß der Deutsche Bund keine Staatsgewalt, sondern nur eine „völkerrechtsvertraglich vermittelte Vereinskompetenz“.

Während der Revolution von 1848/49 verlor der Bund seine Bedeutung und löste sich im Juli 1848 faktisch auf.

Der Deutsche Bund wurde infolge des Deutschen Krieges vom Sommer 1866 aufgelöst. Preußen und seine Verbündeten gründeten einen Bundesstaat, den Norddeutschen Bund. Dieser war formell kein Nachfolger des Deutschen Bundes, nahm aber viele Ideen und Initiativen aus jener Zeit auf.

Einen „Deutschen Bund“ gab es kurzfristig noch am Anfang des Jahres 1871. Durch Vereinbarung des Norddeutschen Bundes mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen vom 8. Dezember und Beschluss des Bundesrates und des Reichstags vom 9./10. Dezember 1870 wurde der Halbsatz „Dieser Bund wird den Namen Deutscher Bund führen“ ersetzt durch: „Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen“; die Bestimmung über den neuen Staatsnamen trat am 1. Januar 1871 in Kraft. Mit der neuen Reichsverfassung vom 16. April 1871 wurde der „Deutsche Bund“ aus dem Titel der Verfassung getilgt.

Literatur: Wolf D. Gruner: Der Deutsche Bund: 1815–1866. Beck, München 2010
1861
Wilhelm I. auf einem Porträt des Hoffotografen Wilhelm Kuntzemüller (1884)

Wilhelm I., mit vollem Namen Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen (* 22. März 1797 in Berlin; † 9. März 1888 ebenda), aus dem Haus Hohenzollern war von 1861 bis zu seinem Tod König von Preußen und seit der Reichsgründung 1871 erster Deutscher Kaiser.

Nach der Thronbesteigung seines älteren kinderlosen Bruders, Friedrich Wilhelm IV., avancierte er als Prinz von Preußen zum Thronfolger und setzte sich gegen jede Form der Verfassungsänderung ein. Die Öffentlichkeit nahm ihn als Symbolfigur der antiliberalen Militärpartei am preußischen Hof wahr.

Während der Märzrevolution 1848 sprach sich der Prinz zwar für ein gewaltsames Vorgehen gegen die Demonstranten aus, hatte faktisch aber keine Kommandogewalt über die in Berlin stationierten Truppen. Der bald öffentlich als Kartätschenprinz beschimpfte Wilhelm sah sich schließlich gezwungen, ins Exil nach Großbritannien zu gehen, von wo er bereits im Sommer 1848 zurückkehrte. 1849 ließ er als Oberbefehlshaber die Revolutionen in der Pfalz und in Baden blutig niederschlagen.

Durch die Revolution 1848/1849 und seinen Aufenthalt in Koblenz als Militärgouverneur des Rheinlandes und Westfalens begann sich Wilhelms Einstellung gegenüber einer konstitutionellen Monarchie zu mäßigen. Den deutschen Nationalismus betrachtete er zunehmend als ein mögliches politisches Instrument für Preußens Krone.

1858 übernahm Wilhelm für seinen erkrankten Bruder die Regentschaft. In der politischen Öffentlichkeit beförderte der Thronwechsel Hoffnungen auf eine Neue Ära. Da der Prinzregent, ab 1861 König von Preußen, jedoch auf eine konservative Heeresreform hinarbeitete, eskalierte kurz darauf ein Streit mit dem Abgeordnetenhaus zu einem Verfassungskonflikt.

Im Kampf gegen das Parlament berief Wilhelm 1862 Otto von Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten. Mit dessen Unterstützung konnte der Verfassungskonflikt 1866 beigelegt und mittels Kriegen eine Machtsteigerung Preußens erreicht werden.

Literatur: Guntram Schulze-Wegener: Wilhelm I. Deutscher Kaiser, König von Preußen, Nationaler Mythos. Mittler, Hamburg 2015
Franz Herre: Kaiser Wilhelm I. Der letzte Preuße. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1980
1862
Otto von Bismarck werden zahlreiche Zitate in den Mund geschoben …

Die Ernennung Otto von Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten sprach König Wilhelm I. am 22. oder 23. September 1862 aus. Im Zuge des sich zuspitzenden preußischen Verfassungskonflikts hatten konservative Politiker Bismarck wiederholt als preußischen Ministerpräsidenten ins Gespräch gebracht. Erst nachdem jedoch ein Einigungsversuch der preußischen Regierung mit dem Landtag am Widerstand des Königs gescheitert war und zwei Minister Rücktrittsgesuche eingereicht hatten, wurde Bismarck im Herbst 1862 nach Berlin gerufen. Da zu erwarten war, dass das preußische Abgeordnetenhaus die Finanzierung von Wilhelms Heeresreform ablehnen würde, erwog dieser, zu Gunsten von Kronprinz Friedrich Wilhelm abzudanken. In dieser Situation kam es am 22. September 1862 zu einer Unterredung zwischen Bismarck und König Wilhelm I. in Schloss und Park Babelsberg bei Potsdam. In Folge des Treffens wurde Bismarck zunächst zum Ministerpräsidenten ernannt, am 8. Oktober 1862 zusätzlich auch zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten.

Zur Vorgeschichte und den Umständen der Ernennung siehe das Kapitel „Deutschland am Kreuzweg“ von Otto Pflanze: Bismarck. Band 1: Der Reichsgründer. Beck, München 2008
1864-1870
Wilhelm I. trifft während der Schlacht bei Königgrätz auf den Kronprinzen Friedrich, Wandgemälde von Emil Hünten für die Berliner Ruhmeshalle.Beim Wiedersehen auf dem Schlachtfeld übereichte der König tief ergriffen dem Kronprinzen den Orden „Pour le merite“. Generalstabschef Helmuth Moltke ist am linken Bildrand zu erkennen.

Nach der niedergeschlagenen Deutschen Revolution 1848/49 war die Frage nach einer deutschen Einigung noch nicht geklärt. Zwar wurde der Deutsche Bund wiederhergestellt, doch die nationalen Gefühle wurden dadurch nicht befriedigt. Hinzu kam noch, dass auch der Adel den Nutzen einer nationalstaatlichen Einigung sah, besonders unter wirtschaftlichen Aspekten. Ein einheitlicher deutscher Binnenmarkt sollte die Grundlage sein für die Fahrt aufnehmende industrielle Revolution in Deutschland.

Mit den Deutschen Einigungskriegen setzte Preußen die Idee des deutschen Nationalstaates im Sinn der kleindeutschen Lösung durch. Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg (1864), dem Deutschen Krieg (1866) und dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) entstand das preußisch dominierte Deutsche Kaiserreich. Im historischen Rückblick wurde die Nationalstaatsbildung mit einer „Blut-und-Eisen-Politik“ Otto von Bismarcks in Verbindung gebracht.

Literatur: Thorsten Loch, Lars Zacharias: Wie die Siegessäule nach Berlin kam. Eine kleine Geschichte der Reichseinigungskriege 1864–1871. Rombach, Freiburg i.Br. 2012
1871
Proklamation des preußischen Königs Wilhelm I. am 18. Januar 1871 zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles. Die dritte Version fertiggestellt am 22. März 1877 zum 80. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. Gemälde von Anton von Werner im Auftrag der preußischen Königsfamilie zum 70. Geburtstag Kanzler Bismarck erstellt. Bismarcks weiße Kleidung entspricht nicht der Realität, sollte aber seine Position herausheben.

Der deutsche Sieg bei Sedan und die Gefangennahme des französischen Kaisers Napoleon III. (beides am 2. September 1870) machten den Weg für die Reichsgründung frei. Bismarck begann mit den süddeutschen Staaten zu verhandeln. Dies bedeutete den Beitritt Bayerns, Württembergs und Badens zum Norddeutschen Bund durch die im November 1870 vereinbarte Gründung eines neuen „Deutschen Bundes“.

Andere Pläne wie der eines Doppelbundes, wie ihn etwa Bayern vorgeschlagen hatte, waren nunmehr chancenlos. Die bismarcksche Lösung garantierte zum einen eine Dominanz Preußens auch im neuen, sogenannten zweiten Deutschen Reich. Zum anderen bedeutete der monarchische Föderalismus eine Barriere gegen Tendenzen zur Parlamentarisierung.

Der preußische König, Inhaber des Bundespräsidiums, erhielt den zusätzlichen Titel „Deutscher Kaiser“. Diese Benennung war staatsrechtlich von untergeordneter, symbolisch jedoch von erheblicher Bedeutung – die Erinnerung an das Alte Reich erleichterte die Identifikation mit dem neuen Staat. König Wilhelm selbst, der – nicht zu Unrecht – fürchtete, dass der neue Titel die preußische Königswürde überdecken werde, blieb lange ablehnend. Wenn überhaupt, verlangte er den Titel eines „Kaisers von Deutschland“. Bismarck warnte, dass die süddeutschen Monarchen dies kaum akzeptieren würden. Außerdem lautete der verfassungsmäßige Titel seit dem 1. Januar bereits „Deutscher Kaiser“. Wilhelm ließ es dann bei der Kaiserproklamation am 18. Januar geschehen, dass der badische Großherzog ein Hoch auf „Kaiser Wilhelm“ ausrief.

Literatur: Margaret Anderson, Sibylle Hirschfeld (Übers.): Lehrjahre der Demokratie – Wahlen und politische Kultur im Deutschen Kaiserreich. Steiner, Stuttgart 2009
1888
Von links nach rechts: Die drei Kaiser des Jahres 1888. Wilhelm I. (1871–1888), Friedrich III.(1888) und Wilhelm II.(1888–1918)

Das Jahr 1888 ist als Dreikaiserjahr in die deutsche Geschichte eingegangen.

Auf Kaiser Wilhelm I., der am 9. März in Berlin starb, folgte sein an Kehlkopfkrebs erkrankter Sohn Friedrich Wilhelm als Kaiser Friedrich III., der nach 99 Tagen Regentschaft am 15. Juni in Potsdam starb. Ihm folgte am selben Tag sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm, der als Kaiser Wilhelm II. den Thron als Deutscher Kaiser und König von Preußen bestieg. Innerhalb von nur vier Monaten wurde das Deutsche Reich somit von drei Herrschern aus unmittelbar aufeinanderfolgenden Generationen regiert.

Im Zusammenhang mit dem Dreikaiserjahr entstand im Volksmund der Spruch: „Wilhelm I. war der greise Kaiser, Friedrich III. der weise (oder „leise“) Kaiser und Wilhelm II. der Reisekaiser.“ Damit wurde auf das mit fast 91 Jahren hohe Lebensalter Wilhelms I. und auf die kurz vor der Thronbesteigung aufgetretene, durch Kehlkopfkrebs ausgelöste Stummheit Friedrichs III. Bezug genommen

1890
Der Lotse geht von Bord

Nach der kurzen Herrschaftszeit von Friedrich III. standen sich mit dem neuen Kaiser Wilhelm II. und Bismarck zwei ungleiche Persönlichkeiten gegenüber. Bismarck hielt Wilhelm für unreif und wenig vorbereitet auf die Übernahme der Verantwortung. Er sei ein „Brausekopf, könne nicht schweigen, sei Schmeichlern zugänglich und könne Deutschland in einen Krieg stürzen, ohne es zu ahnen und zu wollen.“ Für Wilhelm dagegen war Bismarck eine nicht mehr zeitgemäße Person und er machte deutlich, selbst politischen Einfluss nehmen zu wollen: „Sechs Monate will ich den Alten verschnaufen lassen, dann regiere ich selbst.“

Bismarck sah vor diesem Hintergrund in der mutwilligen Verschärfung der innenpolitischen Lage eine Möglichkeit, den neuen Kaiser von seiner Unentbehrlichkeit zu überzeugen. Er brachte daher ein neues, verschärftes und unbefristetes Sozialistengesetz ein, wohl wissend, dass dies die Kartellparteien auseinandersprengen würde, da die Nationalliberalen dies nicht mittragen konnten. Wilhelm, der seine Regierungszeit nicht mit einem solchen Konfliktkurs beginnen wollte, stellte sich den Plänen des Kanzlers entgegen. In einer Sitzung des Kronrates prallten beide am 24. Januar 1890 aufeinander.

In den folgenden Monaten versuchte Bismarck verzweifelt, seine Stellung zu halten und spielte erneut mit Staatsstreichgedanken, aber auch mit dem Plan einer engen Zusammenarbeit zwischen Zentrum und Konservativen.

Am 15. März 1890 entzog Kaiser Wilhelm dem Kanzler wegen dessen Konfliktkurses endgültig die Unterstützung. Das Entlassungsgesuch Bismarcks datiert vom 18. März 1890.

Als Nachfolger Otto von Bismarcks wählte der Kaiser den politisch unerfahrenen General Leo von Caprivi.

Literatur: Christoph Nonn: Bismarck. Ein Preuße und sein Jahrhundert. C.H. Beck, München 2015.

ZWEI KÖPFE HINTER DEM KAISER …

800X600 PICKELHAUBE Otto Von Bismarck
Otto von Bismarck (1815-1898), Ministerpräsident Preussens und Kanzler des Deutschen Reichs
Unbestritten: Bismarck gilt als die dominierende Figur zur Zeit der Eingung Deutschlands und eigentlicher Gründer des Deutschen Kaiserreichs sowie Vordenker des modernen Sozialstaats. Seine Denkschriften und vielmehr noch die unzähligen Darstellungen seines Lebens und politischen Wirkens (über)füllen Bücherregale.
Bismarck war 1866 zum Generalmajor, 1871 zum Generalleutnant und 1876 zum General der Kavallerie ernannt worden. 1890 erfolgte anlässlich seines Rücktritts die Ernennung zum Generaloberst der Kavallerie im Rang eines Generalfeldmarschalls.
Als Kanzler und preußischer Ministerpräsident bestimmte er die Politik des neu geschaffenen Reiches bis zu seiner Entlassung 1890 entscheidend mit. Er setzte außenpolitisch auf einen Ausgleich der europäischen Mächte und wandte sich lange gegen eine deutsche Kolonialpolitik.
Ein Grundziel von Bismarcks Außenpolitik blieb es, Frankreich zu schwächen. Um dies zu erreichen, bemühte er sich um gute Beziehungen zu Österreich und zu Russland, ohne dabei eine Seite zu präferieren. Ergebnis dieser Strategie war das Dreikaiserabkommen von 1873. Wie schwierig es für das Deutsche Reich jedoch war, seine neue Position auf Kosten Frankreichs zu festigen, zeigte bereits 1875 die weitgehend von Bismarck selbst provozierte „Krieg-in-Sicht-Krise“. Der Versuch Bismarcks, eine deutsche Hegemonialpolitik gegenüber Frankreich durchzusetzen, scheiterte.
Auch wenn Bismarck dem wiedererstarkten Frankreich lediglich drohen wollte und nicht konkret einen Krieg plante, war die Krise für ihn lehrreich. Sie zeigte, dass eine Annäherung zwischen Frankreich und Russland nicht grundsätzlich ausgeschlossen war. Die Möglichkeit eines Bündnisses zwischen beiden bereitete ihm für den Rest seiner Amtszeit Sorge. Aber auch England hatte deutlich gemacht, dass es einen weiteren Machtzuwachs Deutschlands nicht akzeptieren werde. Im Zweifelsfall arbeiteten die europäischen Flügelmächte zusammen, um eine Störung des machtpolitischen Gleichgewichts zu verhindern.
Innenpolitisch ist seine Regierungszeit nach 1866 in zwei Phasen einteilbar. Zunächst kam es zu einem Bündnis mit den gemäßigten Liberalen. In dieser Zeit gab es zahlreiche innenpolitische Reformen wie die Einführung der Zivilehe, wobei Bismarck Widerstand von katholischer Seite mit drastischen Maßnahmen bekämpfte. Seit den späten 1870er-Jahren wandte Bismarck sich zunehmend von den Liberalen ab. In diese Phase fällt der Übergang zur Schutzzollpolitik und zu staatsinterventionistischen Maßnahmen. Dazu zählte insbesondere die Schaffung des Sozialversicherungssystems. Innenpolitisch geprägt waren die 1880er-Jahre nicht zuletzt vom repressiven Sozialistengesetz. 1890 führten Meinungsverschiedenheiten mit dem seit knapp zwei Jahren amtierenden Kaiser Wilhelm II. zu Bismarcks Entlassung.
800x600 Helmuth Karl Bernhard Von Moltke
Helmuth Karl Bernhard von Moltke, ab 1870 Graf von Moltke, genannt Moltke der Ältere, volkstümlich Der große Schweiger (* 1800 , †1891), war preußischer Generalfeldmarschall. Als Chef des Generalstabs hatte er wesentlichen Anteil am Erfolg Preußens in den Deutschen Einigungskriegen. Moltke gehörte nicht nur zu den erfolgreichsten Feldherren seiner Zeit, sondern seine Konzepte sind – nicht nur im militärischen Bereich – bis heute fortdauernd aktuell. Er war der Urgroßonkel des Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus Helmuth James Graf von Moltke.
Moltke galt als genialer Stratege und war in leitender Verantwortung maßgeblich an der Ausarbeitung der Pläne für den Deutsch-Dänischen Krieg (1864), den Deutschen Krieg (genauer: Preußisch-Deutscher Krieg von 1866) gegen die Truppen des Deutschen Bundes (insbes. Österreich, Bayern, Sachsen, Hannover und Kurhessen) und den Deutsch-Französischen Krieg (1870/1871) beteiligt. Dabei erkannte er früh die Bedeutung strategischer Bahnen für den Aufmarsch großer Heere.
Die entscheidende Schlacht bei Königgrätz gegen Österreich führte Moltke persönlich. Nach den siegreichen Kämpfen gegen Frankreich erhielt er am 28. Oktober 1870 den erblichen Titel eines Grafen und am 16. Juni 1871, am Tag der glänzenden Berliner Siegesparade, die Ernennung zum Generalfeldmarschall. Er blieb bis zu der aus Altersgründen erbetenen Verabschiedung am 9. August des Dreikaiserjahres 1888 in der Dienststellung des Chefs des Großen Generalstabs.
Moltke und Bismarck gelten als Schmiede der Reichseinigung von 1871, Moltke aus militärischer und Bismarck aus politischer Sicht. Obwohl Moltke ab 1871 Immediatrecht beim Kaiser hatte und damit faktisch die Möglichkeit, militärische Entscheidungen zusammen mit dem Oberbefehlshaber unter Ausschluss von Reichstag und Kanzler zu treffen, war er stets bereit, sich dem von Bismarck geforderten Primat der Politik zu unterwerfen. Noch in seiner letzten Reichstagsrede, die er als fast 90-Jähriger am 14. Mai 1890 hielt (also wenige Monate nach Bismarcks Entlassung), warnte er eindringlich vor einem neuen Krieg in Europa mit den Worten:
„Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!“
Moltkes Konzept Führen mit Auftrag ging in die Militärdoktrinen zahlreicher Staaten ein; seine Bedeutung zeigt sich auch daran, dass das Wort „Auftragstaktik“ als Germanismus in viele Sprachen übernommen wurde.
In jüngerer Zeit wurden Moltkes Strategie- und Taktikprinzipien vermehrt auch auf zivile Bereiche übertragen. Der amerikanische Harvard Business Review, der Moltke 1992 als den „vielleicht größten Strategen aller Zeiten“ („perhaps the greatest strategist of all time“) bezeichnete, empfahl nachdrücklich, seine Ideen auch im Bereich des Managements anzuwenden.

kaiser franz josef i und die österreichisch-ungarische doppelmonarchie

Web Emperor Franz Josef I Ca 1885

Die Thronbesteigung des 18 jährigen Erzherzogs Franz Josef Karl von Österreich (1830-1916) war eine Folge der revolutionären Erehebungen von 1848. Sein Onkel Ferdinand I. war nach Ansicht der Dynastie Habsburg-Lothringen zu schwach, seine Regierung (von 1835-1848) fortzuführen und sein Bruder, Franz Josefs Vater Franz Karl von Österreich verzichtete auf Drängen seiner Frau auf die Thronfolge.

Während 68 Jahren sollte deren beider Sohn als Kaiser Franz Josef I. die Geschicke eines riesigen Imperiums leiten, in welchem diverse, teils hochbrisante Spannungsfelder schwelten und zahlreiche Kronländer eine Abspaltung anstrebten. Diese Bestrebungen wurden von den damals strategischen Gegnern Preussen, Frankreich und Italien zusätzlich befeuert.

Das Ausmass seiner Macht über 53 Milionen Menschen (1914), die sich in elf unterschiedlichen Sprachen unterhielten war beschränkt. Das Reich mit seinen 676.000 km2 war schlicht zu ausgedehnt, um den notwendigen Einfluss geltend zu machen. Franz Josef bezeichnete sich selbst als den „ersten Beamten“ des Staats, obschon sein „Grosser Titel“ eigentlich anderes besagte.

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Dieser lautet ab 1869: „Franz Joseph I. von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich, König von Ungarn und Böhmen, von Dalmazien, Croatien, Slavonien, Galicien, Lodomerien und Illyrien, König von Jerusalem; Erzherzog zu Österreich, Großherzog von Toskana und Krakau, Herzog von Lothringen, von Salzburg, von Steyer, Kärnthen, Krain und der Bukowina, Großfürst zu Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Quastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tyrol, Kyburg, Görz und Gradiska, Fürst von Trient und Brixen, Markgraf von Ober- und Niederlausitz und in Istrien, Graf von Hohenems, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc., Herr von Triest, von Cattaro und auf der Windischen Mark, Großwojwode der Wojwodschaft Serbien etc.“

Von 1848 bis 1866 hatte Franz Joseph noch zusätzlich den Titel König der Lombardei und Venedigs geführt, welcher später jedoch gestrichen wurde, nachdem Venetien im Frieden von Wien und die zuvor schon verlorene Lombardei endgültig von der Donaumonarchie abgetrennt worden waren.

Die Österreichisch-Ungarnische Monarchie und die Schweiz 1899.  Zum Reichsgebiet gehörten die Territorien der heutigen Staaten: Österreich, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Hezegowina sowie Teile des heutigen Rumäniens (Siebenbürgen, Banat), Montenegros (Gemeinden an der Küste), Polens (Westgalizien), der Ukraine (Ostgalizien, Karpatenukraine und Nordbukkowina), Italiens (Trentino-Südtirol und Teile von Friaul-Julisch Venetien) sowie Serbiens (Vojvodina). Original: „Volksschul-Atlas“, Westermann, Braunschweig, 1899; Digital: Wikipedia.

Erfolgloser Kriegsherr – unglücklicher familenvater – alter Kaiser

Militärische Erziehung

Franz Josef wurde seit frühster Jugend auf seine Funktion als künftiger Kaiser und „Allerhöchster Kriegsherr“ vorbereitet. Soldatisches bereitete ihm Freude, seine Erziehung erfolgte nach der Tradition des Drills, des Gehorsams und des Pflichtbewusstseins.

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Seine miltärischen Erfolge sind aber mehr als bescheiden, sowohl als „Allerhöchster Kriegsherr“ und mehr noch als auf dem Feld präsenter „Schlachtenlenker“. Die glorreiche Zeit des Kaiserlichen Heeres unter dem legendären Feldmarschall Radetzky (1766-1858) war nach 1849 ausgelaufen. Der Sieger von Sta. Lucia (Verona), Custozzo, Novara und Mortara wurde 1857, im Alter von 90 Jahren (sic!)  – nach 72 Dienstjahren in den Ruhestand versetzt. Er diente unter fünf Kaisern und war an mindestens 17 Feldzügen beteiligt.

Ein Jahr später starb der wohl bedeutendste Feldherr Österreichs des 19. Jahrhunderts und dem jungen Kaiser fehlte nun ein gewiefter Stratege und Taktiker, da Radetzkys Nachfolger mit bedeutend weniger entsprechenden Talenten begünstigt war.

Bei der verlustreichen Schlacht bei Solferino gegen Napoleon III. (1859) führte Franz Josef I. ein erstes und einziges Mal sein kaiserliches Berufsheer persönlich in die Schlacht. Die Niederlage führte nicht nur zum Verlust weiterer Gebiete in Norditalien. Die 14’000 Toten und Verwundeten auf österreichischer Seite zu beklagenden Soldaten sowie die weiteren 8’000 Vermissten und Gefangenen hatte er nun persönlich zu verantworten und dies führte selbstverständlich zu einer gravierenden Einbusse seines Prestiges.

 

zunächst glücklicher Ehemann – bald schon unglücklicher Familienvater

1854 heiratete Franz Josef die damals 16 jährige Wittelsbacherin Elisabeth, Herzogin in Bayern. Als „Sisi“ ist sie nach Maria Theresia wohl die bekannteste Kaiserin aus dem Haus Habsburg. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, wobei die erstgeborene Tochter Sophie (1855) im Alter von zwei Jahren an Typhus verstarb. Nach der zweiten Tochter  Gisela (1856-1932) wurde 1858 der Thronfolger, Kronzprinz Erzherzog Rudolf geboren. Als Nachzüglerin komplettierte 10 Jahre später Marie Valerie (1868-1924) die kaiserliche Familie.

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Die drei Kinder sollten später standesgemäss verheiratet werden, so wie dies auch im Hause Habsburg während Hunderten von Jahren arrangiert wurde. Dem Thronfolger Rudolf wurde Stephanie, Prinzessin von Belgien „zugewiesen“, welche er 1881 dann auch aus dynastischen Gründen heiratete. 1883 kam die Tochter des Thronfolgerpaares, Elisabeht Marie (1883-1963) zur Welt. Rudolf war für seine zahlreichen Affären mit attraktiven Frauen „stadtbekannt“.

Das Leben am Hof war ihm – und da schlagen wohl die Gene seiner Mutter Sisi bei Rudolf duch – zu beengend. Wie sie, verliess er wenn immer möglich die höfische Umgebung und beschäftigte sich mit naturwissenschaftlichen und geographischen Studien, welche letzlich 1885 die Herausgabe des ersten Bandes einer vpm Rudolf angeregten, 24-teiligen Enzyklopädie „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ zum Resultat hatte. Diese landeskundlichen Darstellungen wurden auch als Kronprinzenwerk bezeichnet und erschienen in der Folge bis 1902. Rudolf sollte allerdings lediglich die Lieferung der ersten sechs Bände erleben. Im Januar 1889 schied er gemeinsam mit seiner Geliebten in Mayerling aus dem Leben. Ein absoluter Skandal am kaiserlichen Hof.

Das Kaiserpaar um 1865 auf zwei Gemälden von Franz Xaver Winterhalder und Kronprinz Erzherzog Rudolf auf einem Portrait von Eugen Felix, wohl um 1870. Auf dem wohl bekanntesten Portraits der Kaiserin Elisabeth trägt diese in ihren Haaren 27 sogenannten Edelweissterne, ein Haarschmuck aus Diamantsternen, welche sie zu ihrer Hochzeit erhalten hatte.

Nach deren erstgeborener Tochter hatte das Kaiserpaar im Januar 1889 nun auch noch den Kronprinzen auf tragische Art und für das erzkatholische Haus äusserst peinliche Weise verloren. Ob Franz Josef I. seinen Sohn auch wirklich als Thronfolger eingesetzt hätte kann nur spekulativ beantwortet werden. Sein Filius war ihm möglicherweise doch ein zu lebhafter Schöngeist und insbesondere Rudolfs liberale Haltung in staats- und damit machtpolitischen Fragen entsprach nicht seiner Linie. Die Betroffenheit des Kaisers über den Verlust seines einzigen Sohnes hielt sich offenbar in Grenzen, im Gegensatz zur aufrichtigen Trauer der Mutter, die mit Rudolf auch einen der wenigen, ihr Vertrauten bei Hofe verloren hatte.

Die Kaiserin begab sich auch schon vor Rudolfs Tod immer wieder auf ausgedehnte Reisen. Als offizieller Grund wurde immer wieder ihre gesundheitliche Verfassung angegeben.

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Die Ärzte verordneten ihr „Lungenkuren“, welche sie, oft auch in Begleitung ihrer jüngsten Tochter im Mittelmeerraum absolvierte. Den ersten Kuraufenthalt verbrachte sie auf Madeira, erlitt aber nach ihrer Rückkehr rasch einen schweren Rückfall, so dass die Ärzte ihr mit Verdacht auf Tuberkulose einen weiteren Aufenthalt in der Wärme verschrieben, welchen sie auf Korfu im Ionischen Meer verbrachte.

Es ist aber kein Geheimnis, dass Sisi diese Reisen vorallem dazu nutzte, sich vom Hof und Hofstaat begründet fernzuhalten. Ihr pflichtbewusster Gatte fand kaum Zeit für seine Kaiserin und Repräsentationsaufgaben wurden ihr zunehmend zur lästigen Qual.

„Mir bleibt doch nichts erspart auf dieser Welt“

Ihre letzte Reise führte Elisabeth nach Genf wo sie sich inkognito im Hotel Beau-Rivage niederliess. Am 10. September 1898 erlag die Kaiserin im Alter von 60 Jahren dem Attentat des italitnischen Anarchisten Luigi Lucheni, welcher sie mit einer spitzen Feile erstach. Lucheni wollte nach eigener Aussage im Verhör ursprünglich den Prinzen Henri Philippe d’Orléans ermorden. Da dieser aber kurzfristig seine Reisepläne geändert hatte und nicht in Genf eintraf, wählte Lucheni Elisabeth als sein Opfer, nachdem er von ihrer Anwesenheit in Genf erfahren hatte. Lucheni wurde wegen des Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 19. Oktober 1910 fand man ihn erhängt mit einem Gürtel in einer Dunkelzelle.

Die verbleibenden 18 Jahre seines Lebens sollte Kaiser Franz Josef I. als Wittwer verbringen müssen, wobei ihm seine Begleiterin Katharina Schratt, eine Burgschauspielerin mit welcher der Kaiser seit 1883 einen freundschaftlichen Austausch pflegte bis an sein Lebensende 1916 beiseite stand.

Timeline VI: kaiser franz josef I und seine Zeit

DATEN UND EREIGNISSE IM LEBEN DES „ERSTEN BEAMTEN DES REICHS“

Das Schloss Schönbrunn geht in seiner heutigen Form zunächst auf eine von und für Kaiser Joseph I. geplante Residenz zurück, die Kaiserin Maria Theresia später im 18. Jahrhundert für ihre Familie zur gemütlichen Sommerresidenz umbauen ließ. 1805 und 1809 hielt sich Napoleon mit seinem Gefolge im Schönbrunner Schloss auf, als die Franzosen Wien besetzt hatten. Am 15. Dezember 1805 wurde hier der Vertrag von Schönbrunn zwischen Preußen und Frankreich unterzeichnet und am 14. Oktober 1809 der noch bedeutendere Friede von Schönbrunn zwischen Frankreich und Österreich. 1832 starb hier Napoleons Sohn und einziger legitimer Nachkomme Napoleon Franz Bonaparte, in Österreich als Herzog von Reichstadt geläufig, im Alter von 21 Jahren.

Erzherzog Franz Joseph Karl war der älteste Sohn des Erzherzogs Franz Karl von Österreich und dessen Gemahlin Prinzessin Sophie Friederike von Bayern und wurde am 18. August 1830 auf Schloss Schönbrunn geboren.

Da aus der Ehe des zeugungsunfähigen Thronfolgers Erzherzog Ferdinand (ab 1835 Kaiser) keine Nachkommen zu erwarten waren, sollte dessen nächstälterer Bruder Franz Karl die Erbfolge der Habsburger fortsetzen, weshalb der Geburt von dessen Sohn Franz Joseph am Wiener Hof besondere Bedeutung zugemessen wurde. Franz Karl war nämlich sowohl körperlich als auch geistig von schwacher Konstitution und galt daher für eine Regentschaft als kaum geeignet. Aus diesem Grund wurde Franz Joseph bereits von frühester Kindheit an von seiner politisch ambitionierten Mutter konsequent als potenzieller Nachfolger auf dem Kaiserthron aufgebaut

Litertatur zur Geschichte des Schloss Schönbrunn: Kurt Eigl, Franz Hubmann, Christian Brandstätter: Schönbrunn. Ein Schloß und seine Welt. Wien 1982.
Josef Klaus (1853), Krönung Kaiser Franz Josephs I. im Palast des Erzbischofs von Olmütz am 2. Dezember 1848.

Nach der Niederschlagung der Märzrevolution erschütterten weitere revolutionäre Erhebungen das Kaisertum Österreich. Die Ereignisse des Jahres 1848 verdeutlichten auch die Führungsschwäche Kaiser Ferdinands und zeigten, dass er krankheitsbedingt nahezu regierungsunfähig war.

Am 2. Dezember 1848 legte Ferdinand offiziell die Regierung nieder und Franz Joseph wurde im Thronsaal der fürstbischöflichen Residenz von Olmütz, wohin der Hof aufgrund des Wiener Oktoberaufstands geflohen war, zum neuen Kaiser proklamiert. Der feierliche Staatsakt umfasste neben der Erklärung des Regierungsverzichts Ferdinands die Großjährigkeitserklärung Franz Josephs durch Fürst Schwarzenberg. In seiner Regierungserklärung umriss der neue Souverän seine Herrschaftsvorstellung mit den Worten: …Fest entschlossen den Glanz der Krone ungetrübt zu erhalten, aber bereit, Unsere Rechte mit den Vertretern Unserer Völker zu teilen, rechnen Wir darauf, dass es mit Gottes Beistand gelingen werde, alle Länder und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu vereinen… Zu seinem Wahlspruch erkor er „Viribus Unitis“ („mit vereinten Kräften“).

Biographien von Franz Joseph I: Franz Herre: Kaiser Franz Joseph von Österreich. Sein Leben – seine Zeit. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1992.
Katrin Unterreiner: Kaiser Franz Joseph 1830–1916. Mythos und Wahrheit. Brandstätter, Wien 2015.
Michaela Vocelka, Karl Vocelka: Franz Joseph I. Kaiser von Österreich und König von Ungarn. Beck, München 2015.
Vermählung von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth von Bayern am 24. April 1854
Leipziger Illustrirte Zeitung, Nr. 22 (1854), S. 268/269; Digital: dhm/lemo.

1853 suchte die dynastiebewusste Erzherzogin Sophie nach einer geeigneten Braut für ihren noch unverheirateten Sohn. Sie fasste eine Verbindung mit dem Haus Wittelsbach ins Auge und gemeinsam mit ihrer Schwester, Herzogin Ludovika in Bayern, wollte sie entweder deren Tochter Helene (genannt Néné) oder Elisabeth (genannt Sisi) mit dem Kaiser vermählen. Im Sommer 1853 traf Franz Joseph seine beiden Cousinen anlässlich seines Geburtstags in Bad Ischl. Unerwartet zog er die 15-jährige Elisabeth ihrer Schwester Helene vor und am 19. August fand die feierliche Verlobung statt.

Am 24. April 1854 erfolgte in der Wiener Augustinerkirche vor 70 Bischöfen und Prälaten die Trauung. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor:

Erzherzogin Sophie Friederike (1855–1857)
Erzherzogin Gisela (1856–1932) ⚭ Leopold von Bayern
Kronprinz Erzherzog Rudolf (1858–1889) ⚭ Stephanie von Belgien
Erzherzogin Marie Valerie (1868–1924) ⚭ Franz Salvator von Österreich-Toskana

Biographie zu Elisabeth von Bayern (Sisi):
Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen. Piper, München 2004
Katrin Unterreiner: Sisi. Mythos und Wahrheit. Verlag Brandstätter, Wien 2005
Richard Reifenscheid:Die Habsburger in Lebensbildern. Eine Familie schreibt Geschichte, Piper, München 2003
Feierliche Krönung zu König und Königing Ungarns in Budapest.

Mit allem Pomp früherer Jahrhunderte erfolgte am 8. Juni 1867 in der Matthiaskirche von Budapest die feierliche Krönung des Königs und der Königin Elisabeth von Ungarn. Elisabeth soll sich in besonderer Weise für den Ausgleich eingesetzt haben. Das Königspaar erhielt anlässlich der Krönung vom ungarischen Staat Schloss Gödöllő zur persönlichen Disposition. Damit war die Versöhnung der Magyaren mit der Dynastie besiegelt.

Literatur zur Geschichte Ungarns: Paul Lendvai: Die Ungarn. Eine tausendjährige Geschichte. Goldmann, München 2001
Leichnam des Kronprinzen Rudolf nach dem Suizid in Mayerling

Kronprinz Rudolf litt unter starken Stimmungsschwankungen. Vermutlich nahm er sich in der Nacht vom 29. auf den 30. Jänner 1889 in Schloss Mayerling durch einen Schuss in den Kopf das Leben. Seine Maitresse, die 17-jährige Baroness Mary Vetsera starb ebenfalls dort. Dem Bericht des Arztes zufolge war sie von Kronprinz Rudolf erschossen worden. Dass die Baroness tatsächlich durch einen Kopfschuss starb, ist inzwischen geklärt. Die Wiener Hofärzte obduzierten den Leichnam des Kronprinzen und attestierten aufgrund pathologischer Befunde des Gehirns, die Tat sei in einem „Zustande von Geistesverwirrung geschehen“, wodurch der Kronprinz mit allen kirchlichen Zeremonien beigesetzt werden konnte. Baroness Mary wurde in das Stift Heiligenkreuz gebracht und auf dem Friedhof der Zisterzienserabtei beerdigt. Ihre Anwesenheit wurde seitens des Hofes bis 1918 in keiner Weise thematisiert.

Literatur: Brigitte Hamann: Kronprinz Rudolf. Ein Leben. Amalthea, Wien 2005
Totenmaske der Kaiserin

Am 10. September 1898 verstirbt die Kaiserin nach einem Attentat in Genf.  Ihrem Wunsch, „am Meer, am liebsten in Korfu“ ihre letzte Ruhestätte zu finden, wurde nicht entsprochen. Als der Leichnam in einem eisgefüllten Sarg in ihrem Salonwagen nach Wien überführt wurde, waren alle Beamten des Kaiserreichs entlang der Strecke verpflichtet, der Toten im Zug die Reverenz zu erweisen. Am 17. September fand die Beisetzung in der Wiener Kapuzinergruft statt. Elisabeths einbalsamierter Leichnam ruht vollständig in der Kapuzinergruft. Dies ist eine Ausnahme, denn bei den meisten Habsburger Herrschern wurde der Leichnam zerteilt: Der Körper wurde in der Kapuzinergruft bestattet, das Herz in der Augustinerkirche und die Eingeweide im Stephansdom. Elisabeths Sarkophag steht heute neben denen von Franz Joseph I. und Kronprinz Rudolf.

Literatur zur Kapuzinergruft und zur Bestattungspraxis des Hauses Habsburg: Gigi Beutler: Führer durch die Kaisergruft bei den PP Kapuzinern zu Wien, Wien 2004.
Magdalena Hawlik-van de Water: Die Kapuzinergruft. Begräbnisstätte der Habsburger in Wien. 2. Auflage, Wien 1993
Der Wagen, ein Doppelphaeton (28/32 PS) von Gräf & Stift, in dem Franz Ferdinand und seine Frau Herzogin Sophie von Hohenberg in Sarajevo erschossen wurden.

Im Rahmen von Manöverbesuchen hielten sich der Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie von Hohenberg im Juni 1914 in Bosnien-Herzegowina auf. Am 28. Juni 1914 statteten sie dessen Hauptstadt Sarajevo einen offiziellen Besuch ab. Die Untergrundorganisation „Mlada Bosna“ plante mit Hilfe von Mitgliedern der serbischen Geheimorganisation „Schwarze Hand“ zu diesem Anlass ein Attentat. Nach einem zunächst fehlschlagenden Attentat mit einer Handgranate tötete der 19-jährige Schüler Gavrilo Princip bald danach den Erzherzog und seine Frau mit zwei Pistolenschüssen, wobei der Thronfolger an der Halsvene und der Luftröhre getroffen wurde, kurz darauf das Bewusstsein verlor und verblutete.

Das Automobil, in dem Franz Ferdinand und seine Frau erschossen wurden, kann im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien besichtigt werden, wobei das Durchschussloch jenes Geschoßes, das Sophie tödlich traf, deutlich zu sehen ist. Ebenso kann die blutüberströmte Uniform des Thronfolgers besichtigt werden (Leihgabe des Erzherzog-Franz-Ferdinand-Museums, Schloss Artstetten). Die von Franz Ferdinand am Tag seiner Ermordung getragenen Orden und Ehrenzeichen befinden sich hingegen auf Schloss Konopiště. Das blutbefleckte Kleid der Herzogin von Hohenberg ist ebenfalls erhalten.

Literatur zu Franz Ferdinand und dem Attentat von Sarajewo:
Alma Hannig: Franz Ferdinand, die Biografie. Amalthea Signum, Wien 2013
Erika Bestenreiner: Franz Ferdinand und Sophie von Hohenberg. Verbotene Liebe am Kaiserhof. Piper, München/Zürich 2004
Jean-Paul Bled: Franz Ferdinand, der eigensinnige Thronfolger, Böhlauverlag, Wien 2013.
Scholler Christiane: Er war mein Urgrossvater. Anita Hohenberg über Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand, Styria, Wien 2011
Frank Gerbert: Endstation Sarajevo, Die letzten sieben Tage des Thronfolgers Franz Ferdinand, Eine Spurensuche von Böhmen bis Bosnien, Wien, 2014
Gregor Mayer: Verschwörung in Sarajevo, Triumpf und Tod des Attentäters Gavrilo Princip, Residenz Verlag, Salzburg-St. Pölten-Wien, 2014
Kaiser Franz Joseph I. in Marschalluniform auf seinem Sterbebett.

Anfang November 1916 weitete sich eine chronische Entzündung der Atemwege Franz Josephs zu einer Lungenentzündung aus. Trotz anhaltend hohem Fieber hielt der 86-Jährige an seinem gewohnten Tagesablauf mit immensem Arbeitspensum fest und empfing am Vormittag des 21. November wie gewohnt Besuche. Gegen Nachmittag verschlechterte sich der Gesundheitszustand rapide, bis Leibarzt Joseph von Kerzl kurz nach 21 Uhr in Gegenwart enger Familienmitglieder des Kaisers, den Tod feststellte.

Anlässlich seines Begräbnisses am 30. November entfaltete die Habsburgermonarchie zum letzten Mal ihren vollen Glanz. Unter dem Glockengeläut sämtlicher Wiener Kirchen und der Anteilnahme tausender Trauernder am Straßenrand wurde der Sarg des verstorbenen Kaisers von der Hofburg zum Requiem in den Stephansdom gebracht. Der Trauerzug führte vom Schweizerhof über den Heldenplatz, dann auf der Ringstraße vorbei an Oper und Kriegsministerium über den Franz-Josefs-Kai und die Rotenturmstraße zum Stephansdom. Großneffe und Nachfolger Karl I. führte den Trauerzug an, dem Vertreter der verbündeten Mächte, sämtlicher deutscher Fürsten und des Hauses Habsburg angehörten. Beigesetzt wurde Franz Joseph an der Seite seiner Ehefrau und seines Sohnes in der Kaisergruft im Wiener Stadtzentrum.

Biographie: John van der Kiste: Franz Joseph I. Kaiser von Österreich. Magnus-Verlag, Essen 2005,
1830
Das Schloss Schönbrunn geht in seiner heutigen Form zunächst auf eine von und für Kaiser Joseph I. geplante Residenz zurück, die Kaiserin Maria Theresia später im 18. Jahrhundert für ihre Familie zur gemütlichen Sommerresidenz umbauen ließ. 1805 und 1809 hielt sich Napoleon mit seinem Gefolge im Schönbrunner Schloss auf, als die Franzosen Wien besetzt hatten. Am 15. Dezember 1805 wurde hier der Vertrag von Schönbrunn zwischen Preußen und Frankreich unterzeichnet und am 14. Oktober 1809 der noch bedeutendere Friede von Schönbrunn zwischen Frankreich und Österreich. 1832 starb hier Napoleons Sohn und einziger legitimer Nachkomme Napoleon Franz Bonaparte, in Österreich als Herzog von Reichstadt geläufig, im Alter von 21 Jahren.

Erzherzog Franz Joseph Karl war der älteste Sohn des Erzherzogs Franz Karl von Österreich und dessen Gemahlin Prinzessin Sophie Friederike von Bayern und wurde am 18. August 1830 auf Schloss Schönbrunn geboren.

Da aus der Ehe des zeugungsunfähigen Thronfolgers Erzherzog Ferdinand (ab 1835 Kaiser) keine Nachkommen zu erwarten waren, sollte dessen nächstälterer Bruder Franz Karl die Erbfolge der Habsburger fortsetzen, weshalb der Geburt von dessen Sohn Franz Joseph am Wiener Hof besondere Bedeutung zugemessen wurde. Franz Karl war nämlich sowohl körperlich als auch geistig von schwacher Konstitution und galt daher für eine Regentschaft als kaum geeignet. Aus diesem Grund wurde Franz Joseph bereits von frühester Kindheit an von seiner politisch ambitionierten Mutter konsequent als potenzieller Nachfolger auf dem Kaiserthron aufgebaut

Litertatur zur Geschichte des Schloss Schönbrunn: Kurt Eigl, Franz Hubmann, Christian Brandstätter: Schönbrunn. Ein Schloß und seine Welt. Wien 1982.
1848
Josef Klaus (1853), Krönung Kaiser Franz Josephs I. im Palast des Erzbischofs von Olmütz am 2. Dezember 1848.

Nach der Niederschlagung der Märzrevolution erschütterten weitere revolutionäre Erhebungen das Kaisertum Österreich. Die Ereignisse des Jahres 1848 verdeutlichten auch die Führungsschwäche Kaiser Ferdinands und zeigten, dass er krankheitsbedingt nahezu regierungsunfähig war.

Am 2. Dezember 1848 legte Ferdinand offiziell die Regierung nieder und Franz Joseph wurde im Thronsaal der fürstbischöflichen Residenz von Olmütz, wohin der Hof aufgrund des Wiener Oktoberaufstands geflohen war, zum neuen Kaiser proklamiert. Der feierliche Staatsakt umfasste neben der Erklärung des Regierungsverzichts Ferdinands die Großjährigkeitserklärung Franz Josephs durch Fürst Schwarzenberg. In seiner Regierungserklärung umriss der neue Souverän seine Herrschaftsvorstellung mit den Worten: …Fest entschlossen den Glanz der Krone ungetrübt zu erhalten, aber bereit, Unsere Rechte mit den Vertretern Unserer Völker zu teilen, rechnen Wir darauf, dass es mit Gottes Beistand gelingen werde, alle Länder und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu vereinen… Zu seinem Wahlspruch erkor er „Viribus Unitis“ („mit vereinten Kräften“).

Biographien von Franz Joseph I: Franz Herre: Kaiser Franz Joseph von Österreich. Sein Leben – seine Zeit. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1992.
Katrin Unterreiner: Kaiser Franz Joseph 1830–1916. Mythos und Wahrheit. Brandstätter, Wien 2015.
Michaela Vocelka, Karl Vocelka: Franz Joseph I. Kaiser von Österreich und König von Ungarn. Beck, München 2015.
1853/54
Vermählung von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth von Bayern am 24. April 1854
Leipziger Illustrirte Zeitung, Nr. 22 (1854), S. 268/269; Digital: dhm/lemo.

1853 suchte die dynastiebewusste Erzherzogin Sophie nach einer geeigneten Braut für ihren noch unverheirateten Sohn. Sie fasste eine Verbindung mit dem Haus Wittelsbach ins Auge und gemeinsam mit ihrer Schwester, Herzogin Ludovika in Bayern, wollte sie entweder deren Tochter Helene (genannt Néné) oder Elisabeth (genannt Sisi) mit dem Kaiser vermählen. Im Sommer 1853 traf Franz Joseph seine beiden Cousinen anlässlich seines Geburtstags in Bad Ischl. Unerwartet zog er die 15-jährige Elisabeth ihrer Schwester Helene vor und am 19. August fand die feierliche Verlobung statt.

Am 24. April 1854 erfolgte in der Wiener Augustinerkirche vor 70 Bischöfen und Prälaten die Trauung. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor:

Erzherzogin Sophie Friederike (1855–1857)
Erzherzogin Gisela (1856–1932) ⚭ Leopold von Bayern
Kronprinz Erzherzog Rudolf (1858–1889) ⚭ Stephanie von Belgien
Erzherzogin Marie Valerie (1868–1924) ⚭ Franz Salvator von Österreich-Toskana

Biographie zu Elisabeth von Bayern (Sisi):
Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen. Piper, München 2004
Katrin Unterreiner: Sisi. Mythos und Wahrheit. Verlag Brandstätter, Wien 2005
Richard Reifenscheid:Die Habsburger in Lebensbildern. Eine Familie schreibt Geschichte, Piper, München 2003
1867
Feierliche Krönung zu König und Königing Ungarns in Budapest.

Mit allem Pomp früherer Jahrhunderte erfolgte am 8. Juni 1867 in der Matthiaskirche von Budapest die feierliche Krönung des Königs und der Königin Elisabeth von Ungarn. Elisabeth soll sich in besonderer Weise für den Ausgleich eingesetzt haben. Das Königspaar erhielt anlässlich der Krönung vom ungarischen Staat Schloss Gödöllő zur persönlichen Disposition. Damit war die Versöhnung der Magyaren mit der Dynastie besiegelt.

Literatur zur Geschichte Ungarns: Paul Lendvai: Die Ungarn. Eine tausendjährige Geschichte. Goldmann, München 2001
1889
Leichnam des Kronprinzen Rudolf nach dem Suizid in Mayerling

Kronprinz Rudolf litt unter starken Stimmungsschwankungen. Vermutlich nahm er sich in der Nacht vom 29. auf den 30. Jänner 1889 in Schloss Mayerling durch einen Schuss in den Kopf das Leben. Seine Maitresse, die 17-jährige Baroness Mary Vetsera starb ebenfalls dort. Dem Bericht des Arztes zufolge war sie von Kronprinz Rudolf erschossen worden. Dass die Baroness tatsächlich durch einen Kopfschuss starb, ist inzwischen geklärt. Die Wiener Hofärzte obduzierten den Leichnam des Kronprinzen und attestierten aufgrund pathologischer Befunde des Gehirns, die Tat sei in einem „Zustande von Geistesverwirrung geschehen“, wodurch der Kronprinz mit allen kirchlichen Zeremonien beigesetzt werden konnte. Baroness Mary wurde in das Stift Heiligenkreuz gebracht und auf dem Friedhof der Zisterzienserabtei beerdigt. Ihre Anwesenheit wurde seitens des Hofes bis 1918 in keiner Weise thematisiert.

Literatur: Brigitte Hamann: Kronprinz Rudolf. Ein Leben. Amalthea, Wien 2005
1898
Totenmaske der Kaiserin

Am 10. September 1898 verstirbt die Kaiserin nach einem Attentat in Genf.  Ihrem Wunsch, „am Meer, am liebsten in Korfu“ ihre letzte Ruhestätte zu finden, wurde nicht entsprochen. Als der Leichnam in einem eisgefüllten Sarg in ihrem Salonwagen nach Wien überführt wurde, waren alle Beamten des Kaiserreichs entlang der Strecke verpflichtet, der Toten im Zug die Reverenz zu erweisen. Am 17. September fand die Beisetzung in der Wiener Kapuzinergruft statt. Elisabeths einbalsamierter Leichnam ruht vollständig in der Kapuzinergruft. Dies ist eine Ausnahme, denn bei den meisten Habsburger Herrschern wurde der Leichnam zerteilt: Der Körper wurde in der Kapuzinergruft bestattet, das Herz in der Augustinerkirche und die Eingeweide im Stephansdom. Elisabeths Sarkophag steht heute neben denen von Franz Joseph I. und Kronprinz Rudolf.

Literatur zur Kapuzinergruft und zur Bestattungspraxis des Hauses Habsburg: Gigi Beutler: Führer durch die Kaisergruft bei den PP Kapuzinern zu Wien, Wien 2004.
Magdalena Hawlik-van de Water: Die Kapuzinergruft. Begräbnisstätte der Habsburger in Wien. 2. Auflage, Wien 1993
1914
Der Wagen, ein Doppelphaeton (28/32 PS) von Gräf & Stift, in dem Franz Ferdinand und seine Frau Herzogin Sophie von Hohenberg in Sarajevo erschossen wurden.

Im Rahmen von Manöverbesuchen hielten sich der Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie von Hohenberg im Juni 1914 in Bosnien-Herzegowina auf. Am 28. Juni 1914 statteten sie dessen Hauptstadt Sarajevo einen offiziellen Besuch ab. Die Untergrundorganisation „Mlada Bosna“ plante mit Hilfe von Mitgliedern der serbischen Geheimorganisation „Schwarze Hand“ zu diesem Anlass ein Attentat. Nach einem zunächst fehlschlagenden Attentat mit einer Handgranate tötete der 19-jährige Schüler Gavrilo Princip bald danach den Erzherzog und seine Frau mit zwei Pistolenschüssen, wobei der Thronfolger an der Halsvene und der Luftröhre getroffen wurde, kurz darauf das Bewusstsein verlor und verblutete.

Das Automobil, in dem Franz Ferdinand und seine Frau erschossen wurden, kann im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien besichtigt werden, wobei das Durchschussloch jenes Geschoßes, das Sophie tödlich traf, deutlich zu sehen ist. Ebenso kann die blutüberströmte Uniform des Thronfolgers besichtigt werden (Leihgabe des Erzherzog-Franz-Ferdinand-Museums, Schloss Artstetten). Die von Franz Ferdinand am Tag seiner Ermordung getragenen Orden und Ehrenzeichen befinden sich hingegen auf Schloss Konopiště. Das blutbefleckte Kleid der Herzogin von Hohenberg ist ebenfalls erhalten.

Literatur zu Franz Ferdinand und dem Attentat von Sarajewo:
Alma Hannig: Franz Ferdinand, die Biografie. Amalthea Signum, Wien 2013
Erika Bestenreiner: Franz Ferdinand und Sophie von Hohenberg. Verbotene Liebe am Kaiserhof. Piper, München/Zürich 2004
Jean-Paul Bled: Franz Ferdinand, der eigensinnige Thronfolger, Böhlauverlag, Wien 2013.
Scholler Christiane: Er war mein Urgrossvater. Anita Hohenberg über Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand, Styria, Wien 2011
Frank Gerbert: Endstation Sarajevo, Die letzten sieben Tage des Thronfolgers Franz Ferdinand, Eine Spurensuche von Böhmen bis Bosnien, Wien, 2014
Gregor Mayer: Verschwörung in Sarajevo, Triumpf und Tod des Attentäters Gavrilo Princip, Residenz Verlag, Salzburg-St. Pölten-Wien, 2014
1916
Kaiser Franz Joseph I. in Marschalluniform auf seinem Sterbebett.

Anfang November 1916 weitete sich eine chronische Entzündung der Atemwege Franz Josephs zu einer Lungenentzündung aus. Trotz anhaltend hohem Fieber hielt der 86-Jährige an seinem gewohnten Tagesablauf mit immensem Arbeitspensum fest und empfing am Vormittag des 21. November wie gewohnt Besuche. Gegen Nachmittag verschlechterte sich der Gesundheitszustand rapide, bis Leibarzt Joseph von Kerzl kurz nach 21 Uhr in Gegenwart enger Familienmitglieder des Kaisers, den Tod feststellte.

Anlässlich seines Begräbnisses am 30. November entfaltete die Habsburgermonarchie zum letzten Mal ihren vollen Glanz. Unter dem Glockengeläut sämtlicher Wiener Kirchen und der Anteilnahme tausender Trauernder am Straßenrand wurde der Sarg des verstorbenen Kaisers von der Hofburg zum Requiem in den Stephansdom gebracht. Der Trauerzug führte vom Schweizerhof über den Heldenplatz, dann auf der Ringstraße vorbei an Oper und Kriegsministerium über den Franz-Josefs-Kai und die Rotenturmstraße zum Stephansdom. Großneffe und Nachfolger Karl I. führte den Trauerzug an, dem Vertreter der verbündeten Mächte, sämtlicher deutscher Fürsten und des Hauses Habsburg angehörten. Beigesetzt wurde Franz Joseph an der Seite seiner Ehefrau und seines Sohnes in der Kaisergruft im Wiener Stadtzentrum.

Biographie: John van der Kiste: Franz Joseph I. Kaiser von Österreich. Magnus-Verlag, Essen 2005,

DER ALTERNDE KAISER

Die Bilder in der voranstehenden Timeline machen es offensichtlich; das Leben von Franz Josef war von Schicksalsschlägen begleitet. Wohl stellte sich nach dem Tod seiner Gattin eine grosse Verbitterung seines Gemüts ein, aber Resignation liess sein monarchisches Amt nicht zu. Die dynastische Thronfolge war gegeben. Nach dem Tod Rudolfs sollte des Kaisers Neffe, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este (1863-1914) dem alternden Franz Josef auf dem Thron folgen. Franz Ferdinand war der Sohn seines zweitältesten Bruders Erzerzog Karl Ludwig ( 1833-1896). Wie den Kaiser erzog deren beiden Mutter Erzherzogin Sophie, Karl Ludwig streng katholisch. Karl litt zunehmend unter religiösem Wahn und segnete Passanten aus der Kutsche heraus. Nach dem Tod des Kronprinzen Rudolf 1889 war er automatisch Thronfolger der österreichisch-ungarischen Monarchie. Karl Ludwig starb 1896 an einer Krankheit, die er sich bei einer Reise nach Ägypten und Palästina zuzog, als er aus religiösen Gründen (verseuchtes) Jordanwasser trank.

Von seinem designierten Nachfolger Franz Ferdinand war der Kaiser aber offensichtlich nicht wirklich begeistert.

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Bemühungen Franz Ferdinand standesgemäss zu vermählen, unter anderen mit Rudolfs Wittwe Kronprinzessin Stephanie, schlugen fehl. 1900 ehelichte Franz Ferdinand die zwar von hohem, böhmischem Adel abstammende, aber eben nicht dem habsburgischen Stand entsprechende Sophie von Chotek (1868-1914). Da sich der Kaiser nicht dazu überwinden konnte, ihre Familie in die Liste der ebenbürtigen Geschlechter aufzunehmen, erlaubte er nach langem Widerstreben nur eine morganatische Heirat unter der Bedingung, dass Sophie nicht „die künftige Kaiserin-Gemahlin“, sondern nur „Gemahlin des künftigen Kaisers“ werde und die späteren Nachkommen des Paares, die den Familiennamen von Hohenberg trugen, keinen Anspruch auf den Thron hätten. Der Titel Füstin und ab 1909 Herzogin von Hohenberg verlieh der Kaiser Sophie anlässlich deren Vermählung 1900.
Franz Ferdinand und seite Gattin Sophie von Hohenberg. Der Thronfolger und seine Gemahlin sollten 1914 in Sarajewo einem Attetant zum Opfer fallen, welches oft als auslösendes Ereignis des Ersten Weltkriegs dargestellt wird. Franz Ferdinand trägt auf diesem Bild von Wilhelm Vita bereits alle Insignien als österreichischer Kaiser. In Anbetracht des hohen Alters von Franz Josef I. musste mit dessen baldigem Ableben gerechnet werden und das kaiserliche Portrait des Nachfolgers lag in grosser Anzahl bereit, um dieses in den k.u.k. Amtsstuben „auszuwechseln“. Neudeutsch bezeichnet handelt es sich bei dieser Abbildung also um „Fake“.

Viel Macht aber nicht mächtig …

Der österreichische Verwaltungsapparat war (und ist) legendär. Unter Franz Josef agierten wohl Tausende von Beamten unterschiedlichsten Rangs und Ordnung. Bei der flächenmässigen Ausdehnung der Monarchie und deren kronlandspezifischen Besonderheiten musste dies wohl auch so sein. Dem Kaiser direkt unterstellt waren seine Minister, selbstverständlich alle adeliger Abstammung mit entsprechendem Titel. Wer über einen nicht ausreichenden „Stammbaum“ verfügte, fiel durch das politische Karrienetz und sollte sich ausnahmsweise mal eine Person niederen Standes durch eine auffallend gute Leistung aufgedrängt haben, wurde dieser kurzum in den Adelsstand erhoben. Die Verleihung von Titeln waren in der k.u.k. Monarchie die preiswerteste Art einer „Lohnerhöhung“. Kostet nichts oder höchstens ein Stück Blech für einen Orden, steigert aber das Ansehen in der Gesellschaft ungemein.

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Mit zunehmendem Alter verlor Franz Josef allerdings immer mehr Einfluss auf seine regierenden Minister, welche zum höflichen Vortrag regelmässig nach Schönbrunn geladen wurden. In welcher Tiefe diese dannzumal anstehende und laufende Regierungsgeschäfte präsentieren wissen wir nicht, sicher aber liessen sie dabei manches Detail aus oder beliessen den Kaiser im Glauben, dass die Monarchie auf Kurs sei. Franz Josef war integrativer Bestandteil der Monarchie, aber er war länger je mehr der einzige integrative Bestandteil.

Im Gegensatz zu vielen politischen Geschäften interessierte sich der Kaiser zeitlebens für die militärischen Angelegenheiten seiner stolzen k.u.k Armee. Er identifizierte sich derart mit seinen Streitkräften, dass Franz Josef nahezu täglich Uniform trug. Abbildungen des Kaisers in zivilem Anzug sind selten, etwa bei der Jagd oder Spaziergängen in Bad Ischl.

Während seinen 68 Regierungsjahren sahr er sich nicht nur als der „erste Beamte der Monarchie“ sondern stets auch als „oberster Befehlshaber der bewaffneten Macht“, welche aus Heer, Kriegsmarine, Landwehr und Landsturm bestand.

vittorio emanuele III. und sein junges Königreich Italien

WEB Vittorio Emanuele III (c. 1924 1934)

Zur Vorgeschichte: Immer wieder Napoleon Bonaparte

1796/97 unterwarf Napoleon Bonaparte im Italienfeldzug grosse Teile Ober- und Mittelitaliens und zwang im Frieden von Campo Formio Österreich und das römisch-deutsche Kaisertum zur Anerkennung seiner Eroberungen und zum Verzicht auf die Lehensrechte in Italien. Österreich erhielt nach der Selbstauflösung der Republik Venedig deren Gebiet. Frankreich gründete im übrigen Italien Vasallenstaaten. Teile Norditaliens wurden zur „Transalpinischen Republik“ zusammengefasst, die dann in Cisalpinische bzw. Cisalpine Republik umbenannt wurde. Genua wurde zur Ligurischen Republik, das 1799 eroberte Königreich Neapel zur Parthenopäischen Republik.

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1799 erlitt Frankreich in Italien eine Niederlage gegen Österreich und Russland. Die französische Herrschaft in Italien brach zusammen, die alte Ordnung (so der Kirchenstaat) wurde zum Teil wiederhergestellt. 1800 kam es zur erneuten französischen Eroberung, Napoleon ließ Italien wieder neu ordnen. Das Großherzogtum Toskana wurde zum Königreich Etrurien, die Cisalpine Republik zur Republik Italien mit Napoleon als erstem Konsul. Piemont blieb unter französischer Militärverwaltung. Nach seiner Kaiserkrönung 1804 wandelte Napoleon die Republik Italien zum Königreich Italien um. Er krönte sich 1805 in Mailand mit der Eisernen Krone zum König von Italien. Im Frieden von Preßburg 1805 nach dem Dritten Koalitionskrieg verlor Österreich das venezianische Gebiet wieder an Frankreich, das den Westteil Venetiens dem Königreich Italien zuschlug und aus dem östlichen Teil (den Gebieten an der östlichen Adria) einen neuen Vasallenstaat formte, die Illyrischen Provinzen. 1806 wurden die Bourbonen erneut aus dem Königreich Neapel verjagt und Napoleons Bruder Joseph dort als Herrscher eingesetzt.

Münze Napoleone
40 Lire-Münze mit dem Portrait Napoleons, dem Kaiser und König, 1808.
Italie 1812
Napoleonische Ordnung in Italien von 1812.

Die Neuordnung von 1815

Durch den Wiener Kongress kam es zur Neuordnung Italiens. Österreich bekam zur Lombardei nun Venetien dazu, das damit seine Unabhängigkeit endgültig verlor; der Kirchenstaat wurde wiederhergestellt, verlor aber Avignon an Frankreich; das Königreich Sardinien bekam die Republik Genua zugesprochen; in Parma-Piacenza und Guastalla wurde Napoleons Frau, die Habsburgerin Marie-Louise, als Herrscherin eingesetzt; Modena-Reggio wurde fortan vom Haus Habsburg-Este regiert; das von einer habsburgischen Nebenlinie regierte Grossherzogtum Toskana wurde wiederhergestellt; die zuvor formal getrennten Königreiche Neapel und Sizilien wurden zum Königreich beider Sizilien vereinigt.

L'impératriceMarie Louise
Marie Louise von Österreich (1791-1847) war die Tochter des österreichischen Kaisers Franz II./I. und wurde 1810 mit Kaiser Napoleon verheiratet. Sie war die Mutter des einzigen, legitimen Sohnes Napoleons. Als Napoleon II. (1811-1832) erhielt dieser den Titel eines Königs von Rom und war nach Napoleons Abdankung kurzfristig titularischer Kaiser der Franzosen. Nach der Restauration des französischen Königreichs durch Ludwig XVIII wurde er von seinem Grossvater Franz I. zum Herzog von Reichstatt ernannt. Seine Mutter wurde 1814 – als Österreicherin – Herzogin von Parma, Piacenza und Guastalla und entwickelte sich bis zu ihrem Tod 1847 zu einer geschätzten Landesmutter.
Italien Wiener Kongress Neu
Die Neuordnung der italienischen Halbinsel nach Abschluss des Wiener Kongresses. Zum einen wurden vornapoleonische Verhältnisse wieder restauriert. So erstarkte der Kirchenstaat (violett) wieder. Das Piemont und Sardinien wurden zum Königreich Sardinien-Piemont zusammengefasst. Der Süden bildete das neue Königreich beider Sizilien, während der Nordosten als Königreich Lombardo-Venetien dem östereichischen Kaiser zugeschlagen wurde. Parma-Piacenza, Modena und das Grosherzogtum Toskana wurden restauriert.

RISORGIMENTO – Unabhängigkeitsbewegungen und Einigungskriege

Nach 1815 war das Königreich Sardinien der letzte bedeutende Staat unter einer einheimischen Dynastie. Italien unterlag weiterhin dem Einfluss fremder Mächte, obwohl durch den Untergang des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1806 „Reichsitalien“ mit den daran hängenden Ansprüchen und Titeln verschwand. Je mehr die (in der Regel ausländischen) Fürsten Italiens nun bestrebt waren, die gesellschaftlichen Verhältnisse auf die Zeit vor Napoleon zurückzudrehen, desto mehr wurde der Korse als fortschrittlicher, anti-absolutistischer Herrscher gesehen.

Der Wunsch, Italien von Fremdherrschaft, Zerstückelung und Absolutismus zu befreien, erfasste immer mehr Menschen. Geheimbünde entstanden, vor allem die in Neapel einflussreichen, gegen die Franzosen kämpfenden und Aufstände organisierenden „Carbonari“ (Köhler). Eine bedeutende Rolle spielten der Publizist Giuseppe Mazzini und die von ihm gegründete Bewegung „Giovane Italia“ (Junges Italien), der sich in den 1830er-Jahren viele ehemalige Mitglieder der Carboneria nach deren weitgehender Zerschlagung anschlossen. Die Carbonari zwangen im Juli 1820 die nach Napoleon zurückgekehrten Spanier unter Ferdinand I. zur Annahme einer Verfassung, die neben Gott das Volk als Souverän und Ursprung der Macht betonte. Sie wurde jedoch nach der Unterdrückung des Aufstands widerrufen. Eine zweite, durch die französische Julirevolution Anfang 1831 ausgelöste Welle von Erhebungen in Modena-Reggio und im Kirchenstaat scheiterte ebenfalls.

 

Führungsrolle Piemonts, gescheiterte Revolutionen

Das vergleichsweise liberal regierte Königreich Sardinien-Piemont, das 1848 die Emanzipation der Juden und eine Verfassung durchsetzte, machte sich die Forderung nach einer Einigung Italiens zu eigen, es kam zu den Italienischen Unabhängigkeitskriegen.

Nach mehrtägigen Straßen- und Barrikadenkämpfen kam es im Revolutionsjahr 1848 zur Bildung provisorischer Regierungen in Mailand (18. bis 22. März 1848), Venedig (17. März 1848 bis 22. August 1849) und Palermo, dessen Parlament Sizilien für unabhängig erklärte (12. Januar 1848 bis 15. Mai 1849). Im folgenden Jahr erhob sich die Bevölkerung der ewigen Stadt gegen die weltliche Herrschaft des Papstes, woraufhin die von einem Triumvirat regierte Römische Republik (9. Februar bis 4. Juli 1849) ausgerufen wurde.

Die Revolutionen wurden allesamt niedergeschlagen; die Armee Sardinien-Piemonts, dessen König Karl Albert am 24. März 1848 Österreich den Krieg erklärt hatte, wurde im Juli 1848 bei Custozza und nach Wiederaufnahme des Kriegs im März des Folgejahrs bei Novara von den Österreichern unter Radetzky geschlagen. Der Monarch dankte daraufhin zugunsten seines Sohnes Viktor Emanuel II. ab. In der Folge kam es zur Restauration der Herrschaft der Bourbonen, Österreichs und Papst Pius’ IX.

Der zweite und dritte Unabhängigkeitskrieg

Die legendären, für Italien verlustreichen Schlachten bei Custozza, Novara und … bildeten den Auftakt zu einer Serie von weiteren Auseinandersetzungen mit Österreich an deren Ende das habsburgische Kaiserreich die Lombardei an das sich fortlaufend einigende Italien fiel.

CarloAlberto
Karl Albert (1798-1849) erklärte Österreich am 24. März 1848 als König von Sardinien den Krieg.
Radetzky Von Radetz
Der greise Feldmarschall Radetzky (1766-1858) zerschlug den Aufstand der sardisch-piemontesischen Streitkräfte.
Ritratto Di S.M. Vittorio Emanuele II
Nach dem gescheiterten Aufstand dankte Karl Albert zugunsten seines Sohnes Victor Emanuel II ab.

Timeline VII: Die italienischen Unabhängigkeitskriege und deren Folgen

Die legendären, für Italien verlustreichen Schlachten bei Custozza, Novara und … bildeten den Auftakt zu einer Serie von weiteren Auseinandersetzungen mit Österreich an deren Ende das habsburgische Kaiserreich die Lombardei an das sich fortlaufend einigende Italien abtreten musste.

Felice Cerruti Bauduc, 1858, „Der Angriff auf die genuesische Kavallerie (Cavalleria Genovesa) bei Volta“ (nahe Mantua)

 

In der Ersten Schlacht bei Custozza (1848) besiegte das österreichische Heer unter Radetzky die sardisch-piemontesischen Truppen rund 20 km westlich von Verona. 33’000 Kaiserliche standen 22’000 „Italienern“  am 25. Juli 1848 gegenüber. In den Tagen zuvor und danach fanden eigentliche Seitengefechte bei Sona und Sommacampagna (23. und 24. 7.) bzw. bei Volta (26./27.7.) Der Sieg bei Custozza sollte noch nicht den finalen Entscheid zugunsten Österreichs bringen, führte aber zum endgültigen Ruhm des österreichischen Feldherrn, welchem Johann Strauss Vater sein bekanntestes Werk, den weltweit bekannten Radetzkymarsch widmete, der noch gleichen Jahres uraufgeführt wurde. Literarisch setzte ihm Franz Grillparzer noch vor der bevorstehenden Schlacht im Juni 1848 durch seinem Radetzky-Loblied ein Denkmal: „Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich! Nicht bloß um des Ruhmes Schimmer, In deinem Lager ist Österreich, Wir andern sind einzelne Trümmer.“

 

Literatur: Gabriele B. Clemens: Geschichte des Risorgimento. Italiens Weg in die Moderne (1770–1870) (= Italien in der Moderne. Band 27). Böhlau, Köln 2021; Zu Custozza spezifisch: Pieri, Piero . Storia militare del Risorgimento: guerre e insurrezioni. 1962, Torino.

 

Albrecht Adam, 1855 „Feldmarschall Radetzky und sein Stab bei Novarra am 23. März 1849“

Die am 23. März 1849 ausgetragene Schlacht bei Novara sollte das vorläufige Ende der militärisch ausgetragenen Unabhängigkeistbestrebungen Italiens darstellen. Nochmals war es Radetzky, der österreichischerseits die Zügel in der Hand hielt. 57’000 Angehörige der sardischen Truppen stiessen auf dem Schlachtfeld zwischen Mailand und Turin auf 51’000 Kaiserliche, beritten und zu Fuss. Das Verhältnis an Geschützen lag aber auf österreichischer Seite. Radetzky siegte ein letztes Mal in einer entscheidenden Schlacht und Lombardei-Venetien blieb vorerst unter österreichischer Herrschaft. Nach dieser Niederlage folgte die Abdankung von Carlo Alberto Amadeo von Sardinen-Piemont zugunsten seines Sohnes Vittorio Emanuele.

Zu Radezky: Franz Herre: Radetzky. Eine Biographie. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1981
George Peter Alexander Healy, 1871, Portrait von Papst Pius IX. (Giovanni Maria Mastai Ferretti). In sein Pontifikat (1846 bis 1878) – mit 31 Jahren und 8 Monaten das längste nachweisbare – fallen die Verkündung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, das Erste Vatikanische Konzil mit der Propagierung des päpstlichen Jurisdiktionsprimats und der päpstlichen Unfehlbarkeit sowie der Verlust des Kirchenstaates an das Königreich Italien.

Im Februar 1849 riefen italienisch Radikale in Rom die Römische Republik aus und enthronten Papst Pius IX. (1792-1878), den Herrscher der Stadt. Der König von Neapel und der französische Präsident Louis Napoleon – der spätere Kaiser Napoleon III. – entsandten Truppen zur Wiedereinsetzung des Papstes. Seitens der Republick herrschte ein Triumphirat, welche im April durch den Zuzug Garibaldis Legion Unterstützung erhielt. Diese Freischärler waren allerdings schecht gerüstet, konnten einem ersten Sturm der Franzosen und Neapoletaner erfolgreich entgegentreten. Nach einem Monat der Belagerung der ewigen Stadt gelang es den Franzosen am 3. Juli in Rom einzudringen und Pius IX. wieder in Amt und Würde einzuführen. Garibaldi war es gelungen, 4000 Freiwilige noch vor Einzug der Franzosen aus der Stadt herauszuführen.


Litertaur: Bernd Rill: Die Geschichte des Kirchenstaates. Cäsaren mit der Tiara. Universitas Verlag, München 2012
Darstellung der Schlacht von Mangenta, Adolphe Yvon (1863)

In der Schlacht von Mangeta vom 4. Juni 1859 erlitt das habsburgische Heer eine erste Niederlage im Zuge des zweiten Unabhängigkeitskrieges Italiens, der auch als sardischer Krieg in die Geschichte einging. Nach dem Rücktritt von Radetzky führte der neue Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen in Italien, Ferenzc Joszef Gyulay die 62’000 Kaiserlichen mit weit weniger Erfolg in den Feldzug gegen die sardisch-piemontesische Armee, welche nun durch Frankreich unter Napoleon III. eine namhafte Verstärkung erhielt. Mit rund 10’000 Mann weniger als der österreichische Gegner besiegte General Mac Mahon Gyulys Truppen wenige Kilometer westlich von Mailand.

Literatur: Helmuth Karl Bernhard von Moltke: Der italienische Feldzug des Jahres 1859. Redigirt von der historischen Abtheilung des Generalstabes der Königlich-Preußischen Armee. 2, vermehrte Auflage, Berlin 1863, Digitalisat
Carlo Bossoli, „Solferino 1859“,  24. Juni 1859 – ca. 14 Uhr: Fazit der Schlacht von Solferino. Die Kräfte der Abteilung „Forey“ und Division „De Ladmirault“ nehmen das Schloss und die Festung von Solferino in Besitz.

In der Schlacht von Solferino versetzte Napoleon III. an der Spitze der sardisch-französischen Streitkräfte am 24. Juni 1859 dem österreichischen Heer, welches direkt unter dem Kommando des damals 29jährigen Kaisers Franz Josef I. den entscheidenden Schlag. An der Schlacht beteiligten sich 152’000 Soldaten auf der Seite Napoleons und 130’000 kaiserliche unter Franz Josef. Die Verluste waren ausserordentlich: Sardinien-Piemont / Frankreich hatte 15’000 Gefallene und Verwundete zu beklagen, weitere 2000 galten nach der Schlacht als vermisst; auf österreichischer Seite beliefen sich die Zahlen auf 14’000 Betroffene der Kategorie „Gefallen oder Verwundet“ und von 8000 Armeeangehörigen fehlte abends jede Spur.

Am Abend des 24. Juni 1859 kam Henri Dunant (1828-1910) in Solferino vorbei. Noch immer lagen etwa 38.000 Verwundete, Sterbende und Tote auf dem Schlachtfeld, ohne dass ihnen jemand Hilfe leistete. Zutiefst erschüttert davon, was er sah, organisierte er spontan mit Freiwilligen aus der örtlichen Zivilbevölkerung, hauptsächlich Frauen und Mädchen, die notdürftige Versorgung der verwundeten und kranken Soldaten. In der Kleinstadt Castiglione delle Stiviere in unmittelbarer Nähe zu Solferino richtete er mit anderen Helfern in der Chiesa Maggiore, der grössten Kirche des Ortes, ein Behelfshospital ein. Hier wurden etwa 500 der insgesamt etwa 8.000 bis 10.000 Verwundeten versorgt, die nach Castiglione gebracht worden waren.

Wie er schnell feststellte, fehlte es an fast allem: an Helfern, an Fachwissen und an medizinischem Material und Verpflegung. Dunant und die seinem Aufruf folgenden Helfer machten bei ihrer Hilfeleistung keinen Unterschied zwischen den Soldaten hinsichtlich ihrer nationalen Zugehörigkeit. Berühmt für diese Einstellung wurde die Losung „Tutti fratelli“ (ital. Alle sind Brüder) der Frauen Castigliones. Es gelang Dunant darüber hinaus, von den Franzosen gefangengenommene österreichische Armeeärzte für die Versorgung der Verletzten freigestellt zu bekommen. Er richtete Behelfskrankenhäuser ein und liess auf seine Kosten Verbandsmaterial und Hilfsgüter herbeischaffen. Angesichts dieser Katastrophe gründete er 1863 In Genf das heutige Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in dessen Folge 1864 die erste Genfer Konvention zu „Massnahmen zur Verbesserung der Hilfe für im Felde verwundete Soldaten“. Hier einigte man sich auch auf ein einheitliches Symbol zum Schutz der Verwundeten und des Hilfspersonals: das leicht und weithin erkennbare Rote Kreuz auf weissem Grund, die Umkehrung der Schweizer Flagge. Erster Präsident des IKRK war der erste General der Schweiz seit deren Staatsgründung 1848, Henri Guillaume Dufour – und seit Gründung des Roten Kreuzes steht diese gemeinnützige Organisation stand und steht stehr unter Führung eines Schweizers.

Literatur: Ulrich Ladurner: Solferino. Kleine Geschichte eines großen Schauplatzes. Residenz Verlag, St. Pölten 2009
Henri Dunant, Eine Erinnerung an Solferino, (französischer Originaltitel: Un souvenir de Solférino), die Aufzeichnung aus dem Jahr 1862, die den Autor zur Gründung der Rotkreuzbewegung (IKRK) bewog.
Als Zug der Tausend (italienisch spedizione dei Mille) bezeichnet man den Marsch einer 1067 Mann starken Truppe aus Freiwilligen, wegen ihrer Uniformierung Rothemden genannt, die unter der Führung von Giuseppe Garibaldi am 11. Mai 1860 auf Sizilien landete und im Zuge des Risorgimentos die süditalienische Insel von der Herrschaft der Bourbonen befreite.

Nach dem „Sardinischen Krieg“ und dem Waffenstillstand von Villafranca kam es Ende 1859 und vor allem im April 1860 auf Sizilien zu Volksaufständen gegen die Bourbonen, die von Anhängern Giuseppe Mazzinis angeführt wurden. Sie verlangten eine Intervention des Königreichs Sardinien, was aber sowohl König Viktor Emanuel II. als auch Ministerpräsident Cavour offiziell ablehnten. Zwar fürchteten sie eine republikanische Wendung der italienischen Einigungsbewegung, doch unterstützten sie de facto zusammen mit England heimlich die Intervention Garibaldis und seiner tausend Freiwilligen, die im weiteren Verlauf durch weitere Freiwillige aus Sizilien und Neapel, sowie durch piemontesische Soldaten in Zivil verstärkt wurden.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 1860 schifften sich „die Tausend“ in Quarto bei Genua auf zwei von der sardinischen Regierung gecharterte Schiffeund  fuhren zunächst nach Talamone und Porto Santo Stefano in der Toskana, wo sie Proviant, Waffen und Kohle erhielten.  Am 11. Mai landeten sie unter dem Schutz zweier britischer Kriegsschiffe nahe der westsizilianischen Stadt Marsala und versuchten, Palermo durch das Landesinnere zu erreichen. Am 15. Mai kam es zwischen Marsala und Palermo zur Schlacht von Calatafimi, in der die „Rothemden“ beinahe unterlagen. Am 27. Mai gelang nach einem heftigen Gefecht beim „Ponte dell’Ammiraglio“ der Einzug in Palermo. Bei Milazzo schlug Garibaldi die neapolitanische Armee am 20. Juli erneut und sicherte sich definitiv die Kontrolle über die Insel. Auf seinem weiteren Vormarsch auf dem Festland stellte sich Garibaldi kein weiterer Widerstand entgegen. Erst im Oktober versuchte der König von Neapel die „Rothemden“ in Kampanien zu schlagen, scheiterte aber in der Schlacht am Volturno. Nach der Sprengung der Festung in Gaeta mussten die Bourbonen kapitulieren.

Die Regierung in Turin geriet nun in Unruhe, weil man um die Vorrechte des Hauses Savoyen im neuen Italien fürchtete. Garibaldis Erfolge im Süden hätten die Republik zur Folge haben können. Sein ungestümer Revolutionsgeist machte auch vor Rom und dem Papst nicht halt, was wie schon 1849 zu einer internationalen Intervention führen konnte. Um dies zu verhindern, entsandte die piemontesische Regierung Truppen nach Süden, die am 18. September 1860 zunächst bei Castelfidardo (Ancona) die päpstlichen Truppen schlugen und sich anschließend mit Garibaldis Freischaren vereinigten. Der Kirchenstaat wurde damit auf das Gebiet um Rom verkleinert. Am 26. Oktober 1860 fand in Teano bei Neapel das berühmte Treffen zwischen Viktor Emanuel II. und Garibaldi statt. Garibaldi grüßte Viktor Emanuel als „König von Italien“ und tat somit seinem politischen Gegenspieler Cavour den Gefallen, auf eigene politische Ambitionen zu verzichten und dem Haus Savoyen die Krone Italiens zu sichern.

Das Monumento Nazionale a Vittorio Emanuele II (Nationaldenkmal für Viktor Emanuel II.), in der Regel Vittoriano oder Altare della Patria (Altar des Vaterlands) genannt, ist ein 1927 vollendetes Nationaldenkmal in Rom. Es ist dem ersten König des neugegründeten Königreichs Italien, Viktor Emanuel II. aus dem Haus Savoyen, gewidmet und zählt zu den Staatssymbolen der Italienischen Republik. In dem Gebäude befindet sich das Museo del Risorgimento, das an die italienische Staatsgründungsbewegung im 19. Jahrhundert erinnert.

Viktor Emanuel II., mit vollem Namen Vittorio Emanuele Maria Alberto Eugenio Ferdinando Tommaso di Savoia, italienisch Vittorio Emanuele II. (* 1820 in Turin; † 1878 in Rom) aus dem Haus Savoyen war von 1849 bis 1861 König von Sardinien-Piemont.

Gemeinsam mit seinem Premierminister Camillo Benso von Cavour stellte sich Viktor Emanuel an die Spitze der italienischen Einigungsbewegung, an dessen Ende die Schaffung eines geeinten Nationalstaates stand. Am 17. März 1861 nahm er den Titel König von Italien an und regierte das Land bis zu seinem Tod im Jahre 1878. Ihm folgte sein Sohn Umberto I. (Regierungszeit 1878-1900). Während des Ersten Weltkriegs sollte dann Vittorio Emanuel III. die Geschicke des Landes leiten.

Die Schlacht bei Custozza (1866), der letzte grosse Triumph Österreich-Ungarns über Italien

Im Dritten Italienischen Unabhängigkeitskrieg kam es am 24. Juni 1866 zur zweiten Schlacht bei Custozza zwischen Italien und dem Kaisertum Österreich. Italiens Heer verlor zwar diese Schlacht, konnte aber infolge eines Geheimabkommens mit Preußen nach der Niederlage Österreichs im Deutschen Krieg (Entscheidung in der Schlacht bei Königggrätz  am 3. Juli 1866) trotzdem die begehrte Provinz Venetien in sein Territorium eingliedern. Zur Reihe dieser vorerst letzten Auseinandersetzung mit Österreich zählt auch die drei Tage zuvor ausgetragene, für die kaiserliche Marine unter Wilhelm von Tegetthoff erfolgreiche Seeschlacht bei Lissa, (heute Kroatien) sowie die Schlacht bei Bezzecca, in welcher Garibaldis Freischärler einen Erfolg davontragen konnten.

Österreich zog sich entsprechende aus Venetien zurück und etablierte seine neue Reichsgrenze nördlich bei Trient. Der Grenzverlauf wurde durch eine stattliche Anzahl von Befestigungsanlagen gesichert, die dann im Verlauf der Auseinandersetzung während des Ersten Weltkriegs an Bedeutung gewinnen sollten. Das italienischsprachige Gebiete weiterhin unter Einfluss Österreichs standen, befeuerte die Anhänger des „Irredentismus“, eine Bewegung die zum Ziel hatte, dass alle italienischsprachigen Bevölkerungsgruppen dem neuen Staat zugeführt werden sollten.

1848
Felice Cerruti Bauduc, 1858, „Der Angriff auf die genuesische Kavallerie (Cavalleria Genovesa) bei Volta“ (nahe Mantua)

 

In der Ersten Schlacht bei Custozza (1848) besiegte das österreichische Heer unter Radetzky die sardisch-piemontesischen Truppen rund 20 km westlich von Verona. 33’000 Kaiserliche standen 22’000 „Italienern“  am 25. Juli 1848 gegenüber. In den Tagen zuvor und danach fanden eigentliche Seitengefechte bei Sona und Sommacampagna (23. und 24. 7.) bzw. bei Volta (26./27.7.) Der Sieg bei Custozza sollte noch nicht den finalen Entscheid zugunsten Österreichs bringen, führte aber zum endgültigen Ruhm des österreichischen Feldherrn, welchem Johann Strauss Vater sein bekanntestes Werk, den weltweit bekannten Radetzkymarsch widmete, der noch gleichen Jahres uraufgeführt wurde. Literarisch setzte ihm Franz Grillparzer noch vor der bevorstehenden Schlacht im Juni 1848 durch seinem Radetzky-Loblied ein Denkmal: „Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich! Nicht bloß um des Ruhmes Schimmer, In deinem Lager ist Österreich, Wir andern sind einzelne Trümmer.“

 

Literatur: Gabriele B. Clemens: Geschichte des Risorgimento. Italiens Weg in die Moderne (1770–1870) (= Italien in der Moderne. Band 27). Böhlau, Köln 2021; Zu Custozza spezifisch: Pieri, Piero . Storia militare del Risorgimento: guerre e insurrezioni. 1962, Torino.

 

1849
Albrecht Adam, 1855 „Feldmarschall Radetzky und sein Stab bei Novarra am 23. März 1849“

Die am 23. März 1849 ausgetragene Schlacht bei Novara sollte das vorläufige Ende der militärisch ausgetragenen Unabhängigkeistbestrebungen Italiens darstellen. Nochmals war es Radetzky, der österreichischerseits die Zügel in der Hand hielt. 57’000 Angehörige der sardischen Truppen stiessen auf dem Schlachtfeld zwischen Mailand und Turin auf 51’000 Kaiserliche, beritten und zu Fuss. Das Verhältnis an Geschützen lag aber auf österreichischer Seite. Radetzky siegte ein letztes Mal in einer entscheidenden Schlacht und Lombardei-Venetien blieb vorerst unter österreichischer Herrschaft. Nach dieser Niederlage folgte die Abdankung von Carlo Alberto Amadeo von Sardinen-Piemont zugunsten seines Sohnes Vittorio Emanuele.

Zu Radezky: Franz Herre: Radetzky. Eine Biographie. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1981
1849
George Peter Alexander Healy, 1871, Portrait von Papst Pius IX. (Giovanni Maria Mastai Ferretti). In sein Pontifikat (1846 bis 1878) – mit 31 Jahren und 8 Monaten das längste nachweisbare – fallen die Verkündung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, das Erste Vatikanische Konzil mit der Propagierung des päpstlichen Jurisdiktionsprimats und der päpstlichen Unfehlbarkeit sowie der Verlust des Kirchenstaates an das Königreich Italien.

Im Februar 1849 riefen italienisch Radikale in Rom die Römische Republik aus und enthronten Papst Pius IX. (1792-1878), den Herrscher der Stadt. Der König von Neapel und der französische Präsident Louis Napoleon – der spätere Kaiser Napoleon III. – entsandten Truppen zur Wiedereinsetzung des Papstes. Seitens der Republick herrschte ein Triumphirat, welche im April durch den Zuzug Garibaldis Legion Unterstützung erhielt. Diese Freischärler waren allerdings schecht gerüstet, konnten einem ersten Sturm der Franzosen und Neapoletaner erfolgreich entgegentreten. Nach einem Monat der Belagerung der ewigen Stadt gelang es den Franzosen am 3. Juli in Rom einzudringen und Pius IX. wieder in Amt und Würde einzuführen. Garibaldi war es gelungen, 4000 Freiwilige noch vor Einzug der Franzosen aus der Stadt herauszuführen.


Litertaur: Bernd Rill: Die Geschichte des Kirchenstaates. Cäsaren mit der Tiara. Universitas Verlag, München 2012
1859
Darstellung der Schlacht von Mangenta, Adolphe Yvon (1863)

In der Schlacht von Mangeta vom 4. Juni 1859 erlitt das habsburgische Heer eine erste Niederlage im Zuge des zweiten Unabhängigkeitskrieges Italiens, der auch als sardischer Krieg in die Geschichte einging. Nach dem Rücktritt von Radetzky führte der neue Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen in Italien, Ferenzc Joszef Gyulay die 62’000 Kaiserlichen mit weit weniger Erfolg in den Feldzug gegen die sardisch-piemontesische Armee, welche nun durch Frankreich unter Napoleon III. eine namhafte Verstärkung erhielt. Mit rund 10’000 Mann weniger als der österreichische Gegner besiegte General Mac Mahon Gyulys Truppen wenige Kilometer westlich von Mailand.

Literatur: Helmuth Karl Bernhard von Moltke: Der italienische Feldzug des Jahres 1859. Redigirt von der historischen Abtheilung des Generalstabes der Königlich-Preußischen Armee. 2, vermehrte Auflage, Berlin 1863, Digitalisat
1859
Carlo Bossoli, „Solferino 1859“,  24. Juni 1859 – ca. 14 Uhr: Fazit der Schlacht von Solferino. Die Kräfte der Abteilung „Forey“ und Division „De Ladmirault“ nehmen das Schloss und die Festung von Solferino in Besitz.

In der Schlacht von Solferino versetzte Napoleon III. an der Spitze der sardisch-französischen Streitkräfte am 24. Juni 1859 dem österreichischen Heer, welches direkt unter dem Kommando des damals 29jährigen Kaisers Franz Josef I. den entscheidenden Schlag. An der Schlacht beteiligten sich 152’000 Soldaten auf der Seite Napoleons und 130’000 kaiserliche unter Franz Josef. Die Verluste waren ausserordentlich: Sardinien-Piemont / Frankreich hatte 15’000 Gefallene und Verwundete zu beklagen, weitere 2000 galten nach der Schlacht als vermisst; auf österreichischer Seite beliefen sich die Zahlen auf 14’000 Betroffene der Kategorie „Gefallen oder Verwundet“ und von 8000 Armeeangehörigen fehlte abends jede Spur.

Am Abend des 24. Juni 1859 kam Henri Dunant (1828-1910) in Solferino vorbei. Noch immer lagen etwa 38.000 Verwundete, Sterbende und Tote auf dem Schlachtfeld, ohne dass ihnen jemand Hilfe leistete. Zutiefst erschüttert davon, was er sah, organisierte er spontan mit Freiwilligen aus der örtlichen Zivilbevölkerung, hauptsächlich Frauen und Mädchen, die notdürftige Versorgung der verwundeten und kranken Soldaten. In der Kleinstadt Castiglione delle Stiviere in unmittelbarer Nähe zu Solferino richtete er mit anderen Helfern in der Chiesa Maggiore, der grössten Kirche des Ortes, ein Behelfshospital ein. Hier wurden etwa 500 der insgesamt etwa 8.000 bis 10.000 Verwundeten versorgt, die nach Castiglione gebracht worden waren.

Wie er schnell feststellte, fehlte es an fast allem: an Helfern, an Fachwissen und an medizinischem Material und Verpflegung. Dunant und die seinem Aufruf folgenden Helfer machten bei ihrer Hilfeleistung keinen Unterschied zwischen den Soldaten hinsichtlich ihrer nationalen Zugehörigkeit. Berühmt für diese Einstellung wurde die Losung „Tutti fratelli“ (ital. Alle sind Brüder) der Frauen Castigliones. Es gelang Dunant darüber hinaus, von den Franzosen gefangengenommene österreichische Armeeärzte für die Versorgung der Verletzten freigestellt zu bekommen. Er richtete Behelfskrankenhäuser ein und liess auf seine Kosten Verbandsmaterial und Hilfsgüter herbeischaffen. Angesichts dieser Katastrophe gründete er 1863 In Genf das heutige Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in dessen Folge 1864 die erste Genfer Konvention zu „Massnahmen zur Verbesserung der Hilfe für im Felde verwundete Soldaten“. Hier einigte man sich auch auf ein einheitliches Symbol zum Schutz der Verwundeten und des Hilfspersonals: das leicht und weithin erkennbare Rote Kreuz auf weissem Grund, die Umkehrung der Schweizer Flagge. Erster Präsident des IKRK war der erste General der Schweiz seit deren Staatsgründung 1848, Henri Guillaume Dufour – und seit Gründung des Roten Kreuzes steht diese gemeinnützige Organisation stand und steht stehr unter Führung eines Schweizers.

Literatur: Ulrich Ladurner: Solferino. Kleine Geschichte eines großen Schauplatzes. Residenz Verlag, St. Pölten 2009
Henri Dunant, Eine Erinnerung an Solferino, (französischer Originaltitel: Un souvenir de Solférino), die Aufzeichnung aus dem Jahr 1862, die den Autor zur Gründung der Rotkreuzbewegung (IKRK) bewog.
1860
Als Zug der Tausend (italienisch spedizione dei Mille) bezeichnet man den Marsch einer 1067 Mann starken Truppe aus Freiwilligen, wegen ihrer Uniformierung Rothemden genannt, die unter der Führung von Giuseppe Garibaldi am 11. Mai 1860 auf Sizilien landete und im Zuge des Risorgimentos die süditalienische Insel von der Herrschaft der Bourbonen befreite.

Nach dem „Sardinischen Krieg“ und dem Waffenstillstand von Villafranca kam es Ende 1859 und vor allem im April 1860 auf Sizilien zu Volksaufständen gegen die Bourbonen, die von Anhängern Giuseppe Mazzinis angeführt wurden. Sie verlangten eine Intervention des Königreichs Sardinien, was aber sowohl König Viktor Emanuel II. als auch Ministerpräsident Cavour offiziell ablehnten. Zwar fürchteten sie eine republikanische Wendung der italienischen Einigungsbewegung, doch unterstützten sie de facto zusammen mit England heimlich die Intervention Garibaldis und seiner tausend Freiwilligen, die im weiteren Verlauf durch weitere Freiwillige aus Sizilien und Neapel, sowie durch piemontesische Soldaten in Zivil verstärkt wurden.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 1860 schifften sich „die Tausend“ in Quarto bei Genua auf zwei von der sardinischen Regierung gecharterte Schiffeund  fuhren zunächst nach Talamone und Porto Santo Stefano in der Toskana, wo sie Proviant, Waffen und Kohle erhielten.  Am 11. Mai landeten sie unter dem Schutz zweier britischer Kriegsschiffe nahe der westsizilianischen Stadt Marsala und versuchten, Palermo durch das Landesinnere zu erreichen. Am 15. Mai kam es zwischen Marsala und Palermo zur Schlacht von Calatafimi, in der die „Rothemden“ beinahe unterlagen. Am 27. Mai gelang nach einem heftigen Gefecht beim „Ponte dell’Ammiraglio“ der Einzug in Palermo. Bei Milazzo schlug Garibaldi die neapolitanische Armee am 20. Juli erneut und sicherte sich definitiv die Kontrolle über die Insel. Auf seinem weiteren Vormarsch auf dem Festland stellte sich Garibaldi kein weiterer Widerstand entgegen. Erst im Oktober versuchte der König von Neapel die „Rothemden“ in Kampanien zu schlagen, scheiterte aber in der Schlacht am Volturno. Nach der Sprengung der Festung in Gaeta mussten die Bourbonen kapitulieren.

Die Regierung in Turin geriet nun in Unruhe, weil man um die Vorrechte des Hauses Savoyen im neuen Italien fürchtete. Garibaldis Erfolge im Süden hätten die Republik zur Folge haben können. Sein ungestümer Revolutionsgeist machte auch vor Rom und dem Papst nicht halt, was wie schon 1849 zu einer internationalen Intervention führen konnte. Um dies zu verhindern, entsandte die piemontesische Regierung Truppen nach Süden, die am 18. September 1860 zunächst bei Castelfidardo (Ancona) die päpstlichen Truppen schlugen und sich anschließend mit Garibaldis Freischaren vereinigten. Der Kirchenstaat wurde damit auf das Gebiet um Rom verkleinert. Am 26. Oktober 1860 fand in Teano bei Neapel das berühmte Treffen zwischen Viktor Emanuel II. und Garibaldi statt. Garibaldi grüßte Viktor Emanuel als „König von Italien“ und tat somit seinem politischen Gegenspieler Cavour den Gefallen, auf eigene politische Ambitionen zu verzichten und dem Haus Savoyen die Krone Italiens zu sichern.

1861
Das Monumento Nazionale a Vittorio Emanuele II (Nationaldenkmal für Viktor Emanuel II.), in der Regel Vittoriano oder Altare della Patria (Altar des Vaterlands) genannt, ist ein 1927 vollendetes Nationaldenkmal in Rom. Es ist dem ersten König des neugegründeten Königreichs Italien, Viktor Emanuel II. aus dem Haus Savoyen, gewidmet und zählt zu den Staatssymbolen der Italienischen Republik. In dem Gebäude befindet sich das Museo del Risorgimento, das an die italienische Staatsgründungsbewegung im 19. Jahrhundert erinnert.

Viktor Emanuel II., mit vollem Namen Vittorio Emanuele Maria Alberto Eugenio Ferdinando Tommaso di Savoia, italienisch Vittorio Emanuele II. (* 1820 in Turin; † 1878 in Rom) aus dem Haus Savoyen war von 1849 bis 1861 König von Sardinien-Piemont.

Gemeinsam mit seinem Premierminister Camillo Benso von Cavour stellte sich Viktor Emanuel an die Spitze der italienischen Einigungsbewegung, an dessen Ende die Schaffung eines geeinten Nationalstaates stand. Am 17. März 1861 nahm er den Titel König von Italien an und regierte das Land bis zu seinem Tod im Jahre 1878. Ihm folgte sein Sohn Umberto I. (Regierungszeit 1878-1900). Während des Ersten Weltkriegs sollte dann Vittorio Emanuel III. die Geschicke des Landes leiten.

1866
Die Schlacht bei Custozza (1866), der letzte grosse Triumph Österreich-Ungarns über Italien

Im Dritten Italienischen Unabhängigkeitskrieg kam es am 24. Juni 1866 zur zweiten Schlacht bei Custozza zwischen Italien und dem Kaisertum Österreich. Italiens Heer verlor zwar diese Schlacht, konnte aber infolge eines Geheimabkommens mit Preußen nach der Niederlage Österreichs im Deutschen Krieg (Entscheidung in der Schlacht bei Königggrätz  am 3. Juli 1866) trotzdem die begehrte Provinz Venetien in sein Territorium eingliedern. Zur Reihe dieser vorerst letzten Auseinandersetzung mit Österreich zählt auch die drei Tage zuvor ausgetragene, für die kaiserliche Marine unter Wilhelm von Tegetthoff erfolgreiche Seeschlacht bei Lissa, (heute Kroatien) sowie die Schlacht bei Bezzecca, in welcher Garibaldis Freischärler einen Erfolg davontragen konnten.

Österreich zog sich entsprechende aus Venetien zurück und etablierte seine neue Reichsgrenze nördlich bei Trient. Der Grenzverlauf wurde durch eine stattliche Anzahl von Befestigungsanlagen gesichert, die dann im Verlauf der Auseinandersetzung während des Ersten Weltkriegs an Bedeutung gewinnen sollten. Das italienischsprachige Gebiete weiterhin unter Einfluss Österreichs standen, befeuerte die Anhänger des „Irredentismus“, eine Bewegung die zum Ziel hatte, dass alle italienischsprachigen Bevölkerungsgruppen dem neuen Staat zugeführt werden sollten.

Köpfe der Einigungsbewegung

Giuseppe Garibaldi Neu
Giuseppe Garibaldi (1807 in Rom – 1882 auf Caprera)  ist unbetritten der bekannteste Freiheitskämpfer und Proagoniset des Risorgimento zwischen 1820 und 1870.

Unbestritten: Garibaldi ist die Nr. 1 und bis heute der „Shootingstar“ unter den Freiheitskämpfern. Es gibt wohl in Italien vom kleinsten Flecken bis zur Millionenstadt keinen Ort, der nicht zumindest über einen, nach ihm benannten Platz, eine Strasse oder eines Restaurants oder Hotels verfügt. Internetbasierte Suchmaschinen weisen weltweit unter Angabe der entsprechenden Begriffen eine Unzahl an Adressen und Referenzen aus.

Aber auch sein ideologischer Vorbereiter Mazzini und der im Sinne der Machterhaltung des Hauses Savoyen handelnde Ministerpräsident Cavour verfügen über eine ähnlich grosse Reputation im heutigen Italien.

Die Benennung von Plätzen, Strassen und Wegen in Erinnerung an diese Protagonisten des Risorgiment0 im heute deutschsprachigen Teil Italiens ist die Folge der nach 1919 einsetzenden Italianisierungsmassnahmen in Südtirol. Das ist aber eine andere Geschichte.

Mazzini Neu
Giuseppe Mazzini (* 1805 in Genua; † 1872 in Pisa). Mazzinis politisches Ziel war das Selbstbestimmungsrecht der europäischen Völker und insbesondere die Unabhängigkeit und Einigung der italienischen Staaten. Mazzini strebte die italienische Einigung in einer Republik an, die er nur durch die revolutionäre Erhebung des Volkes und die Vertreibung der fremden Besatzungsmächte als möglich erachtete. Zu Beginn des Sardinischen Krieges im Mai 1859 stellte Mazzini sich gegen das Bündnis Sardiniens mit Frankreich, weil König Viktor Emanuel II. Frankreich für seine Unterstützung die Abtretung Savoyens und Nizzas zugesagt hatte.bMazzini unterstützte im Mai 1860 Giuseppe Garibaldis Expedition zur Befreiung Siziliens mit dem sogenannten „Zug der Tausend“ und legte ihm nahe, auch Rom und Venedig zu befreien.
Camillo Benso Conte Di Cavour Neu
Camillo Benso Graf von Cavour ; (* 1810 in Turin; † 1861 ebenda) war ein italienischer Staatsmann und Unternehmer. Als Ministerpräsident des Königreichs Sardinien trieb er die italienische Einheit voran, war danach Architekt der italienischen Verfassung und erster Ministerpräsident des neuen Königreiches Italien.

Mehmed V. – der kranke Mann am Bosporus

Web Sultan Mehmed V Of The Ottoman Empire Cropped

Mehmed V. Reşad – auch Mohammed V.  (* 2. November 1844 in Konstantinopel; † 3. Juli 1918 ebenda) war vom 27. April 1909 bis zu seinem Tod Sultan des Osmanischen Reiches und Kalif der Muslime. Er folgte seinem Bruder Abdülhamid II. nach, der zuvor von den Jungtürken zum Rücktritt gezwungen worden war.

Mehmed war ein Sohn Abdülmecids I., seine Mutter war Gülcemal Kadın Efendi. Ihm wurden Ambitionen auf den Thron nachgesagt, so dass sein regierender Bruder Abdülhamid II. ihn von der Öffentlichkeit und der politischen Macht abzuschotten versuchte.

Während der Regierung seines Bruders Abdülhamid II. war Mehmed Reşad politischer Gefangener. Er lebte 45 Jahre in strengem Gewahrsam in seinem im nördlichen Istanbul auf der europäischen Seite gelegenen Sindschirli Kuju-Palast). Diese lange Gefangenschaft hatte die physischen und geistigen Kräfte Mehmed Reşads gebrochen, so dass er zur Zeit der Absetzung seines Bruders ein apathischer, siecher, zu jedweder Arbeit unfähiger Greis war. Eben deshalb jedoch war er für die Jungtürken, welche selbst regieren und durch den Monarchen nicht beeinträchtigt werden wollten, ein erwünschter Thronkandidat.

Im Sommer 1908 wurde Abdülhamid von den Jungtürken dazu gezwungen, die osmanische Verfassung von 1876 in Kraft zu setzen und die eigene Macht zu begrenzen. Als der Sultan im folgenden Jahr dies wieder rückgängig zu machen versuchte, setzten die Jungtürken ihn am 27. April 1909 endgültig ab und ersetzten ihn durch Mehmed, der im Alter von 64 Jahren Sultan und Kalif wurde.

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Dessen Regierungszeit war durch Rückschläge für das Osmanische Reich und der Manifestation des Begriffes des „kranken Mannes am Bosporus“ gekennzeichnet. Am Anfang seiner Herrschaft musste er die österreichische Annexion Bosniens und der Herzegowina sowie die Unabhängigkeit Bulgariens anerkennen. Die letzten nordafrikanischen Besitzungen westlich von Ägypten verlor er bis 1912 an Italien. Ägypten selbst stand nur noch formell unter osmanischer Herrschaft und wurde de facto von den Briten kontrolliert. Es folgten Aufstände in Albanien und die beiden Balkankriege 1912 und 1913, die die osmanische Herrschaft dort beendeten. Kurz darauf gelang es Mehmed V., ein kleineres Gebiet um Adrianopel zurückzuerobern und 1914 mit dem Russischen Reich per Vertrag den Grenzverlauf in Armenien friedlich festzulegen.

Am 2. August 1914 schloss Mehmed V. ein Defensivbündnis mit dem Deutschen Reich gegen Russland. Er versuchte zunächst, im beginnenden Ersten Weltkrieg neutral zu bleiben; auf Druck der Jungtürken trat er Anfang Oktober 1914 in den Krieg aufseiten der Mittelmächte ein und ernannte Enver Pascha zum Kriegsminister. Nach dem Verlust Zyperns und Ägyptens gelang es Mehmed V., eine stabile Defensive gegen die Briten am Suezkanal und im Irak aufzubauen. Russland eroberte zwar Armenien, doch wurde dies später im Frieden von Brest-Litowsk wieder rückgängig gemacht. In der letzten Phase des Krieges gingen schließlich Syrien, Palästina und das Zweistromland verloren.

Am 1. Februar 1916 wurde Mehmed V. zum Generalfeldmarschall des Deutschen Reichs ernannt und am 19. Mai 1918 – im Zuge eines Staatsbesuchs Kaiser Karls I. in Istanbul – zum Feldmarschall Österreich-Ungarns.

Mehmed V. starb am 3. Juli 1918 im Alter von 73 Jahren, vier Monate vor dem Ende des Ersten Weltkrieges. Laut Arztbericht hatte er zunächst eine Woche lang leichte Verdauungsbeschwerden, ab 25. Juni aber heftiges Fieber – beides typische Symptome der Spanischen Grippe, die damals in Europa wütete. Das Fieber mit zuletzt 39,5 °C verschärfte die schon vorher vorhandene Zuckerkrankheit. Den Untergang des Osmanischen Reiches erlebte er nicht mehr. Als (letzter) Sultan und Kalif folgte ihm sein Halbbruder Mehmed VI.

Das Osmanische Reich in seiner prächtigsten Ausdehnung. Anfang des 20. Jahrhunderts sollte der rasche Untergang seinen Anfang nehmen. Bild: Wikipedia

„Aufstieg und untergang des osmanischen Reichs“

Es mag dem Verständnis dienen, wenn die nachfolgende Zeitleiste weit früher einsetzt und sich nicht ausschliesslich auf das 19. Jahrhundert beschränkt. Wir setzen nicht gerade bei den Märchen rund um „Tausend und eine Nacht“ ein, aber der Konflikt zwischen Orient und Oxident, zwischen Islam und Christentum prägt Europa spätestens seit der maurischen Invasion auf der iberischen Halbinsel (al-Andalus) 711 und sollte während 781 Jahren (bis 1492) in unterschiedlicher Ausdehnung anhalten. Es bleibt allerdings zu erwähnen, dass die Iberische Besetzung mit dem Osmanischen Reich nichts zu tun hatte, muss aber im Hinblick auf die mittelalterliche Phobie vor den „Andersgläubigen“, die letztlich die blutigen Kreuzzüge zur Folge hatten zumindest berücksichtigt werden. 

Timeline IIX: „der Aufstieg des osmanischen Reichs“

Die Reichsteilung von 395. Im Gebiet des oströmischen Reichs (Byzanz) sollen die Osmanen in der Folge an Macht gewinnen.

Unter der sogenannten Reichsteilung von 395 n. Chr. versteht man die nach dem Tod von Theodosius I. erfolgte Teilung des Imperium Romanum in eine westliche und eine östliche Hälfte, in der jeweils ein Kaiser residierte. Der erste oströmische Kaiser war Theodosius’ älterer Sohn Arcadius, der erste weströmische Kaiser sein jüngerer Sohn Honorius. Kaiserresidenz des Ostens war Konstantinopel, im Westen residierte der Hof zunächst in Mailand, später dann meist in Ravenna sowie vereinzelt auch in Rom.

West- und Ostrom waren im 5. Jahrhundert allerdings nicht etwa zwei voneinander unabhängige Reiche, sondern bildeten nach damaligem Verständnis weiterhin gemeinsam das unteilbare Imperium Romanum. So gab es weiterhin auch nur ein einziges römisches Bürgerrecht (civitas Romana). Es ist daher zutreffender, statt von einer Reichsteilung von einer Teilung der Herrschaft im Römischen Reich zu sprechen, auch wenn es nach 395 in vielerlei Hinsicht zu einer langsamen Auseinanderentwicklung der beiden Reichshälften kam.

Literatur: Hans-Georg Beck: Das Byzantinische Jahrtausend. C.H. Beck, München 1994
Die Ausdehnung des byzantinishen Reichs um 550 n. Chr.

Das Byzantinische Reich, verkürzt auch nur Byzanz, oder das Oströmische Reich bzw. Ostrom war ein Kaiserreich im östlichen Mittelmeerraum. Die Bezeichnungen sind modernen Ursprungs, für Zeitgenossen handelte es sich zunächst um die östliche Hälfte des spätantiken Römischen Reiches, das bei der sogenannten Reichsteilung von 395 in zwei Verwaltungseinheiten mit je einem Kaiser unterteilt wurde. Erst nach dem Untergang des Weströmischen Reichs im späten 5. Jahrhundert wurde Ostrom zum Nachfolger des stets ungeteilten Imperiums. Das von der Hauptstadt Konstantinopel – auch „Byzanz“ genannt – aus regierte Reich erstreckte sich während seiner größten Ausdehnung Mitte des sechsten Jahrhunderts inklusive rückeroberter Teile des untergegangenen Westreichs von Südspanien, Italien und der Balkanhalbinsel bis zur Arabischen Halbinsel und nach Nordafrika, war aber seit dem siebten Jahrhundert weitgehend auf Kleinasien und Südosteuropa beschränkt. Mit der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen im Jahr 1453 endete das Byzantinische Reich.

Literatur: Hans-Georg Beck: Das Byzantinische Jahrtausend. C.H. Beck, München 19
Die islamische Expansion bis zu den Umayyaden 750.
Dunkelgründ: Der Islam bis zum Tod Mohammends (622–632)
Grün: Eroberungen der vier „rechtgeleiteten Kalifen“ (632–661)
Hellgrün: Eroberungen der Umayyaden (661–750)

Die islamische Expansion bezeichnet im Folgenden die Eroberungen der Araber von der Mitte der 630er Jahre an und die damit einhergehende Ausdehnung des Islams bis ins 8. Jahrhundert hinein. Mit dem Beginn der islamischen Expansion wird häufig auch das Ende der Antike angesetzt.

In den 630er Jahren begann der Angriff der Araber auf das Oströmische bzw. Byzantinische Reich und das neupersische Sassanidenreich, wobei beide spätantiken Großmächte von einem langjährigen Krieg gegeneinander stark geschwächt waren. Die Oströmer verloren 636 Palästina und Syrien, 640/42 Ägypten und bis 698 ganz Nordafrika an die Araber. Während die Oströmer ein Restreich mit dem Schwerpunkt Kleinasien und Balkan halten konnten, ging das Sassanidenreich 651 unter. In den folgenden Jahrzehnten griffen die Araber auch zur See an. Sie eroberten zu Beginn des 8. Jahrhunderts das Westgotenreich auf der Iberischen Halbinsel und drangen im Osten bis nach Zentralasien vor.

Mehrere Städte ergaben sich oft kampflos bzw. nach Verhandlungen den neuen Herren. Christen, Zoroastrier und Juden durften als „Leute des Buches“ ihren Glauben behalten, mussten aber Sondersteuern entrichten und Restriktionen bei der Glaubensausübung akzeptieren. Die Islamisierung der eroberten Gebiete verlief unterschiedlich schnell und ging zunächst eher langsam voran; noch gut 300 Jahre nach der militärischen Eroberung stellten Muslime in vielen Teilen des Reiches nicht die Mehrheit.

Der arabische Vormarsch konnte schließlich im Osten von den Byzantinern gestoppt werden, während den Arabern im Westen nur kleinere Vorstöße in das Frankenreich gelangen. Damit begann im Frühmittelalter die fortdauernde Teilung Europas und des Mittelmeerraums in einen islamischen und einen christlichen Teil, der seinerseits in einen lateinischen Westen und einen von Byzanz dominierten griechischen Osten zerfiel.

Literatur: Lutz Berger: Die Entstehung des Islam. Die ersten hundert Jahre. C.H. Beck, München 2016. Albrecht Noth: Früher Islam. In: Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt. 3. erweiterte Auflage. Beck, München 1994.
Das Kerngebiet des in der Folge an Macht gewinnenden Reiches, das den Namen seines ersten Sultans, Osman tragen sollte.

Das Jahr 1299 wird traditionell als das Gründungsjahr des Osmanischen Reiches angesehen. Mit den ersten Eroberungen Osmans im Westen geriet seine Herrschaft ins Blickfeld der byzantinischen Chroniken. Als erster byzantinischer Historiker berichtete Georgios Pachymeres von einem osmanischen Sieg über eine byzantinische Armee: Am 27. Juli 1302 siegten die Osmanen in der Schlacht von Bapheus (Koyunhisar); dieser Tag wird seither als der Tag der Dynastiegründung angesehen

Literatur: Suraiya Faroqhi: Geschichte des Osmanischen Reiches. 6. Auflage. C.H. Beck, München 2014.
Klaus Kreiser: Der Osmanische Staat 1300–1922. Aktualisierte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008
Osman Gazi I.; * 1258 in Söğüt; gestorben. 1326 oder nach anderen Angaben 1324 ebenda war der Gründer der osmanischen Dynastie und des Osmanischen Reiches.

Osman Gazi war von Beginn an daran interessiert, die Christen in seinen eroberten Ländern zu beschützen. Diese Neigung von Osman gilt als einer der Gründe für die rasche Vergrößerung des osmanischen Reichs. Der türkische Geschichtsschreiber Aschikpaschazade verzeichnete dazu mehrere Zitate von Osman. Osman hatte sich bereits früh zum Beschützer der Christen vor den Plünderungen des benachbarten Fürstentums der Germiyan ernannt. Osmanische Quellen machen deutlich, dass Istimalet (Schutz und Respekt von Fremden, um Sympathien zu ernten) eine große Bedeutung für den Erfolg der osmanischen Eroberungen und die Vergrößerung des Reichs hatte. Islamrechtlich galten die Christen als Dhimmi. Die Wegbegleiter von Osman waren zu einem Teil Garib (Fremdlinge/Überläufer). Bei Oruc ist verzeichnet: „diese Osmanen mögen die Fremdlinge“. Anders als sein Vater führte Osman oft den Dschihad gegen die Christen im benachbarten Kaiserreich Nikaia, aber auch mit den benachbarten muslimischen Stämmen führte er regelmäßig Krieg und plünderte ihre Ansiedlungen. Durch seine Eroberungen, etwa von İnegöl, Bilecik und Yenişehir vergrößerte er sein Herrschaftsgebiet, das ursprünglich nur etwa 1500 km² umfasste, auf schließlich 18.000 km². Osman war Vasall der Rum-Seldschuken, die ihrerseits den mongolischen Ilchanen botmäßig waren. Obwohl er den Mongolen jährlich Steuern zahlte, gibt es doch Anzeichen, dass er für sein Herrschaftsgebiet zunehmend Souveränität in Anspruch nahm: So nannte er sich Emir und ließ sich ab etwa 1299 während der Chutba namentlich erwähnen, was nach islamischer Rechtsauffassung nur unabhängigen Herrschern zusteht.

Die im Rahmen der osmanisch-byzantinischen Kriege eroberten Ländereien gab er als Lehen an Verwandte, Freunde, Militärführer und verdiente Gazis. Dadurch wurde die bis dahin halbnomadische Lebensweise seines Stammes beendet und die Grundlage für das spätere Feudalwesen des Osmanischen Reichs gelegt. Auch setzte er einen ersten Beylerbey als Oberkommandierenden des neuen stehenden Heeres ein, das das Stammeskriegertum seiner Anfangsjahre ersetzte.

In die Reihe der osmanisch-byzantinischen Kriege und der in diese Phase fallenden „Kreuzzüge“ fallen nachfolgenden Schlachten:

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Die Belagerung Nikomedias, dem heutigen Izmit (1333-1337)

  • unbekannte Zahl an Osmanen gegen Byzantiner mit unklarem Ausgang und unbekannter Zahl an Verlusten
  • Nikomedias wird Ende der Belagerung zur Hauptstadt des osmanischen Reichs

Der Kreuzzug nach Nikopolis (1396)

  • 16’000 Christen gegen 20’000 Osmanen schlagen sich am 25. September nahe Nikopol (heutiges Bulgarien)
  • die Osmanen gehen siegreich aus der Schlacht, verzeichnen aber mehr Verluste, als das unterlegene Heer der Christen.

Der Kreuzzug nach Varna (1444)

  • 30’000 Ungaren und deren Verbündete treffen am 10. November auf geschätzte 60’000 Osmanen
  • Sieg der Osmanen mit einer unbekannten, aber sehr grossen Zahl an Verlusten auf ungarischer Seite

Die Belagerung und Einnahme von Konstantinopel (1453)

  • 80’000 Osmanen belagern die 7’000 byzantinischen Krieger in der Hauptstadt Byzanz (Konstantinopel bzw Istanbul) vom 6. April bis 29. Mai.
  • Konstantinopel fällt in die Hände der Osmanen

Literatur: Ernst Werner: Die Geburt einer Grossmacht – Die Osmanen. Ein Beitrag zur Genesis des türkischen Feudalismus. 4. Auflage. Böhlau, Wien 1985.
 Die Schlacht auf dem Kosovo polje (Amselfeld) 1389, Adam Stefanović, 1870

Im Rahmen des osmanisch-serbischen Krieges kommt es am 15. Juni 1389 zur bis heute von Legenden und Mythen begleiteten Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo polje) nahe Pristina im heutigen Kosovo.

Der Konflikt entstand aus dem offensiven Vorgehen der Osmanen gegen die verbliebenen unabhängigen christlichen Reiche auf der Balkanhalbinsel. Murad I. versuchte, die serbischen Fürstentümer der Oberhoheit des Osmanischen Reiches zu unterwerfen. Damit wäre das letzte Hindernis zur Übernahme des Byzantinischen Reiches mit dessen Hauptstadt Konstantinopel beseitigt gewesen.

Die Schlacht, in der die Anführer beider Streitmächte fielen, endete ohne eindeutigen Sieger. Im Ergebnis war aber der Widerstand der serbischen Fürsten gegen die osmanische Expansion in den nachfolgenden Jahren entscheidend geschwächt. Serbische Verbündete, wie das Fürstentum der Lazarevići, mussten die Oberhoheit und Vorherrschaft der Osmanen anerkennen, der sich einzig Vuk Branković als Fürst auf dem Territorium des heutigen Kosovo auch nach der Schlacht widersetzte.

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Obwohl das Byzantinische Reich nicht an der Schlacht beteiligt war, schied es durch die Schwächung der serbischen Verbündeten und deren Anerkennung der Oberhoheit der Osmanen endgültig als Machtfaktor in Südosteuropa aus. Byzanz wandte sich Rom zu, um mit der Unterstützung des christlichen Europas die endgültige Unterwerfung Konstantinopels abzuwenden.

Das Ereignis wurde in der Überlieferung schon bald durch Prozesse der Legendenbildung in Volksdichtung, sowie insbesondere in der Rezeption der serbisch-orthodoxen Kirche im Amselfeld-Kult in einer stark mythologisierten Form weitergegeben. Im Genre der über Jahrhunderte von Guslaren in Begleitung der Gusle oral überlieferten Kosovo-Epen formten sich in der Abwandlung von zeitgenössischen Chroniken und Historiographien in den Volksüberlieferungen die Leitthemen des Martyriums Lazars, dem Verrat Vuk Brankovićs und der Heldentat Miloš Obilićs zum Nationalmythos Serbiens, in dem die Illusion eines türkischen Sieges, durch ökonomischen und militärischen Antrieb die Balkanhalbinsel dem Einfluss des Osmanischen Reiches zu unterwerfen, bald durch die historische Realität verwirklicht wurde.Jedoch ist die Meinung, das Serbische Reich wäre auf dem Amselfeld untergegangen, fundamental falsch, da der Staat auch danach für weitere sieben Jahrzehnte bestand und dabei sowohl ökonomisch wie auch kulturell wiederauflebte.

Der am 15. Juni in Serbien gefeierte Vidovdan ist der Gedenktag der Schlacht. Der in der Schlacht gefallene Fürst Lazar wurde schon 1390 oder 1391 heiliggesprochen und ist einer der wichtigsten Heiligen der serbisch-orthodoxen Kirche.

Literatur: Malte Olschewski: Der Krieg um den Kosovo. Serbiens neue Schlacht am Amselfeld. Nidda Verlag, Bad Vilbel 1999.
Malte Olschewski: Der serbische Mythos. Die verspätete Nation. Herbig, München 1998
Die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571

Die Schlacht von Lepanto ist ein weiteres Ereignis, welches im Rahmen der osmanischen Eroberungskriege von Bedeutung ist. Byzanz als vormalig herrschendes Reich war nach dem Fall von Konstantinopel (1453) von unwesentlicher Bedeutung. Als Widersacher der Osmanen traten nun Safawiden (in Persien), Mamelucken (in Ägypten), Ritter des Johanitterordens (auf Rhodos), Ungaren, Kreuzfahrer (in Tunesien)  und bald schon die Truppen der Heiligen Liga und in deren Gefolge auch die habsburgischen Streitkräfte in Aktion. Die osmanische Expansion sollte bis 1683 anhalten.

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In die Reihe dieser osmanischen Eroberungskriege lassen sich einordnen:

Die Schlacht bei Tschaldiran 1514

  • 60’00 Osmanen stellen sich am 23. August ca. 50’000 Safawiden nahe Täbris (der heutigen Hauptstadt von Ost-Aserbeitschan, Iran) und besiegen die Perser.
  • Die hohen Verluste verteilen sich ausgeglichen auf die beiden Konfliktparteien.

Die Schlacht bei Raydaniya 1517

  • Am 22. Januar schlagen 40’000 Osmanen die gleiche Anzahl an Malmelucken unweit von Kairo in der arabischen Wüste.
  • Den Verlusten von 6’000 Osmanen stehen  7’000 Malmaluken gegenüb er, Kairo wird Teil des osmanischen Reichs.

Die Belagerung und Einnahme der Insel Rhodos 1522

  • Von Juni bis Dezember belagern 100’000 Osmanen die christiliche Festung auf Rhodos, welche von 7’000 Johanittern verteidigt wirt.
  • 50’000 Osmanen fallen, 5200 Gefallene sind auf christlicher Seite zu beklagen. Da seitens anderer christlichen Mächte eine Unterstützung der Inselfestung ausbleibt, übergeben die Johanitter schliesslich die Festung unter Zusicherung des freien Abzugs.

Die Belagerung Maltas 1565

  • Nach dem Rückzug der Johaniitter von Rhodos errichten diese auf der Insel Malta ein neues Hauptquartier.
  • Von Mai bis September belagert eine ungewisse Anzahl (30’000-60’000) Osmanen die 14’000 Verteidiger, ohne letztlich die Insel zu besetzen.
  • Die Verteidiger beklagen 5000, die Osmanen 24’000 Gefallene

Osmanische Eroberung Ungarns

In der Schlacht bei Mohács erlitt das Heer des Königreiches Ungarn unter König Ludwig II. und Pál Tomori am 29. August 1526 gegen die Osmanische Armee unter Süleyman I. bei Mohács in Südungarn eine vernichtende Niederlage. Die Osmanen konnten wenig später große Teile Ungarns und Kroatiens erobern.

In die Reihe der osmanisch-habsburgischen Kriege fallen

Die erste Belagerung Wiens 1529

Die Erste Wiener Türkenbelagerung oder Erste Wiener Osmanenbelagerung war ein Höhepunkt der Türkenkriege zwischen dem Osmanischen Reich und den christlichen Staaten Europas. Sie fand im Rahmen des ersten österreichischen Türkenkrieges statt. Vom 27. September bis zum 14. Oktober 1529 schlossen osmanische Truppen unter dem Kommando von Sultan Süleyman I. dem Prächtigen Wien ein, das damals Hauptstadt der Habsburgischen Erblande und eine der größten Städte Mitteleuropas war. Unterstützt von anderen Truppen des Heiligen Römischen Reichs konnten sich die Verteidiger behaupten.

Die Schlacht um Tunis 1535

  • Der Hafen von Tunis wurde seitens der Osmanen nach 1534 als wichtigester Stützpunkt der Piraterie genutzt, nachdem es ihnen gelungen war, die küstennahen Landstriche handstreichartig zu besetzen.
  • Kaiser Karl V. versammelte ein Kreuzfahrerheer, um die Stadt zurückzuerobern und überquerte das Mittlemeer im Schutz der genuesischen Flotte. Nach einer Belagerungszeit nahmen die kaiserlichen Truppen zunächst den Hafen von La Goleta ein um dann Tunis den Osmanen wieder zu entreissen. Der Plünderung der Stadt sollten rund 30’000 Einwohner zum Opfer fallen.

Literatur: Klaus Kreiser: Der Osmanische Staat 1300–1922. Aktualisierte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008. R.G. Grant, Kriege und Schlachten, 5000 Jahre Militärgeschichte, Weltbild-Verlag, Augsburg, 2014.
Das osmanischen Reich in seiner grössten Ausdehnung 1683. In hellgrüner Farbe dargestellt sind die Vasallenstaaten, namentlich: Zentral-Ungarn, Transsilvanien, die Wallachei, Moldawien, südwestliche Gebiete der heutigen Ukraine, die Krim und der Landstrich um das asowsche Meer. Karte: Wikipedia.

Zur Zeit seiner größten Ausdehnung im 17. Jahrhundert erstreckte es sich das Reich von seinen Kernlanden Kleinasien und Rumelien nordwärts bis in das Gebiet um das Schwarze und das Asowsche Meer, westwärts bis weit nach Südosteuropa hinein. Jahrhundertelang beanspruchte das Osmanische Reich politisch, militärisch und wirtschaftlich eine europäische Großmachtrolle neben dem Heiligen Römischen Reich, Frankreich und England. Im Mittelmeer kämpfte das Reich mit den italienischen Republiken Venedig und Genua, dem Kirchenstaat und dem Malteserorden um die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung. Ab dem späten 17. bis ins späte 19. Jahrhundert hinein rang es mit dem Russischen Kaiserreich um die Herrschaft über die Schwarzmeerregion.

In Vorderasien beherrschten die Osmanen mit Syrien, dem Gebiet des heutigen Irak und dem Hedschas (mit den heiligen Städten Mekka und Medina) die historischen Kernlande des Islam, in Nordafrika unterstand das Gebiet von Nubien über Oberägypten westwärts bis zum mittleren Atlasgebirge der osmanischen Herrschaft. In der islamischen Welt stellte das Osmanische Reich nach dem Umayyaden- und Abbasidenreich die dritte und letzte sunnitische Großmacht dar. Nachdem in Persien die Dynastie der Safawiden die Schia als Staatsreligion durchgesetzt hatte, setzten beide Reiche den alten innerislamischen Konflikt zwischen beiden islamischen Bekenntnissen in drei großen Kriegen fort.

Literatur: Suraiya Faroqhi: Geschichte des Osmanischen Reiches. 6. Auflage. C.H. Beck, München 2014
395
Die Reichsteilung von 395. Im Gebiet des oströmischen Reichs (Byzanz) sollen die Osmanen in der Folge an Macht gewinnen.

Unter der sogenannten Reichsteilung von 395 n. Chr. versteht man die nach dem Tod von Theodosius I. erfolgte Teilung des Imperium Romanum in eine westliche und eine östliche Hälfte, in der jeweils ein Kaiser residierte. Der erste oströmische Kaiser war Theodosius’ älterer Sohn Arcadius, der erste weströmische Kaiser sein jüngerer Sohn Honorius. Kaiserresidenz des Ostens war Konstantinopel, im Westen residierte der Hof zunächst in Mailand, später dann meist in Ravenna sowie vereinzelt auch in Rom.

West- und Ostrom waren im 5. Jahrhundert allerdings nicht etwa zwei voneinander unabhängige Reiche, sondern bildeten nach damaligem Verständnis weiterhin gemeinsam das unteilbare Imperium Romanum. So gab es weiterhin auch nur ein einziges römisches Bürgerrecht (civitas Romana). Es ist daher zutreffender, statt von einer Reichsteilung von einer Teilung der Herrschaft im Römischen Reich zu sprechen, auch wenn es nach 395 in vielerlei Hinsicht zu einer langsamen Auseinanderentwicklung der beiden Reichshälften kam.

Literatur: Hans-Georg Beck: Das Byzantinische Jahrtausend. C.H. Beck, München 1994
550
Die Ausdehnung des byzantinishen Reichs um 550 n. Chr.

Das Byzantinische Reich, verkürzt auch nur Byzanz, oder das Oströmische Reich bzw. Ostrom war ein Kaiserreich im östlichen Mittelmeerraum. Die Bezeichnungen sind modernen Ursprungs, für Zeitgenossen handelte es sich zunächst um die östliche Hälfte des spätantiken Römischen Reiches, das bei der sogenannten Reichsteilung von 395 in zwei Verwaltungseinheiten mit je einem Kaiser unterteilt wurde. Erst nach dem Untergang des Weströmischen Reichs im späten 5. Jahrhundert wurde Ostrom zum Nachfolger des stets ungeteilten Imperiums. Das von der Hauptstadt Konstantinopel – auch „Byzanz“ genannt – aus regierte Reich erstreckte sich während seiner größten Ausdehnung Mitte des sechsten Jahrhunderts inklusive rückeroberter Teile des untergegangenen Westreichs von Südspanien, Italien und der Balkanhalbinsel bis zur Arabischen Halbinsel und nach Nordafrika, war aber seit dem siebten Jahrhundert weitgehend auf Kleinasien und Südosteuropa beschränkt. Mit der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen im Jahr 1453 endete das Byzantinische Reich.

Literatur: Hans-Georg Beck: Das Byzantinische Jahrtausend. C.H. Beck, München 19
620-750
Die islamische Expansion bis zu den Umayyaden 750.
Dunkelgründ: Der Islam bis zum Tod Mohammends (622–632)
Grün: Eroberungen der vier „rechtgeleiteten Kalifen“ (632–661)
Hellgrün: Eroberungen der Umayyaden (661–750)

Die islamische Expansion bezeichnet im Folgenden die Eroberungen der Araber von der Mitte der 630er Jahre an und die damit einhergehende Ausdehnung des Islams bis ins 8. Jahrhundert hinein. Mit dem Beginn der islamischen Expansion wird häufig auch das Ende der Antike angesetzt.

In den 630er Jahren begann der Angriff der Araber auf das Oströmische bzw. Byzantinische Reich und das neupersische Sassanidenreich, wobei beide spätantiken Großmächte von einem langjährigen Krieg gegeneinander stark geschwächt waren. Die Oströmer verloren 636 Palästina und Syrien, 640/42 Ägypten und bis 698 ganz Nordafrika an die Araber. Während die Oströmer ein Restreich mit dem Schwerpunkt Kleinasien und Balkan halten konnten, ging das Sassanidenreich 651 unter. In den folgenden Jahrzehnten griffen die Araber auch zur See an. Sie eroberten zu Beginn des 8. Jahrhunderts das Westgotenreich auf der Iberischen Halbinsel und drangen im Osten bis nach Zentralasien vor.

Mehrere Städte ergaben sich oft kampflos bzw. nach Verhandlungen den neuen Herren. Christen, Zoroastrier und Juden durften als „Leute des Buches“ ihren Glauben behalten, mussten aber Sondersteuern entrichten und Restriktionen bei der Glaubensausübung akzeptieren. Die Islamisierung der eroberten Gebiete verlief unterschiedlich schnell und ging zunächst eher langsam voran; noch gut 300 Jahre nach der militärischen Eroberung stellten Muslime in vielen Teilen des Reiches nicht die Mehrheit.

Der arabische Vormarsch konnte schließlich im Osten von den Byzantinern gestoppt werden, während den Arabern im Westen nur kleinere Vorstöße in das Frankenreich gelangen. Damit begann im Frühmittelalter die fortdauernde Teilung Europas und des Mittelmeerraums in einen islamischen und einen christlichen Teil, der seinerseits in einen lateinischen Westen und einen von Byzanz dominierten griechischen Osten zerfiel.

Literatur: Lutz Berger: Die Entstehung des Islam. Die ersten hundert Jahre. C.H. Beck, München 2016. Albrecht Noth: Früher Islam. In: Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt. 3. erweiterte Auflage. Beck, München 1994.
1299
Das Kerngebiet des in der Folge an Macht gewinnenden Reiches, das den Namen seines ersten Sultans, Osman tragen sollte.

Das Jahr 1299 wird traditionell als das Gründungsjahr des Osmanischen Reiches angesehen. Mit den ersten Eroberungen Osmans im Westen geriet seine Herrschaft ins Blickfeld der byzantinischen Chroniken. Als erster byzantinischer Historiker berichtete Georgios Pachymeres von einem osmanischen Sieg über eine byzantinische Armee: Am 27. Juli 1302 siegten die Osmanen in der Schlacht von Bapheus (Koyunhisar); dieser Tag wird seither als der Tag der Dynastiegründung angesehen

Literatur: Suraiya Faroqhi: Geschichte des Osmanischen Reiches. 6. Auflage. C.H. Beck, München 2014.
Klaus Kreiser: Der Osmanische Staat 1300–1922. Aktualisierte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008
1337
Osman Gazi I.; * 1258 in Söğüt; gestorben. 1326 oder nach anderen Angaben 1324 ebenda war der Gründer der osmanischen Dynastie und des Osmanischen Reiches.

Osman Gazi war von Beginn an daran interessiert, die Christen in seinen eroberten Ländern zu beschützen. Diese Neigung von Osman gilt als einer der Gründe für die rasche Vergrößerung des osmanischen Reichs. Der türkische Geschichtsschreiber Aschikpaschazade verzeichnete dazu mehrere Zitate von Osman. Osman hatte sich bereits früh zum Beschützer der Christen vor den Plünderungen des benachbarten Fürstentums der Germiyan ernannt. Osmanische Quellen machen deutlich, dass Istimalet (Schutz und Respekt von Fremden, um Sympathien zu ernten) eine große Bedeutung für den Erfolg der osmanischen Eroberungen und die Vergrößerung des Reichs hatte. Islamrechtlich galten die Christen als Dhimmi. Die Wegbegleiter von Osman waren zu einem Teil Garib (Fremdlinge/Überläufer). Bei Oruc ist verzeichnet: „diese Osmanen mögen die Fremdlinge“. Anders als sein Vater führte Osman oft den Dschihad gegen die Christen im benachbarten Kaiserreich Nikaia, aber auch mit den benachbarten muslimischen Stämmen führte er regelmäßig Krieg und plünderte ihre Ansiedlungen. Durch seine Eroberungen, etwa von İnegöl, Bilecik und Yenişehir vergrößerte er sein Herrschaftsgebiet, das ursprünglich nur etwa 1500 km² umfasste, auf schließlich 18.000 km². Osman war Vasall der Rum-Seldschuken, die ihrerseits den mongolischen Ilchanen botmäßig waren. Obwohl er den Mongolen jährlich Steuern zahlte, gibt es doch Anzeichen, dass er für sein Herrschaftsgebiet zunehmend Souveränität in Anspruch nahm: So nannte er sich Emir und ließ sich ab etwa 1299 während der Chutba namentlich erwähnen, was nach islamischer Rechtsauffassung nur unabhängigen Herrschern zusteht.

Die im Rahmen der osmanisch-byzantinischen Kriege eroberten Ländereien gab er als Lehen an Verwandte, Freunde, Militärführer und verdiente Gazis. Dadurch wurde die bis dahin halbnomadische Lebensweise seines Stammes beendet und die Grundlage für das spätere Feudalwesen des Osmanischen Reichs gelegt. Auch setzte er einen ersten Beylerbey als Oberkommandierenden des neuen stehenden Heeres ein, das das Stammeskriegertum seiner Anfangsjahre ersetzte.

In die Reihe der osmanisch-byzantinischen Kriege und der in diese Phase fallenden „Kreuzzüge“ fallen nachfolgenden Schlachten:

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Die Belagerung Nikomedias, dem heutigen Izmit (1333-1337)

  • unbekannte Zahl an Osmanen gegen Byzantiner mit unklarem Ausgang und unbekannter Zahl an Verlusten
  • Nikomedias wird Ende der Belagerung zur Hauptstadt des osmanischen Reichs

Der Kreuzzug nach Nikopolis (1396)

  • 16’000 Christen gegen 20’000 Osmanen schlagen sich am 25. September nahe Nikopol (heutiges Bulgarien)
  • die Osmanen gehen siegreich aus der Schlacht, verzeichnen aber mehr Verluste, als das unterlegene Heer der Christen.

Der Kreuzzug nach Varna (1444)

  • 30’000 Ungaren und deren Verbündete treffen am 10. November auf geschätzte 60’000 Osmanen
  • Sieg der Osmanen mit einer unbekannten, aber sehr grossen Zahl an Verlusten auf ungarischer Seite

Die Belagerung und Einnahme von Konstantinopel (1453)

  • 80’000 Osmanen belagern die 7’000 byzantinischen Krieger in der Hauptstadt Byzanz (Konstantinopel bzw Istanbul) vom 6. April bis 29. Mai.
  • Konstantinopel fällt in die Hände der Osmanen

Literatur: Ernst Werner: Die Geburt einer Grossmacht – Die Osmanen. Ein Beitrag zur Genesis des türkischen Feudalismus. 4. Auflage. Böhlau, Wien 1985.
1389
 Die Schlacht auf dem Kosovo polje (Amselfeld) 1389, Adam Stefanović, 1870

Im Rahmen des osmanisch-serbischen Krieges kommt es am 15. Juni 1389 zur bis heute von Legenden und Mythen begleiteten Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo polje) nahe Pristina im heutigen Kosovo.

Der Konflikt entstand aus dem offensiven Vorgehen der Osmanen gegen die verbliebenen unabhängigen christlichen Reiche auf der Balkanhalbinsel. Murad I. versuchte, die serbischen Fürstentümer der Oberhoheit des Osmanischen Reiches zu unterwerfen. Damit wäre das letzte Hindernis zur Übernahme des Byzantinischen Reiches mit dessen Hauptstadt Konstantinopel beseitigt gewesen.

Die Schlacht, in der die Anführer beider Streitmächte fielen, endete ohne eindeutigen Sieger. Im Ergebnis war aber der Widerstand der serbischen Fürsten gegen die osmanische Expansion in den nachfolgenden Jahren entscheidend geschwächt. Serbische Verbündete, wie das Fürstentum der Lazarevići, mussten die Oberhoheit und Vorherrschaft der Osmanen anerkennen, der sich einzig Vuk Branković als Fürst auf dem Territorium des heutigen Kosovo auch nach der Schlacht widersetzte.

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Obwohl das Byzantinische Reich nicht an der Schlacht beteiligt war, schied es durch die Schwächung der serbischen Verbündeten und deren Anerkennung der Oberhoheit der Osmanen endgültig als Machtfaktor in Südosteuropa aus. Byzanz wandte sich Rom zu, um mit der Unterstützung des christlichen Europas die endgültige Unterwerfung Konstantinopels abzuwenden.

Das Ereignis wurde in der Überlieferung schon bald durch Prozesse der Legendenbildung in Volksdichtung, sowie insbesondere in der Rezeption der serbisch-orthodoxen Kirche im Amselfeld-Kult in einer stark mythologisierten Form weitergegeben. Im Genre der über Jahrhunderte von Guslaren in Begleitung der Gusle oral überlieferten Kosovo-Epen formten sich in der Abwandlung von zeitgenössischen Chroniken und Historiographien in den Volksüberlieferungen die Leitthemen des Martyriums Lazars, dem Verrat Vuk Brankovićs und der Heldentat Miloš Obilićs zum Nationalmythos Serbiens, in dem die Illusion eines türkischen Sieges, durch ökonomischen und militärischen Antrieb die Balkanhalbinsel dem Einfluss des Osmanischen Reiches zu unterwerfen, bald durch die historische Realität verwirklicht wurde.Jedoch ist die Meinung, das Serbische Reich wäre auf dem Amselfeld untergegangen, fundamental falsch, da der Staat auch danach für weitere sieben Jahrzehnte bestand und dabei sowohl ökonomisch wie auch kulturell wiederauflebte.

Der am 15. Juni in Serbien gefeierte Vidovdan ist der Gedenktag der Schlacht. Der in der Schlacht gefallene Fürst Lazar wurde schon 1390 oder 1391 heiliggesprochen und ist einer der wichtigsten Heiligen der serbisch-orthodoxen Kirche.

Literatur: Malte Olschewski: Der Krieg um den Kosovo. Serbiens neue Schlacht am Amselfeld. Nidda Verlag, Bad Vilbel 1999.
Malte Olschewski: Der serbische Mythos. Die verspätete Nation. Herbig, München 1998
1571
Die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571

Die Schlacht von Lepanto ist ein weiteres Ereignis, welches im Rahmen der osmanischen Eroberungskriege von Bedeutung ist. Byzanz als vormalig herrschendes Reich war nach dem Fall von Konstantinopel (1453) von unwesentlicher Bedeutung. Als Widersacher der Osmanen traten nun Safawiden (in Persien), Mamelucken (in Ägypten), Ritter des Johanitterordens (auf Rhodos), Ungaren, Kreuzfahrer (in Tunesien)  und bald schon die Truppen der Heiligen Liga und in deren Gefolge auch die habsburgischen Streitkräfte in Aktion. Die osmanische Expansion sollte bis 1683 anhalten.

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In die Reihe dieser osmanischen Eroberungskriege lassen sich einordnen:

Die Schlacht bei Tschaldiran 1514

  • 60’00 Osmanen stellen sich am 23. August ca. 50’000 Safawiden nahe Täbris (der heutigen Hauptstadt von Ost-Aserbeitschan, Iran) und besiegen die Perser.
  • Die hohen Verluste verteilen sich ausgeglichen auf die beiden Konfliktparteien.

Die Schlacht bei Raydaniya 1517

  • Am 22. Januar schlagen 40’000 Osmanen die gleiche Anzahl an Malmelucken unweit von Kairo in der arabischen Wüste.
  • Den Verlusten von 6’000 Osmanen stehen  7’000 Malmaluken gegenüb er, Kairo wird Teil des osmanischen Reichs.

Die Belagerung und Einnahme der Insel Rhodos 1522

  • Von Juni bis Dezember belagern 100’000 Osmanen die christiliche Festung auf Rhodos, welche von 7’000 Johanittern verteidigt wirt.
  • 50’000 Osmanen fallen, 5200 Gefallene sind auf christlicher Seite zu beklagen. Da seitens anderer christlichen Mächte eine Unterstützung der Inselfestung ausbleibt, übergeben die Johanitter schliesslich die Festung unter Zusicherung des freien Abzugs.

Die Belagerung Maltas 1565

  • Nach dem Rückzug der Johaniitter von Rhodos errichten diese auf der Insel Malta ein neues Hauptquartier.
  • Von Mai bis September belagert eine ungewisse Anzahl (30’000-60’000) Osmanen die 14’000 Verteidiger, ohne letztlich die Insel zu besetzen.
  • Die Verteidiger beklagen 5000, die Osmanen 24’000 Gefallene

Osmanische Eroberung Ungarns

In der Schlacht bei Mohács erlitt das Heer des Königreiches Ungarn unter König Ludwig II. und Pál Tomori am 29. August 1526 gegen die Osmanische Armee unter Süleyman I. bei Mohács in Südungarn eine vernichtende Niederlage. Die Osmanen konnten wenig später große Teile Ungarns und Kroatiens erobern.

In die Reihe der osmanisch-habsburgischen Kriege fallen

Die erste Belagerung Wiens 1529

Die Erste Wiener Türkenbelagerung oder Erste Wiener Osmanenbelagerung war ein Höhepunkt der Türkenkriege zwischen dem Osmanischen Reich und den christlichen Staaten Europas. Sie fand im Rahmen des ersten österreichischen Türkenkrieges statt. Vom 27. September bis zum 14. Oktober 1529 schlossen osmanische Truppen unter dem Kommando von Sultan Süleyman I. dem Prächtigen Wien ein, das damals Hauptstadt der Habsburgischen Erblande und eine der größten Städte Mitteleuropas war. Unterstützt von anderen Truppen des Heiligen Römischen Reichs konnten sich die Verteidiger behaupten.

Die Schlacht um Tunis 1535

  • Der Hafen von Tunis wurde seitens der Osmanen nach 1534 als wichtigester Stützpunkt der Piraterie genutzt, nachdem es ihnen gelungen war, die küstennahen Landstriche handstreichartig zu besetzen.
  • Kaiser Karl V. versammelte ein Kreuzfahrerheer, um die Stadt zurückzuerobern und überquerte das Mittlemeer im Schutz der genuesischen Flotte. Nach einer Belagerungszeit nahmen die kaiserlichen Truppen zunächst den Hafen von La Goleta ein um dann Tunis den Osmanen wieder zu entreissen. Der Plünderung der Stadt sollten rund 30’000 Einwohner zum Opfer fallen.

Literatur: Klaus Kreiser: Der Osmanische Staat 1300–1922. Aktualisierte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008. R.G. Grant, Kriege und Schlachten, 5000 Jahre Militärgeschichte, Weltbild-Verlag, Augsburg, 2014.
1683
Das osmanischen Reich in seiner grössten Ausdehnung 1683. In hellgrüner Farbe dargestellt sind die Vasallenstaaten, namentlich: Zentral-Ungarn, Transsilvanien, die Wallachei, Moldawien, südwestliche Gebiete der heutigen Ukraine, die Krim und der Landstrich um das asowsche Meer. Karte: Wikipedia.

Zur Zeit seiner größten Ausdehnung im 17. Jahrhundert erstreckte es sich das Reich von seinen Kernlanden Kleinasien und Rumelien nordwärts bis in das Gebiet um das Schwarze und das Asowsche Meer, westwärts bis weit nach Südosteuropa hinein. Jahrhundertelang beanspruchte das Osmanische Reich politisch, militärisch und wirtschaftlich eine europäische Großmachtrolle neben dem Heiligen Römischen Reich, Frankreich und England. Im Mittelmeer kämpfte das Reich mit den italienischen Republiken Venedig und Genua, dem Kirchenstaat und dem Malteserorden um die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung. Ab dem späten 17. bis ins späte 19. Jahrhundert hinein rang es mit dem Russischen Kaiserreich um die Herrschaft über die Schwarzmeerregion.

In Vorderasien beherrschten die Osmanen mit Syrien, dem Gebiet des heutigen Irak und dem Hedschas (mit den heiligen Städten Mekka und Medina) die historischen Kernlande des Islam, in Nordafrika unterstand das Gebiet von Nubien über Oberägypten westwärts bis zum mittleren Atlasgebirge der osmanischen Herrschaft. In der islamischen Welt stellte das Osmanische Reich nach dem Umayyaden- und Abbasidenreich die dritte und letzte sunnitische Großmacht dar. Nachdem in Persien die Dynastie der Safawiden die Schia als Staatsreligion durchgesetzt hatte, setzten beide Reiche den alten innerislamischen Konflikt zwischen beiden islamischen Bekenntnissen in drei großen Kriegen fort.

Literatur: Suraiya Faroqhi: Geschichte des Osmanischen Reiches. 6. Auflage. C.H. Beck, München 2014

Timeline IX: „der untergang des osmanischen Reichs“

Die Belagerung Wiens und die Schlacht am Kahlenberg, Im Vordergrund das Entsatzheer von König Johann III. Sobieski in der Schlacht gegen die Osmanen, im Hintergrund die belagerte Stadt. Frans Geffels, zwischen 1683 und 1694, Original im Heeresgeschichtlichen Museum Wien.

Letzter Vorstoß nach Mitteleuropa
1683 unternahm die Hohe Pforte mit der Zweiten Wiener Türkenbelagerung nochmals einen Versuch, nach Mitteleuropa vorzustoßen und Wien zu erobern. Was aber schon in der Blütezeit des Osmanischen Reiches rund 150 Jahre vorher nicht gelang, wurde im Feldzug Kara Mustafas nach Ankunft der vereinigten kaiserlich-süddeutschen und polnisch-litauischen Entsatztruppen unter Johann III. Sobieski in der Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 zum Desaster und zum Wendepunkt der Auseinandersetzung mit den europäischen Staaten.

Nachdem in dieser Niederlage die militärischen Schwächen der Osmanen offenkundig geworden waren, begann im folgenden Jahr eine vom Papst initiierte Heilige Liga aus Österreich, der Republik Venedig und Polen-Litauen einen Angriff auf das Osmanische Reich an mehreren Fronten.

Literatur zur Zweiten Wiener Türkenbelagerung: Johannes Sachslehner: Wien anno 1683. Pichler, Wien 2004
Peter Broucek, Erich Hillbrand, Fritz Vesely: Historischer Atlas zur zweiten Türkenbelagerung Wien 1683. Deuticke, Wien 1983
Peter Broucek: Der Sieg bei Wien 1683. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1983
Die Schlacht bei Zenta, Ausschnitt aus dem Wandgemälde von Karl von Blaas (1833), Original im Bellevedere, Wien

Kaiser Leopold I. ging nach der Niederlage der Osmanen bei der Zweiten Wiener Türkenbelagerung in die Offensive. Seine Truppen eroberten Ofen (das heutige Budapest) 1684/1686, besiegten die Osmanen in der Schlacht bei Mohács (1687) und eroberten 1688 Belgrad, das 1690 infolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges aber wieder an das Osmanische Reich zurückfiel.

In der Schlacht bei Zenta errangen kaiserliche Truppen unter dem Oberbefehl von Prinz Eugen von Savoyen bei Zenta an der Theiß am 11. September 1697 einen bedeutenden Sieg über die Osmanen.

Prinz Eugen (seit 1693 Feldmarschall) kehrte 1697, als der Pfälzische Erbfolgekrieg beendet war, auf den osmanischen Kriegsschauplatz zurück. Der bisherige Oberbefehlshaber, Kurfürst Friedrich August von Sachsen, legte sein Kommando nieder, weil er nach dem Tode von Johann III. Sobieski zum König der Polen gewählt worden war. Rüdiger Graf Starhemberg, der berühmte Verteidiger Wiens während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung und damalige Präsident des Hofkriegsrates, empfahl in einem Gutachten vom 15. März 1697:

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„Ich weiß Keinen, der mehr Verstand, Experienz, Application [Hinwendung, Fleiß] und Eifer zu Euer Kaiserlichen Majestät Dienst hätte, ein generoses und uninteressiertes Gemüt, auch die Liebe und Respect bei der Miliz, als der Prinz von Savoyen […] Er hat in Italien commandiert […] die Armata jederzeit in großer Einigkeit, Respect und Gehorsam erhalten, welcher dagegen bei der Armata in Ungarn ganz zerfallen, weswegen wohl nötig, derselben einen solchen vorzustellen, der ihn wieder Einzuführen weiß, von allen Offizieren beliebt und hierzu secundiert wird, die alle und sonderlich die Vornehmeren dem Prinzen von Savoyen so viel geneigt, als sie dem anderen [Kurfürst von Sachsen] abgeneigt sind […][“

Der Sieg war vollständig und umfassend, der Name Prinz Eugens wurde danach in ganz Europa zu einem Begriff. Der nach Temesvár fliehende Sultan verlor an die 25.000 Mann, seine gesamte Artillerie und den ganzen Verpflegungsvorrat, wohingegen die Verluste der Truppen des Kaisers 28 Offiziere und 401 Mann an Toten betrugen. Der Sieg bei Zenta wurde militärisch nicht vollständig genutzt, weil auf eine Verfolgung der Türken wegen der späten Jahreszeit und Nachschubproblemen verzichtet wurde. Die Schlacht bei Zenta war dennoch die Grundlage für den Frieden von Karlowitz (1699), mit dem sich das Kräfteverhältnis in Südosteuropa zu Ungunsten des Osmanischen Reiches veränderte.

Literatur: Hans-Joachim Böttcher: Die Türkenkriege im Spiegel sächsischer Biographien, Gabriele Schäfer Verlag Herne 2019
Franz Herre: Prinz Eugen. Europas heimlicher Herrscher. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1997
Prinz Eugen in der Schlacht bei Belgrad 1717. Zeitgenössischer, anonymer Künstler um 1720. Ölgemälde im Heeresgeschichtlichen Museum, Wien.

Im Jahr 1714 begann der Venezianisch-Österreichische Türkenkrieg. 1699 war der Friede von Karlowitz geschlossen worden. Das Osmanische Reich musste Ungarn an Österreich und Morea an Venedig abgeben. 1701 brach in Europa der Spanische Erbfolgekrieg (1701–1714) mit der Beteiligung Österreichs aus. Auch die Osmanen rüsteten auf und konnten im Krieg gegen Russland (1710–1711) einen Erfolg verzeichnen. Auch in Österreich erkannte man die Rüstungsanstrengungen, vermutete aber, dass sich das Osmanische Reich gegen Venedig wenden würde. Als sich die osmanische Armee 1714 in Bewegung setzte und venezianische Besitzungen im heutigen Griechenland besetzte, gingen der Peloponnes sowie Kreta und weitere Inseln verloren.

1716 trat dann auch Österreich unter Prinz Eugen in den Krieg ein. Die Osmanen schickten ihm eine Armee von 150’000 Mann entgegen. Diese wurde am 5. August 1716 in der Schlacht von Peterwardein geschlagen, am 17. Oktober eroberten die Österreicher dann Temeswar.

Das nächste Ziel war Belgrad. Die Festung befand sich zwischen den Flussbiegungen von Save und Donau und war nur von südlicher Richtung aus direkt attackierbar. Durch diese strategisch günstige Lage hatte sie sowohl für die Habsburger wie für die Osmanen die Schlüsselstellung auf dem Balkan inne. Prinz Eugen, der bei der Belagerung der Stadt 1688 schwer verwundet worden war, forcierte mit Unterstützung des Kaisers den Aufbau einer schlagkräftigen Donauflottille: Sie hatte die Aufgabe, der kampferprobten osmanischen Donaustreitmacht Paroli zu bieten und die Versorgung des kaiserlichen Heeres zu sichern. Die Besatzungen für die eilig aufgestellte Flotte wurden kurzerhand aus den habsburgischen Niederlanden angeworben.

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Am 13. Mai 1717 verließ Eugen Wien und traf am 21. Mai bei seiner Truppe in Futog an der Donau ein. Noch bevor alle Truppenkörper ganz versammelt waren, marschierte er am 9. Juni 1717 mit circa 70’000 Mann auf Belgrad. Er wollte möglichst rasch mit der Belagerung beginnen, um die Stadt noch vor Eintreffen eines osmanischen Heeres zu nehmen. Das erste Problem war der Anmarsch: Da die Festung nur von Süden her erreichbar war, musste entweder die Save oder die Donau überquert werden. Der direkte Weg führte über die schmalere Save, doch lag dieser in Reichweite der Festungsgeschütze. Auf Anraten eines seiner Generäle wählte man jedoch die Überquerung weiter östlich über die Donau. Da die Osmanen damit nicht gerechnet hatten, gelang das Übersetzen vom 15. auf den 16. Juni ohne nennenswerten Widerstand. Schnell begann man Artilleriestellungen und Laufgräben anzulegen, ebenso Schanzen im Rücken des Heeres, die später so genannten eugenischen Linien, da man Eugen berichtet hatte, dass ein 150’000 Mann starkes osmanisches Heer im Anmarsch sei. Am 28. Juli traf die Entsatzarmee ein, die ihrerseits Schanzen anlegte. Die Belagerer wurden selber belagert, und der ursprüngliche Plan Eugens, das Entsatzheer vor den eugenischen Linien verbluten zu lassen und dann die Stadt zu nehmen, scheiterte, da die osmanische Streitmacht keinen Angriff startete. Stattdessen wurden seine Truppen nun zwischen der Festung und der osmanischen Armee in die Zange genommen. Durch Ausfälle, Feuerüberfälle, Kanonaden von zwei Seiten und Malaria aus den nahen Donau- und Saveauen starben viele seiner Soldaten.

Die Lage war gefährlich, denn die Osmanen hatten Zeit genug, um die kaiserlichen Truppen langsam aufzureiben. Die Rettung kam am 14. August, als Belgrad plötzlich von einer gewaltigen Explosion erschüttert wurde: Ein Mörser hatte das Pulvermagazin der Festung getroffen, auf einen Schlag starben an die 3.000 osmanische Verteidiger. Am folgenden Tag befahl Eugen einen Überraschungsangriff auf die osmanische Entsatzarmee für die Nacht auf den 16. August. Die Infanterie sollte im Zentrum, die Kavallerie an den Flanken angreifen. Außer der Besatzung der Laufgräben vor der Festung sollte sich jeder an dem Angriff beteiligen.

Da ein Nachtangriff in der damaligen Zeit ein Novum war, glückte die Überraschung. Als es nach Stunden nächtlichen Kampfes langsam hell wurde, nutzten die Osmanen eine Lücke im Zentrum der Kaiserlichen für einen Gegenangriff. Eugen schickte seine Reserven in die Lücke und begab sich selbst an die Spitze der Kavallerie. Der osmanische Gegenangriff wurde abgewehrt und in der Folge die osmanischen Schanzen erstürmt, woraufhin die osmanische Schlachtordnung in Unordnung geriet und der Rückzug angetreten wurde. Um 10 Uhr morgens war die Schlacht gewonnen. Die Besatzung von Belgrad kapitulierte am 18. August 1717 und zog unter freiem Geleit aus der Stadt ab. Die Verluste der Osmanen betrugen etwa 20’000 Mann sowie abermals reiche Vorräte an Munition, Kanonen und Verpflegung. Dagegen betrugen die Verluste der Kaiserlichen lediglich 5’400.

Das Volkslied von Prinz Eugen, dem edlen Ritter erzählt die Geschichte dieser Schlacht.

Literatur: Renate Barsch-Ritter: Österreich auf allen Meeren. Geschichte der K.(u.)K. Marine 1382 bis 1918. Graz, Wien, Köln 2000.
Jakob Philipp Hackert: Die Zerstörung der türkischen Flotte in der Schlacht von Tschesme, 1771

Der 6. Russisch-Türkische Krieg begann im Jahr 1768, und Russland entsandte mehrere Ostsee-Schwadronen ins Mittelmeer, um die osmanische Aufmerksamkeit von der noch im Aufbau befindlichen neuen Schwarzmeerflotte abzulenken, die erst aus sechs Kriegsschiffen bestand. Zwei russische Schwadronen, angeführt vom Admiral Grigori Spiridow und dem britischen Berater Admiral John Elphinstone vereinigten sich unter dem Oberbefehl des Grafen Alexei Orlow und begannen nach der türkischen Flotte zu suchen.

Die Seeschlacht von Çeşme (auch Schlacht zu Tschesme) ereignete sich zwischen dem 5. Juli und dem 7. Juli 1770 in der Nähe der osmanischen Hafenstadt Çeşme. Sie war ein Teil der Orlow-Revolte in Griechenland, eines Vorläufers der späteren Griechischen Revolution, und die erste einer Reihe von siegreichen russischen Seeschlachten gegen das Osmanische Reich.

Die Seeschlacht von Çeşme wurde zur größten osmanischen Niederlage auf See seit der Schlacht von Lepanto im Jahr 1571. Die Schlacht förderte in Russland das Vertrauen in die Flotte und sicherte den Russen die Kontrolle über die Ägäis. Im Osmanischen Reich inspirierte die Vernichtung der Flotte viele Minderheiten zu Aufständen.

Katharina die Große befahl den Bau von vier Monumenten, um den Sieg zu ehren.

Literatur: Helmut Pemsel: Seeherrschaft – Eine maritime Weltgeschichte von den Anfängen bis 1850, Bd. 1, Bernard & Graefe Verlag, Augsburg 1996
Bonaparte besucht die Pestkranken anlässlich der Belagerung von Jaffa (1799), um die Moral zu stärken, obwohl er sich der Ansteckungsgefahr aussetzte (Gemälde von Antoine-Jean Gros, 1804, Louvre)

Als Napoleons Ägyptenfeldzug oder Ägyptische Expedition wird die militärische Unternehmung der Franzosen unter dem Kommando Napoleon Bonapartes in Ägypten in den Jahren von 1798 bis 1801 bezeichnet.

Die vom Direktorium vorgegebenen Ziele der Expedition waren: aus Ägypten eine französische Provinz zu machen, die britische Vormachtstellung im Mittelmeerraum zu beenden und im levantinischen Handel Frankreich eine herrschende Rolle zu sichern. Ägypten gehörte zum Osmanischen Reich, die Macht aber übten seit dem 17. Jahrhundert die Beys der Mameluken aus.

Am 9. Juni traf die Flotte vor Malta ein. Tags darauf wurden französische Soldaten auf die Insel entsandt. Der Malteserorden unternahm keine Anstrengungen, gegen ein christliches Heer zu kämpfen. Am 11. Juni wurde an Bord der L’Orient das Kapitulationspapier unterschrieben.  Die Flotte segelte danach weiter nach Ägypten und landete mit der gesamten Streitmacht bei Abukir. Am 2. Juli 1798 wurde Alexandria eingenommen. In der Schlacht bei den Pyramiden am 21. Juli 1798 etwas südlich von Gizeh wurde das osmanisch-ägyptische Heer zusammen mit einer Mamluken-Eliteeinheit unter Mourad Bey und Ibrahim Bey, insgesamt rund 5’000 Mann (zuzüglich 12’000 Dienern bzw. Waffenträgern), vernichtend in die Flucht geschlagen. Danach wurden Kairo und ganz Ägypten besetzt.

Napoléon erklärte in zwei Proklamationen an die Ägypter und an die Einwohner von Kairo, das Ziel der französischen Invasion sei die Befreiung des Landes von der Sklaverei und Ausbeutung der „Sippschaft“ (race) der Mamluken und ihrer selbstherrlichen Beys sei. Die Einwohner, ihre Familien, ihre Häuser und Eigentum würden geschützt. Ihre Lebensgewohnheiten, ihre Religion würden geachtet und zur Selbstverwaltung würden Dīwāne eingerichtet, besetzt mit einheimischen Würdenträgern.

Bereits am 1./2. August 1798 wurde die vor der ägyptischen Küste liegende französische Flotte von den Briten unter Admiral Nelson in der Seeschlacht bei Abukir vollständig vernichtet, so dass ein Rücktransport unmöglich und die Verbindung mit Frankreich unterbrochen waren. Napoleon ließ einen Aufstand in Kairo am 22. und 23. Oktober 1798 niederschlagen. Jean-Joseph Ader schrieb von 3000 Getöteten (bei 300 Toten auf französischer Seite) und sechs Hingerichteten.

Außenminister Talleyrand war unterdessen nicht, wie abgesprochen, nach Konstantinopel zur Hohen Pforte gereist, um ihr zu versichern, dass die Expedition nicht gegen das Osmanische Reich gerichtet sei. Unter britischem und russischem Druck erklärte das Osmanische Reich (damals unter Sultan Selim III.) schließlich doch Frankreich den Krieg.

Das Direktorium in Paris rechnete inzwischen mit einer Niederlage Bonapartes. Es wurde ihm überlassen, sich gegen Konstantinopel zu wenden, um eine Teilung des Osmanischen Reiches zu betreiben oder seine Stellungen in Ägypten zu behaupten. In jedem Falle erwarte man von ihm Maßnahmen und ruhmreiche Resultate.

Im Februar 1799 führte Napoleon mit 14’000 Mann einen Feldzug nach Syrien zur Verteidigung der Eroberung Ägyptens gegen ein sich formierendes osmanische Heer. Die anfänglichen Erfolge bei der Belagerung von al-Arisch, in Gaza, Hebron, Jaffa und am Berg Tabor endeten vor der Stadt Akkon, die Napoléon vom 20. März bis 21. Mai 1799 erfolglos belagerte.

Ein besonders dunkles Kapitel des Ägyptenfeldzugs war die Belagerung von Jaffa. Nach einer britischen Beschreibung ließ Bonaparte dort, neben 3’000 Mann der Festungsverteidiger, 1’400 weitere Gefangene exekutieren, die er zuvor bei al-Arisch gefangen genommen und freigelassen hatte, mit der Auflage, nicht mehr gegen die Franzosen zu kämpfen. Die Wut der Franzosen auf die Verteidiger von Jaffa war auch durch die Ermordung eines Parlamentärs aufgestachelt worden, dessen abgeschlagenen Kopf man aufgespießt auf der Festungsmauer den Franzosen präsentierte.

Napoleon musste sich schließlich – auch wegen hoher Verluste in den Kämpfen, wegen Beulenpest und wegen der Hitze – nach Ägypten zurückziehen, wo er aber am 25. Juli 1799 die Osmanen in der Schlacht bei Abukir vernichtend schlug.

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Da sich die Lage für Frankreich innenpolitisch durch die Misswirtschaft der Regierung und militärisch durch die Konfrontation mit der Zweiten Koalition dramatisch verschlechtert hatte und Österreich begann, seine italienischen Eroberungen und Republikgründungen wieder zunichtezumachen, kehrte Napoleon am 23. August 1799 unaufgefordert und mit vorgeschobenen Begründungen (seine Kritiker bezeichneten es als Desertion) nach Frankreich zurück. Er verließ seine Armee, ohne sie in einem Tagesbefehl darüber zu informieren, und übertrug das Oberkommando in Ägypten seinem dienstältesten General Kléber.

Kléber handelte mit den Osmanen den freien Abzug aus Ägypten aus. Als Großbritannien aber die bedingungslose Kapitulation forderte, wurde der Krieg fortgesetzt. Kléber schlug die Osmanen am 20. März 1800 bei Heliopolis vernichtend, besetzte Kairo nach Niederschlagung eines erneuten Aufruhrs wieder und bestrafte es mit einer hohen Kontribution. Kléber wurde am 14. Juni 1800 in Kairo von einem Muslim ermordet. Sein Nachfolger wurde Menou.

Am 8. März 1801 landeten 17’000 Mann britische Truppen unter dem Kommando der Generäle Abercrombie und Hutchinson bei Abukir. Das osmanische Heer unter Yussuf Pascha zählte mehr als 20’000 Krieger, darunter 6’000 Albaner und Janitscharen. Die französischen Truppen, die mehrere Städte und Festungen besetzt hielten, sollen 16’000 Mann stark gewesen sein. Am 21. März verloren sie bei Alexandria eine erste Schlacht, die Stadt selbst wurde eingeschlossen. Am 9. Mai fiel Ramanja, am 27. Juni kapitulierte Kairo und am 31. August Alexandria. Die französischen Truppen mussten Ägypten verlassen, konnten aber ihre Ausrüstungen mitnehmen. Die wissenschaftlichen Begleiter der Expedition sollten ihre Unterlagen und Aufzeichnungen abgeben. Sie protestierten heftig und drohten damit, diese eher ins Meer zu werfen als sie den Engländern zu übergeben. Schließlich durften sie sie behalten.

Auf britischen Schiffen wurden die Franzosen nach Frankreich zurückgebracht. Die Regierungen beider Länder nahmen Verhandlungen auf; im März 1802 wurde der Friede von Amiens unterzeichnet.

Die Expedition startete mit fast 30’000 Mann – fast 20’000 von ihnen starben, darunter die Generäle Kléber, Caffarelli du Falga, Bon und der Admiral Brueys. Frankreich verlor einen Großteil seiner Mittelmeerflotte, 11 Linienschiffen und 2 Fregatten sowie große Mengen an Waffen und Ausrüstung.

Literatur: Juan Ricardo Cole: Napoleon’s Egypt: Invading the Middle East. In deutscher Übersetzung 2010 unter dem Titel Die Schlacht bei den Pyramiden: Napoleon erobert den Orient. Theiss, Stuttgart 2010.
Mahmud II. (nach Einführung seiner Kleiderreform von 1828)

Sultan Mahmud II. (reg. 1808–1839) erreichte, was seinem Vorgänger Selim III. nicht gelungen war: Er ordnete 1826 die Aufstellung eines neuen, modernen Armeekorps an. Erwartungsgemäß revoltierten die Janitscharen, Mahmud nutzte jedoch seine neue Truppe, um in einem Massaker am 15. Juni 1826 das Janitscharenkorps, die einflussreichsten Reformgegner, gewaltsam abzuschaffen. Im gleichen Jahr ersetzte er die militärisch bedeutungslos gewordene Sipahi-Truppe durch eine moderne Kavallerie. Die osmanische Armee wurde nach europäischem Vorbild reformiert und nun ʿAṣākir-i Manṣūre-i Muḥammedīye („Siegreiche Armee Mohammeds“) genannt, um dem Vorwurf des Glaubensabfalls entgegenzutreten, an dem der Reformversuch Selims gescheitert war. Unterstützt von fähigen Beamten wie dem Militärreformer und Oberbefehlshaber Hüsrev Mehmed Pascha, dem Hauptsekretär der Hofkanzlei Canip Mehmet Besim Efendi und dem liberal gesinnten Großwesir Mehmet Said Galip Pascha setzte er seine Reformen durch. 1827 gründete Mahmud II. zunächst eine medizinische Militärhochschule, 1834 nach dem Vorbild der französischen Militärschule Saint-Cyr die Osmanische Militärakademie. Unterrichtssprache war Französisch. Er ordnete die Verwaltung neu, indem er Ministerien nach europäischem Vorbild schuf. 1831 gründete er das erste Amtsblatt in osmanisch-türkischer Sprache. In den 1830er Jahren wurden die osmanischen Botschaften in Westeuropa wieder eröffnet. Um im diplomatischen Austausch nicht mehr von griechischen Dolmetschern abhängig zu sein, wurde ein Übersetzungsbüro eingerichtet. Den politischen Einfluss der Zentralregierung auf die islamische Gelehrtenschaft stärkte er, indem er dem obersten Religionsgelehrten den Status eines Staatsbeamten verlieh. Ein Ministerium für religiöse Stiftungen kontrollierte nun die Finanzen. Erwirtschaftete Überschüsse mussten nun an den Staat abgeführt werden.

Die Reformen Mahmuds II. ließen im Reich eine neue Elite entstehen, die der Sprachen und politischen und gesellschaftlichen Bräuche Westeuropas kundig war. Der Einfluss der Religionsgelehrten wurde schrittweise vermindert und umgangen. Als der politische und wirtschaftliche Druck Europas sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer stärker auszuwirken begann, waren es diese Menschen, die Mahmuds Reformen fortsetzten und eine neue Epoche im Osmanischen Reich mit einleiteten.

Literatur: Klaus Kreiser: Das letzte osmanische Jahrhundert. In: Klaus Kreiser, Christoph K. Neumann: Kleine Geschichte der Türkei. Bonn 2005
Abdülhamid II. war vom 31. August 1876 bis zum 27. April 1909 Sultan des Osmanischen Reiches. Er war der zweite Sohn des Sultans Abdülmecid I. und folgte seinem Bruder Murad V. nach dessen Absetzung auf den Thron.

Innenpolitisch brach Abdülhamid II. das konstitutionelle Experiment ab und regierte autokratisch. Im Hintergrund dieses Vorgehens stehen der Umstand, dass einerseits sein Onkel Abdülaziz durch einen Putsch hoher Beamter und Offiziere abgesetzt worden und unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen war, und andererseits Russland die Einführung der Verfassung zum Anlass für ein militärisches Eingreifen genommen hatte, das für das osmanische Reich desaströs endete. Bei großen Gebieten, die nominell weiter zum Reich gehörten (Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Ostrumelien, Zypern, Ägypten, Tunis) war deren parlamentarische Vertretung in einem osmanischen Parlament politisch so gut wie ausgeschlossen. Der Reformer und kurzfristige Großwesir Midhat Pascha wurde unter Berufung auf Artikel 113 der von ihm initiierten Verfassung ins Exil geschickt und das Parlament geschlossen. Abdülhamids Regierungszeit war durch Despotie und Spitzelei geprägt. Als letzter Sultan seiner Dynastie regierte er als Alleinherrscher. Die osmanische Verfassung blieb aber formell weiterhin in Kraft und wurde, mit Ausnahme der Bestimmungen über das osmanische Parlament, weiterhin angewandt.

In seine Regierungszeit fallen auch die Massaker an den Armeniern in den Jahren 1894-1896.

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Die Massaker an den Armeniern von 1894 bis 1896 wurden durch die osmanische Regierung – namentlich von Sultan Abdülhamid II. – veranlasst. Die Massaker begannen in der Region Sason und wurden dann auf alle armenischen Siedlungsgebiete ausgeweitet. Die Zahl der Todesopfer lag zwischen 80’000 und über 300’000. Mit Hilfe der lokalen muslimischen Bevölkerung und der Hamidiye-Einheiten wurden zudem Deportationen und Plünderungen durchgeführt und auch versucht, christliche Teile der Bevölkerung zur Konversion zum Islam zu zwingen.

Im Unterschied zum Genozid des 20. Jahrhunderts handelte es sich noch nicht um einen Versuch, sämtliche Armenier des Osmanischen Reiches zu vertreiben oder zu ermorden, stattdessen sollte die alte Ordnung der Dominanz der Moslems über die Christen wiederhergestellt werden.

Die Gründe der Täter lagen in der Überzeugung, man könne die lang andauernde Schwächung des Osmanischen Reiches durch eine Verwandlung in eine rein türkisch-islamische Bastion aufhalten, was unter anderem durch „genozidal eingefärbte Religiozide“ umgesetzt werden sollte.

Obwohl sich die Massaker hauptsächlich gegen die Armenier richteten, wandelten sie sich zu allgemein antichristlichen Pogromen, wie bei dem Massaker von Diyarbakır. Die Osmanen unterdrückten auch Revolten anderer Minderheiten, die härtesten Maßnahmen richteten sich aber gegen die Armenier. Die Verantwortlichen des Osmanischen Reiches unterschieden dabei nicht zwischen nationalistischen Dissidenten und der armenischen Bevölkerung in ihrer Gesamtheit. Die US-amerikanische Missionarin und Zeitzeugin Corinna Shattuck beschrieb das Massaker vom 28. Dezember 1895 in Urfa, bei dem von 4’000 Opfern etwa 1’500 in einer Kirche lebendig verbrannt wurden, in einem Brief von 1896 als „ein Massaker, das zu einem großen Holocaust wurde“.

Die Vorgänge fanden in Westeuropa und den Vereinigten Staaten durchaus aktuelle Aufmerksamkeit, so berichtete die New York Times am 10. September 1895 unter der Schlagzeile „Ein weiterer Armenischer Holocaust“. William Mitchell Ramsay beschrieb 1897 ausführlich das Massaker und schloss: „Die Armenier werden mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit ausgerottet werden, soweit sie nicht in andere Länder entkommen können“. Sowohl in Europa wie auch in Amerika empörte man sich, sah der Verfolgung aber letztendlich tatenlos zu.

Literatur: Ferenc Majoros, Bernd Rill: Das Osmanische Reich 1300–1922. Die Geschichte einer Großmacht. Marix, Wiesbaden 2004
Mehmed V., vorletzter Sultan des Osmanischen Reichs, flankiert von seinen Weltkriegsverbündeten: Kaiser Wilhlem II. und Kaiser Franz Josef I.

Mehmed V. Reşad – auch Mohammed V.  war ein Sohn Abdülmecids I., seine Mutter war Gülcemal Kadın Efendi. Ihm wurden Ambitionen auf den Thron nachgesagt, so dass sein regierender Bruder Abdülhamid II. ihn von der Öffentlichkeit und der politischen Macht abzuschotten versuchte.

Während der Regierung seines Bruders Abdülhamid II. war Mehmed Reşad politischer Gefangener. Er lebte 45 Jahre in strengem Gewahrsam in seinem im nördlichen Istanbul auf der europäischen Seite gelegenen Konak Sindschirli Kuju (deutsch Sindschirli Kuju-Palast). Diese lange Gefangenschaft hatte die physischen und geistigen Kräfte Mehmed Reşads gebrochen, so dass er zur Zeit der Absetzung seines Bruders ein apathischer, siecher, zu jedweder Arbeit unfähiger Greis war. Eben deshalb jedoch war er für die Jungtürken, welche selbst regieren und durch den Monarchen nicht beeinträchtigt werden wollten, ein erwünschter Thronkandidat. Im Sommer 1908 wurde Abdülhamid von den Jungtürken dazu gezwungen, die osmanische Verfassung von 1876 in Kraft zu setzen und die eigene Macht zu begrenzen. Als der Sultan im folgenden Jahr dies wieder rückgängig zu machen versuchte, setzten die Jungtürken ihn am 27. April 1909 endgültig ab und ersetzten ihn durch Mehmed, der im Alter von 64 Jahren Sultan und Kalif wurde.

Dessen Regierungszeit war durch Rückschläge für das Osmanische Reich und der Manifestation des Begriffes des „kranken Mannes am Bosporus“ gekennzeichnet. Am Anfang seiner Herrschaft musste er die österreichische Annexion Bosniens und der Herzegowina sowie die Unabhängigkeit Bulgariens anerkennen. Die letzten nordafrikanischen Besitzungen westlich von Ägypten verlor er bis 1912 an Italien. Ägypten selbst stand nur noch formell unter osmanischer Herrschaft und wurde de facto von den Briten kontrolliert. Es folgten Aufstände in Albanien und die beiden Balkankriege 1912 und 1913, die die osmanische Herrschaft dort beendeten. Kurz darauf gelang es Mehmed V., ein kleineres Gebiet um Adrianopel zurückzuerobern und 1914 mit dem Russischen Reich per Vertrag den Grenzverlauf in Armenien friedlich festzulegen.

Am 2. August 1914 schloss Mehmed V. ein Defensivbündnis mit dem Deutschen Reich gegen Russland. Er versuchte zunächst, im beginnenden Ersten Weltkrieg neutral zu bleiben; auf Druck der Jungtürken trat er Anfang Oktober 1914 in den Krieg aufseiten der Mittelmächte ein und ernannte Enver Pascha zum Kriegsminister. Nach dem Verlust Zyperns und Ägyptens gelang es Mehmed V., eine stabile Defensive gegen die Briten am Suezkanal und im Irak aufzubauen. Russland eroberte zwar Armenien, doch wurde dies später im Frieden von Brest-Litowsk wieder rückgängig gemacht. In der letzten Phase des Krieges gingen schließlich Syrien, Palästina und das Zweistromland verloren.

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Am 1. Februar 1916 wurde Mehmed V. zum Generalfeldmarschall des Deutschen Reichs ernannt und am 19. Mai 1918 – im Zuge eines Staatsbesuchs Kaiser Karls I. in Istanbul – zum Feldmarschall Österreich-Ungarns.

Mehmed V. starb am 3. Juli 1918 im Alter von 73 Jahren, vier Monate vor dem Ende des Ersten Weltkrieges. Laut Arztbericht hatte er zunächst eine Woche lang leichte Verdauungsbeschwerden, ab 25. Juni aber heftiges Fieber – beides typische Symptome der Spanischen Grippe, die damals in Europa wütete. Das Fieber mit zuletzt 39,5 °C verschärfte die schon vorher vorhandene Zuckerkrankheit.[1] Den Untergang des Osmanischen Reiches erlebte er nicht mehr. Als (letzter) Sultan und Kalif folgte ihm sein Halbbruder Mehmed VI.

Den größten Teil seines Lebens verbrachte Mehmed V. im Dolmabahçe-Palast und Yıldız-Palast in Konstantinopel. Sein Grab befindet sich im historischen Eyüp-Viertel der Stadt.

Er hinterließ zwei Söhne: Prinz Mehmed Ziyaeddin (1873–1938) und Prinz Ömer Hilmi (1886–1935). Seine einzige Tochter, Prinzessin Refia (* 1888), starb bereits als Säugling. Ein weiterer Sohn, Prinz Mehmed Necmeddin (1878–1913) starb vor seinem Vater. Er war Sohn von Dürridem Kadın Efendı gewesen, die in Kars geboren und georgischer Herkunft war. Sie war damals die zweite Frau, wurde aber im Jahre 1887 geschieden, und die Konkubine Mihrengiz nahm ihren Platz als zweite Frau ein.

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Reiterstandbild Mustafa Kemal Atatürk’s in Ankara’s Stadtteil Ulus

Kemal Atatürk (bis 1934: Mustafa Kemal Pascha, von 1935 bis 1937: Kamâl Atatürk; (* 1881 in Selânik, Osmanisches Reich; † 10. November 1938 in Istanbul), auch als Mustafa Kemal Atatürk bezeichnet, war der Begründer der Republik Türkei und von 1923 bis 1938 erster Präsident der nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Osmanischen Reich hervorgegangenen modernen Republik.

Seine Verdienste als Offizier bei der Verteidigung der Halbinsel Gallipoli 1915 gegen alliierte Truppen, welche die Dardanellen unter ihre Kontrolle bringen wollten, und ab 1921 der Abwehrkampf gegen die nach Anatolien vorgedrungenen Griechen ließen ihn zur Symbolfigur türkischen Selbstbehauptungswillens und Nationalbewusstseins werden. Als Machtpolitiker, der die Modernisierung seines Landes nach westlichem Vorbild beharrlich vorantrieb, schuf er mit der Abschaffung von Sultanat und Kalifat sowie mit weitreichenden gesellschaftlichen Reformen einen in dieser Form einmaligen Staatstypus. Darauf beruhen – trotz teilweiser Kontroversen über sein Wirken – die personenkultartige Verehrung, die ihm in der Türkei bis heute entgegengebracht wird, und die Unangefochtenheit des ihm 1934 vom türkischen Parlament verliehenen Nachnamens Atatürk (Vater der Türken).

Literatur: Johannes Glasneck: Die Rolle der Persönlichkeit Kemal Atatürks im nationalen Befreiungskampf der Völker des Nahen Ostens. Akademie-Verlag, Berlin 1983. Neuauflage: Kemal Atatürk und die moderne Türkei. Ahriman-Verlag, Freiburg 2010.
1683
Die Belagerung Wiens und die Schlacht am Kahlenberg, Im Vordergrund das Entsatzheer von König Johann III. Sobieski in der Schlacht gegen die Osmanen, im Hintergrund die belagerte Stadt. Frans Geffels, zwischen 1683 und 1694, Original im Heeresgeschichtlichen Museum Wien.

Letzter Vorstoß nach Mitteleuropa
1683 unternahm die Hohe Pforte mit der Zweiten Wiener Türkenbelagerung nochmals einen Versuch, nach Mitteleuropa vorzustoßen und Wien zu erobern. Was aber schon in der Blütezeit des Osmanischen Reiches rund 150 Jahre vorher nicht gelang, wurde im Feldzug Kara Mustafas nach Ankunft der vereinigten kaiserlich-süddeutschen und polnisch-litauischen Entsatztruppen unter Johann III. Sobieski in der Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 zum Desaster und zum Wendepunkt der Auseinandersetzung mit den europäischen Staaten.

Nachdem in dieser Niederlage die militärischen Schwächen der Osmanen offenkundig geworden waren, begann im folgenden Jahr eine vom Papst initiierte Heilige Liga aus Österreich, der Republik Venedig und Polen-Litauen einen Angriff auf das Osmanische Reich an mehreren Fronten.

Literatur zur Zweiten Wiener Türkenbelagerung: Johannes Sachslehner: Wien anno 1683. Pichler, Wien 2004
Peter Broucek, Erich Hillbrand, Fritz Vesely: Historischer Atlas zur zweiten Türkenbelagerung Wien 1683. Deuticke, Wien 1983
Peter Broucek: Der Sieg bei Wien 1683. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1983
1697
Die Schlacht bei Zenta, Ausschnitt aus dem Wandgemälde von Karl von Blaas (1833), Original im Bellevedere, Wien

Kaiser Leopold I. ging nach der Niederlage der Osmanen bei der Zweiten Wiener Türkenbelagerung in die Offensive. Seine Truppen eroberten Ofen (das heutige Budapest) 1684/1686, besiegten die Osmanen in der Schlacht bei Mohács (1687) und eroberten 1688 Belgrad, das 1690 infolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges aber wieder an das Osmanische Reich zurückfiel.

In der Schlacht bei Zenta errangen kaiserliche Truppen unter dem Oberbefehl von Prinz Eugen von Savoyen bei Zenta an der Theiß am 11. September 1697 einen bedeutenden Sieg über die Osmanen.

Prinz Eugen (seit 1693 Feldmarschall) kehrte 1697, als der Pfälzische Erbfolgekrieg beendet war, auf den osmanischen Kriegsschauplatz zurück. Der bisherige Oberbefehlshaber, Kurfürst Friedrich August von Sachsen, legte sein Kommando nieder, weil er nach dem Tode von Johann III. Sobieski zum König der Polen gewählt worden war. Rüdiger Graf Starhemberg, der berühmte Verteidiger Wiens während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung und damalige Präsident des Hofkriegsrates, empfahl in einem Gutachten vom 15. März 1697:

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„Ich weiß Keinen, der mehr Verstand, Experienz, Application [Hinwendung, Fleiß] und Eifer zu Euer Kaiserlichen Majestät Dienst hätte, ein generoses und uninteressiertes Gemüt, auch die Liebe und Respect bei der Miliz, als der Prinz von Savoyen […] Er hat in Italien commandiert […] die Armata jederzeit in großer Einigkeit, Respect und Gehorsam erhalten, welcher dagegen bei der Armata in Ungarn ganz zerfallen, weswegen wohl nötig, derselben einen solchen vorzustellen, der ihn wieder Einzuführen weiß, von allen Offizieren beliebt und hierzu secundiert wird, die alle und sonderlich die Vornehmeren dem Prinzen von Savoyen so viel geneigt, als sie dem anderen [Kurfürst von Sachsen] abgeneigt sind […][“

Der Sieg war vollständig und umfassend, der Name Prinz Eugens wurde danach in ganz Europa zu einem Begriff. Der nach Temesvár fliehende Sultan verlor an die 25.000 Mann, seine gesamte Artillerie und den ganzen Verpflegungsvorrat, wohingegen die Verluste der Truppen des Kaisers 28 Offiziere und 401 Mann an Toten betrugen. Der Sieg bei Zenta wurde militärisch nicht vollständig genutzt, weil auf eine Verfolgung der Türken wegen der späten Jahreszeit und Nachschubproblemen verzichtet wurde. Die Schlacht bei Zenta war dennoch die Grundlage für den Frieden von Karlowitz (1699), mit dem sich das Kräfteverhältnis in Südosteuropa zu Ungunsten des Osmanischen Reiches veränderte.

Literatur: Hans-Joachim Böttcher: Die Türkenkriege im Spiegel sächsischer Biographien, Gabriele Schäfer Verlag Herne 2019
Franz Herre: Prinz Eugen. Europas heimlicher Herrscher. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1997
1717
Prinz Eugen in der Schlacht bei Belgrad 1717. Zeitgenössischer, anonymer Künstler um 1720. Ölgemälde im Heeresgeschichtlichen Museum, Wien.

Im Jahr 1714 begann der Venezianisch-Österreichische Türkenkrieg. 1699 war der Friede von Karlowitz geschlossen worden. Das Osmanische Reich musste Ungarn an Österreich und Morea an Venedig abgeben. 1701 brach in Europa der Spanische Erbfolgekrieg (1701–1714) mit der Beteiligung Österreichs aus. Auch die Osmanen rüsteten auf und konnten im Krieg gegen Russland (1710–1711) einen Erfolg verzeichnen. Auch in Österreich erkannte man die Rüstungsanstrengungen, vermutete aber, dass sich das Osmanische Reich gegen Venedig wenden würde. Als sich die osmanische Armee 1714 in Bewegung setzte und venezianische Besitzungen im heutigen Griechenland besetzte, gingen der Peloponnes sowie Kreta und weitere Inseln verloren.

1716 trat dann auch Österreich unter Prinz Eugen in den Krieg ein. Die Osmanen schickten ihm eine Armee von 150’000 Mann entgegen. Diese wurde am 5. August 1716 in der Schlacht von Peterwardein geschlagen, am 17. Oktober eroberten die Österreicher dann Temeswar.

Das nächste Ziel war Belgrad. Die Festung befand sich zwischen den Flussbiegungen von Save und Donau und war nur von südlicher Richtung aus direkt attackierbar. Durch diese strategisch günstige Lage hatte sie sowohl für die Habsburger wie für die Osmanen die Schlüsselstellung auf dem Balkan inne. Prinz Eugen, der bei der Belagerung der Stadt 1688 schwer verwundet worden war, forcierte mit Unterstützung des Kaisers den Aufbau einer schlagkräftigen Donauflottille: Sie hatte die Aufgabe, der kampferprobten osmanischen Donaustreitmacht Paroli zu bieten und die Versorgung des kaiserlichen Heeres zu sichern. Die Besatzungen für die eilig aufgestellte Flotte wurden kurzerhand aus den habsburgischen Niederlanden angeworben.

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Am 13. Mai 1717 verließ Eugen Wien und traf am 21. Mai bei seiner Truppe in Futog an der Donau ein. Noch bevor alle Truppenkörper ganz versammelt waren, marschierte er am 9. Juni 1717 mit circa 70’000 Mann auf Belgrad. Er wollte möglichst rasch mit der Belagerung beginnen, um die Stadt noch vor Eintreffen eines osmanischen Heeres zu nehmen. Das erste Problem war der Anmarsch: Da die Festung nur von Süden her erreichbar war, musste entweder die Save oder die Donau überquert werden. Der direkte Weg führte über die schmalere Save, doch lag dieser in Reichweite der Festungsgeschütze. Auf Anraten eines seiner Generäle wählte man jedoch die Überquerung weiter östlich über die Donau. Da die Osmanen damit nicht gerechnet hatten, gelang das Übersetzen vom 15. auf den 16. Juni ohne nennenswerten Widerstand. Schnell begann man Artilleriestellungen und Laufgräben anzulegen, ebenso Schanzen im Rücken des Heeres, die später so genannten eugenischen Linien, da man Eugen berichtet hatte, dass ein 150’000 Mann starkes osmanisches Heer im Anmarsch sei. Am 28. Juli traf die Entsatzarmee ein, die ihrerseits Schanzen anlegte. Die Belagerer wurden selber belagert, und der ursprüngliche Plan Eugens, das Entsatzheer vor den eugenischen Linien verbluten zu lassen und dann die Stadt zu nehmen, scheiterte, da die osmanische Streitmacht keinen Angriff startete. Stattdessen wurden seine Truppen nun zwischen der Festung und der osmanischen Armee in die Zange genommen. Durch Ausfälle, Feuerüberfälle, Kanonaden von zwei Seiten und Malaria aus den nahen Donau- und Saveauen starben viele seiner Soldaten.

Die Lage war gefährlich, denn die Osmanen hatten Zeit genug, um die kaiserlichen Truppen langsam aufzureiben. Die Rettung kam am 14. August, als Belgrad plötzlich von einer gewaltigen Explosion erschüttert wurde: Ein Mörser hatte das Pulvermagazin der Festung getroffen, auf einen Schlag starben an die 3.000 osmanische Verteidiger. Am folgenden Tag befahl Eugen einen Überraschungsangriff auf die osmanische Entsatzarmee für die Nacht auf den 16. August. Die Infanterie sollte im Zentrum, die Kavallerie an den Flanken angreifen. Außer der Besatzung der Laufgräben vor der Festung sollte sich jeder an dem Angriff beteiligen.

Da ein Nachtangriff in der damaligen Zeit ein Novum war, glückte die Überraschung. Als es nach Stunden nächtlichen Kampfes langsam hell wurde, nutzten die Osmanen eine Lücke im Zentrum der Kaiserlichen für einen Gegenangriff. Eugen schickte seine Reserven in die Lücke und begab sich selbst an die Spitze der Kavallerie. Der osmanische Gegenangriff wurde abgewehrt und in der Folge die osmanischen Schanzen erstürmt, woraufhin die osmanische Schlachtordnung in Unordnung geriet und der Rückzug angetreten wurde. Um 10 Uhr morgens war die Schlacht gewonnen. Die Besatzung von Belgrad kapitulierte am 18. August 1717 und zog unter freiem Geleit aus der Stadt ab. Die Verluste der Osmanen betrugen etwa 20’000 Mann sowie abermals reiche Vorräte an Munition, Kanonen und Verpflegung. Dagegen betrugen die Verluste der Kaiserlichen lediglich 5’400.

Das Volkslied von Prinz Eugen, dem edlen Ritter erzählt die Geschichte dieser Schlacht.

Literatur: Renate Barsch-Ritter: Österreich auf allen Meeren. Geschichte der K.(u.)K. Marine 1382 bis 1918. Graz, Wien, Köln 2000.
1770
Jakob Philipp Hackert: Die Zerstörung der türkischen Flotte in der Schlacht von Tschesme, 1771

Der 6. Russisch-Türkische Krieg begann im Jahr 1768, und Russland entsandte mehrere Ostsee-Schwadronen ins Mittelmeer, um die osmanische Aufmerksamkeit von der noch im Aufbau befindlichen neuen Schwarzmeerflotte abzulenken, die erst aus sechs Kriegsschiffen bestand. Zwei russische Schwadronen, angeführt vom Admiral Grigori Spiridow und dem britischen Berater Admiral John Elphinstone vereinigten sich unter dem Oberbefehl des Grafen Alexei Orlow und begannen nach der türkischen Flotte zu suchen.

Die Seeschlacht von Çeşme (auch Schlacht zu Tschesme) ereignete sich zwischen dem 5. Juli und dem 7. Juli 1770 in der Nähe der osmanischen Hafenstadt Çeşme. Sie war ein Teil der Orlow-Revolte in Griechenland, eines Vorläufers der späteren Griechischen Revolution, und die erste einer Reihe von siegreichen russischen Seeschlachten gegen das Osmanische Reich.

Die Seeschlacht von Çeşme wurde zur größten osmanischen Niederlage auf See seit der Schlacht von Lepanto im Jahr 1571. Die Schlacht förderte in Russland das Vertrauen in die Flotte und sicherte den Russen die Kontrolle über die Ägäis. Im Osmanischen Reich inspirierte die Vernichtung der Flotte viele Minderheiten zu Aufständen.

Katharina die Große befahl den Bau von vier Monumenten, um den Sieg zu ehren.

Literatur: Helmut Pemsel: Seeherrschaft – Eine maritime Weltgeschichte von den Anfängen bis 1850, Bd. 1, Bernard & Graefe Verlag, Augsburg 1996
1798-1801
Bonaparte besucht die Pestkranken anlässlich der Belagerung von Jaffa (1799), um die Moral zu stärken, obwohl er sich der Ansteckungsgefahr aussetzte (Gemälde von Antoine-Jean Gros, 1804, Louvre)

Als Napoleons Ägyptenfeldzug oder Ägyptische Expedition wird die militärische Unternehmung der Franzosen unter dem Kommando Napoleon Bonapartes in Ägypten in den Jahren von 1798 bis 1801 bezeichnet.

Die vom Direktorium vorgegebenen Ziele der Expedition waren: aus Ägypten eine französische Provinz zu machen, die britische Vormachtstellung im Mittelmeerraum zu beenden und im levantinischen Handel Frankreich eine herrschende Rolle zu sichern. Ägypten gehörte zum Osmanischen Reich, die Macht aber übten seit dem 17. Jahrhundert die Beys der Mameluken aus.

Am 9. Juni traf die Flotte vor Malta ein. Tags darauf wurden französische Soldaten auf die Insel entsandt. Der Malteserorden unternahm keine Anstrengungen, gegen ein christliches Heer zu kämpfen. Am 11. Juni wurde an Bord der L’Orient das Kapitulationspapier unterschrieben.  Die Flotte segelte danach weiter nach Ägypten und landete mit der gesamten Streitmacht bei Abukir. Am 2. Juli 1798 wurde Alexandria eingenommen. In der Schlacht bei den Pyramiden am 21. Juli 1798 etwas südlich von Gizeh wurde das osmanisch-ägyptische Heer zusammen mit einer Mamluken-Eliteeinheit unter Mourad Bey und Ibrahim Bey, insgesamt rund 5’000 Mann (zuzüglich 12’000 Dienern bzw. Waffenträgern), vernichtend in die Flucht geschlagen. Danach wurden Kairo und ganz Ägypten besetzt.

Napoléon erklärte in zwei Proklamationen an die Ägypter und an die Einwohner von Kairo, das Ziel der französischen Invasion sei die Befreiung des Landes von der Sklaverei und Ausbeutung der „Sippschaft“ (race) der Mamluken und ihrer selbstherrlichen Beys sei. Die Einwohner, ihre Familien, ihre Häuser und Eigentum würden geschützt. Ihre Lebensgewohnheiten, ihre Religion würden geachtet und zur Selbstverwaltung würden Dīwāne eingerichtet, besetzt mit einheimischen Würdenträgern.

Bereits am 1./2. August 1798 wurde die vor der ägyptischen Küste liegende französische Flotte von den Briten unter Admiral Nelson in der Seeschlacht bei Abukir vollständig vernichtet, so dass ein Rücktransport unmöglich und die Verbindung mit Frankreich unterbrochen waren. Napoleon ließ einen Aufstand in Kairo am 22. und 23. Oktober 1798 niederschlagen. Jean-Joseph Ader schrieb von 3000 Getöteten (bei 300 Toten auf französischer Seite) und sechs Hingerichteten.

Außenminister Talleyrand war unterdessen nicht, wie abgesprochen, nach Konstantinopel zur Hohen Pforte gereist, um ihr zu versichern, dass die Expedition nicht gegen das Osmanische Reich gerichtet sei. Unter britischem und russischem Druck erklärte das Osmanische Reich (damals unter Sultan Selim III.) schließlich doch Frankreich den Krieg.

Das Direktorium in Paris rechnete inzwischen mit einer Niederlage Bonapartes. Es wurde ihm überlassen, sich gegen Konstantinopel zu wenden, um eine Teilung des Osmanischen Reiches zu betreiben oder seine Stellungen in Ägypten zu behaupten. In jedem Falle erwarte man von ihm Maßnahmen und ruhmreiche Resultate.

Im Februar 1799 führte Napoleon mit 14’000 Mann einen Feldzug nach Syrien zur Verteidigung der Eroberung Ägyptens gegen ein sich formierendes osmanische Heer. Die anfänglichen Erfolge bei der Belagerung von al-Arisch, in Gaza, Hebron, Jaffa und am Berg Tabor endeten vor der Stadt Akkon, die Napoléon vom 20. März bis 21. Mai 1799 erfolglos belagerte.

Ein besonders dunkles Kapitel des Ägyptenfeldzugs war die Belagerung von Jaffa. Nach einer britischen Beschreibung ließ Bonaparte dort, neben 3’000 Mann der Festungsverteidiger, 1’400 weitere Gefangene exekutieren, die er zuvor bei al-Arisch gefangen genommen und freigelassen hatte, mit der Auflage, nicht mehr gegen die Franzosen zu kämpfen. Die Wut der Franzosen auf die Verteidiger von Jaffa war auch durch die Ermordung eines Parlamentärs aufgestachelt worden, dessen abgeschlagenen Kopf man aufgespießt auf der Festungsmauer den Franzosen präsentierte.

Napoleon musste sich schließlich – auch wegen hoher Verluste in den Kämpfen, wegen Beulenpest und wegen der Hitze – nach Ägypten zurückziehen, wo er aber am 25. Juli 1799 die Osmanen in der Schlacht bei Abukir vernichtend schlug.

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Da sich die Lage für Frankreich innenpolitisch durch die Misswirtschaft der Regierung und militärisch durch die Konfrontation mit der Zweiten Koalition dramatisch verschlechtert hatte und Österreich begann, seine italienischen Eroberungen und Republikgründungen wieder zunichtezumachen, kehrte Napoleon am 23. August 1799 unaufgefordert und mit vorgeschobenen Begründungen (seine Kritiker bezeichneten es als Desertion) nach Frankreich zurück. Er verließ seine Armee, ohne sie in einem Tagesbefehl darüber zu informieren, und übertrug das Oberkommando in Ägypten seinem dienstältesten General Kléber.

Kléber handelte mit den Osmanen den freien Abzug aus Ägypten aus. Als Großbritannien aber die bedingungslose Kapitulation forderte, wurde der Krieg fortgesetzt. Kléber schlug die Osmanen am 20. März 1800 bei Heliopolis vernichtend, besetzte Kairo nach Niederschlagung eines erneuten Aufruhrs wieder und bestrafte es mit einer hohen Kontribution. Kléber wurde am 14. Juni 1800 in Kairo von einem Muslim ermordet. Sein Nachfolger wurde Menou.

Am 8. März 1801 landeten 17’000 Mann britische Truppen unter dem Kommando der Generäle Abercrombie und Hutchinson bei Abukir. Das osmanische Heer unter Yussuf Pascha zählte mehr als 20’000 Krieger, darunter 6’000 Albaner und Janitscharen. Die französischen Truppen, die mehrere Städte und Festungen besetzt hielten, sollen 16’000 Mann stark gewesen sein. Am 21. März verloren sie bei Alexandria eine erste Schlacht, die Stadt selbst wurde eingeschlossen. Am 9. Mai fiel Ramanja, am 27. Juni kapitulierte Kairo und am 31. August Alexandria. Die französischen Truppen mussten Ägypten verlassen, konnten aber ihre Ausrüstungen mitnehmen. Die wissenschaftlichen Begleiter der Expedition sollten ihre Unterlagen und Aufzeichnungen abgeben. Sie protestierten heftig und drohten damit, diese eher ins Meer zu werfen als sie den Engländern zu übergeben. Schließlich durften sie sie behalten.

Auf britischen Schiffen wurden die Franzosen nach Frankreich zurückgebracht. Die Regierungen beider Länder nahmen Verhandlungen auf; im März 1802 wurde der Friede von Amiens unterzeichnet.

Die Expedition startete mit fast 30’000 Mann – fast 20’000 von ihnen starben, darunter die Generäle Kléber, Caffarelli du Falga, Bon und der Admiral Brueys. Frankreich verlor einen Großteil seiner Mittelmeerflotte, 11 Linienschiffen und 2 Fregatten sowie große Mengen an Waffen und Ausrüstung.

Literatur: Juan Ricardo Cole: Napoleon’s Egypt: Invading the Middle East. In deutscher Übersetzung 2010 unter dem Titel Die Schlacht bei den Pyramiden: Napoleon erobert den Orient. Theiss, Stuttgart 2010.
1808-1839
Mahmud II. (nach Einführung seiner Kleiderreform von 1828)

Sultan Mahmud II. (reg. 1808–1839) erreichte, was seinem Vorgänger Selim III. nicht gelungen war: Er ordnete 1826 die Aufstellung eines neuen, modernen Armeekorps an. Erwartungsgemäß revoltierten die Janitscharen, Mahmud nutzte jedoch seine neue Truppe, um in einem Massaker am 15. Juni 1826 das Janitscharenkorps, die einflussreichsten Reformgegner, gewaltsam abzuschaffen. Im gleichen Jahr ersetzte er die militärisch bedeutungslos gewordene Sipahi-Truppe durch eine moderne Kavallerie. Die osmanische Armee wurde nach europäischem Vorbild reformiert und nun ʿAṣākir-i Manṣūre-i Muḥammedīye („Siegreiche Armee Mohammeds“) genannt, um dem Vorwurf des Glaubensabfalls entgegenzutreten, an dem der Reformversuch Selims gescheitert war. Unterstützt von fähigen Beamten wie dem Militärreformer und Oberbefehlshaber Hüsrev Mehmed Pascha, dem Hauptsekretär der Hofkanzlei Canip Mehmet Besim Efendi und dem liberal gesinnten Großwesir Mehmet Said Galip Pascha setzte er seine Reformen durch. 1827 gründete Mahmud II. zunächst eine medizinische Militärhochschule, 1834 nach dem Vorbild der französischen Militärschule Saint-Cyr die Osmanische Militärakademie. Unterrichtssprache war Französisch. Er ordnete die Verwaltung neu, indem er Ministerien nach europäischem Vorbild schuf. 1831 gründete er das erste Amtsblatt in osmanisch-türkischer Sprache. In den 1830er Jahren wurden die osmanischen Botschaften in Westeuropa wieder eröffnet. Um im diplomatischen Austausch nicht mehr von griechischen Dolmetschern abhängig zu sein, wurde ein Übersetzungsbüro eingerichtet. Den politischen Einfluss der Zentralregierung auf die islamische Gelehrtenschaft stärkte er, indem er dem obersten Religionsgelehrten den Status eines Staatsbeamten verlieh. Ein Ministerium für religiöse Stiftungen kontrollierte nun die Finanzen. Erwirtschaftete Überschüsse mussten nun an den Staat abgeführt werden.

Die Reformen Mahmuds II. ließen im Reich eine neue Elite entstehen, die der Sprachen und politischen und gesellschaftlichen Bräuche Westeuropas kundig war. Der Einfluss der Religionsgelehrten wurde schrittweise vermindert und umgangen. Als der politische und wirtschaftliche Druck Europas sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer stärker auszuwirken begann, waren es diese Menschen, die Mahmuds Reformen fortsetzten und eine neue Epoche im Osmanischen Reich mit einleiteten.

Literatur: Klaus Kreiser: Das letzte osmanische Jahrhundert. In: Klaus Kreiser, Christoph K. Neumann: Kleine Geschichte der Türkei. Bonn 2005
1876
Abdülhamid II. war vom 31. August 1876 bis zum 27. April 1909 Sultan des Osmanischen Reiches. Er war der zweite Sohn des Sultans Abdülmecid I. und folgte seinem Bruder Murad V. nach dessen Absetzung auf den Thron.

Innenpolitisch brach Abdülhamid II. das konstitutionelle Experiment ab und regierte autokratisch. Im Hintergrund dieses Vorgehens stehen der Umstand, dass einerseits sein Onkel Abdülaziz durch einen Putsch hoher Beamter und Offiziere abgesetzt worden und unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen war, und andererseits Russland die Einführung der Verfassung zum Anlass für ein militärisches Eingreifen genommen hatte, das für das osmanische Reich desaströs endete. Bei großen Gebieten, die nominell weiter zum Reich gehörten (Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Ostrumelien, Zypern, Ägypten, Tunis) war deren parlamentarische Vertretung in einem osmanischen Parlament politisch so gut wie ausgeschlossen. Der Reformer und kurzfristige Großwesir Midhat Pascha wurde unter Berufung auf Artikel 113 der von ihm initiierten Verfassung ins Exil geschickt und das Parlament geschlossen. Abdülhamids Regierungszeit war durch Despotie und Spitzelei geprägt. Als letzter Sultan seiner Dynastie regierte er als Alleinherrscher. Die osmanische Verfassung blieb aber formell weiterhin in Kraft und wurde, mit Ausnahme der Bestimmungen über das osmanische Parlament, weiterhin angewandt.

In seine Regierungszeit fallen auch die Massaker an den Armeniern in den Jahren 1894-1896.

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Die Massaker an den Armeniern von 1894 bis 1896 wurden durch die osmanische Regierung – namentlich von Sultan Abdülhamid II. – veranlasst. Die Massaker begannen in der Region Sason und wurden dann auf alle armenischen Siedlungsgebiete ausgeweitet. Die Zahl der Todesopfer lag zwischen 80’000 und über 300’000. Mit Hilfe der lokalen muslimischen Bevölkerung und der Hamidiye-Einheiten wurden zudem Deportationen und Plünderungen durchgeführt und auch versucht, christliche Teile der Bevölkerung zur Konversion zum Islam zu zwingen.

Im Unterschied zum Genozid des 20. Jahrhunderts handelte es sich noch nicht um einen Versuch, sämtliche Armenier des Osmanischen Reiches zu vertreiben oder zu ermorden, stattdessen sollte die alte Ordnung der Dominanz der Moslems über die Christen wiederhergestellt werden.

Die Gründe der Täter lagen in der Überzeugung, man könne die lang andauernde Schwächung des Osmanischen Reiches durch eine Verwandlung in eine rein türkisch-islamische Bastion aufhalten, was unter anderem durch „genozidal eingefärbte Religiozide“ umgesetzt werden sollte.

Obwohl sich die Massaker hauptsächlich gegen die Armenier richteten, wandelten sie sich zu allgemein antichristlichen Pogromen, wie bei dem Massaker von Diyarbakır. Die Osmanen unterdrückten auch Revolten anderer Minderheiten, die härtesten Maßnahmen richteten sich aber gegen die Armenier. Die Verantwortlichen des Osmanischen Reiches unterschieden dabei nicht zwischen nationalistischen Dissidenten und der armenischen Bevölkerung in ihrer Gesamtheit. Die US-amerikanische Missionarin und Zeitzeugin Corinna Shattuck beschrieb das Massaker vom 28. Dezember 1895 in Urfa, bei dem von 4’000 Opfern etwa 1’500 in einer Kirche lebendig verbrannt wurden, in einem Brief von 1896 als „ein Massaker, das zu einem großen Holocaust wurde“.

Die Vorgänge fanden in Westeuropa und den Vereinigten Staaten durchaus aktuelle Aufmerksamkeit, so berichtete die New York Times am 10. September 1895 unter der Schlagzeile „Ein weiterer Armenischer Holocaust“. William Mitchell Ramsay beschrieb 1897 ausführlich das Massaker und schloss: „Die Armenier werden mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit ausgerottet werden, soweit sie nicht in andere Länder entkommen können“. Sowohl in Europa wie auch in Amerika empörte man sich, sah der Verfolgung aber letztendlich tatenlos zu.

Literatur: Ferenc Majoros, Bernd Rill: Das Osmanische Reich 1300–1922. Die Geschichte einer Großmacht. Marix, Wiesbaden 2004
1914-1918
Mehmed V., vorletzter Sultan des Osmanischen Reichs, flankiert von seinen Weltkriegsverbündeten: Kaiser Wilhlem II. und Kaiser Franz Josef I.

Mehmed V. Reşad – auch Mohammed V.  war ein Sohn Abdülmecids I., seine Mutter war Gülcemal Kadın Efendi. Ihm wurden Ambitionen auf den Thron nachgesagt, so dass sein regierender Bruder Abdülhamid II. ihn von der Öffentlichkeit und der politischen Macht abzuschotten versuchte.

Während der Regierung seines Bruders Abdülhamid II. war Mehmed Reşad politischer Gefangener. Er lebte 45 Jahre in strengem Gewahrsam in seinem im nördlichen Istanbul auf der europäischen Seite gelegenen Konak Sindschirli Kuju (deutsch Sindschirli Kuju-Palast). Diese lange Gefangenschaft hatte die physischen und geistigen Kräfte Mehmed Reşads gebrochen, so dass er zur Zeit der Absetzung seines Bruders ein apathischer, siecher, zu jedweder Arbeit unfähiger Greis war. Eben deshalb jedoch war er für die Jungtürken, welche selbst regieren und durch den Monarchen nicht beeinträchtigt werden wollten, ein erwünschter Thronkandidat. Im Sommer 1908 wurde Abdülhamid von den Jungtürken dazu gezwungen, die osmanische Verfassung von 1876 in Kraft zu setzen und die eigene Macht zu begrenzen. Als der Sultan im folgenden Jahr dies wieder rückgängig zu machen versuchte, setzten die Jungtürken ihn am 27. April 1909 endgültig ab und ersetzten ihn durch Mehmed, der im Alter von 64 Jahren Sultan und Kalif wurde.

Dessen Regierungszeit war durch Rückschläge für das Osmanische Reich und der Manifestation des Begriffes des „kranken Mannes am Bosporus“ gekennzeichnet. Am Anfang seiner Herrschaft musste er die österreichische Annexion Bosniens und der Herzegowina sowie die Unabhängigkeit Bulgariens anerkennen. Die letzten nordafrikanischen Besitzungen westlich von Ägypten verlor er bis 1912 an Italien. Ägypten selbst stand nur noch formell unter osmanischer Herrschaft und wurde de facto von den Briten kontrolliert. Es folgten Aufstände in Albanien und die beiden Balkankriege 1912 und 1913, die die osmanische Herrschaft dort beendeten. Kurz darauf gelang es Mehmed V., ein kleineres Gebiet um Adrianopel zurückzuerobern und 1914 mit dem Russischen Reich per Vertrag den Grenzverlauf in Armenien friedlich festzulegen.

Am 2. August 1914 schloss Mehmed V. ein Defensivbündnis mit dem Deutschen Reich gegen Russland. Er versuchte zunächst, im beginnenden Ersten Weltkrieg neutral zu bleiben; auf Druck der Jungtürken trat er Anfang Oktober 1914 in den Krieg aufseiten der Mittelmächte ein und ernannte Enver Pascha zum Kriegsminister. Nach dem Verlust Zyperns und Ägyptens gelang es Mehmed V., eine stabile Defensive gegen die Briten am Suezkanal und im Irak aufzubauen. Russland eroberte zwar Armenien, doch wurde dies später im Frieden von Brest-Litowsk wieder rückgängig gemacht. In der letzten Phase des Krieges gingen schließlich Syrien, Palästina und das Zweistromland verloren.

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Am 1. Februar 1916 wurde Mehmed V. zum Generalfeldmarschall des Deutschen Reichs ernannt und am 19. Mai 1918 – im Zuge eines Staatsbesuchs Kaiser Karls I. in Istanbul – zum Feldmarschall Österreich-Ungarns.

Mehmed V. starb am 3. Juli 1918 im Alter von 73 Jahren, vier Monate vor dem Ende des Ersten Weltkrieges. Laut Arztbericht hatte er zunächst eine Woche lang leichte Verdauungsbeschwerden, ab 25. Juni aber heftiges Fieber – beides typische Symptome der Spanischen Grippe, die damals in Europa wütete. Das Fieber mit zuletzt 39,5 °C verschärfte die schon vorher vorhandene Zuckerkrankheit.[1] Den Untergang des Osmanischen Reiches erlebte er nicht mehr. Als (letzter) Sultan und Kalif folgte ihm sein Halbbruder Mehmed VI.

Den größten Teil seines Lebens verbrachte Mehmed V. im Dolmabahçe-Palast und Yıldız-Palast in Konstantinopel. Sein Grab befindet sich im historischen Eyüp-Viertel der Stadt.

Er hinterließ zwei Söhne: Prinz Mehmed Ziyaeddin (1873–1938) und Prinz Ömer Hilmi (1886–1935). Seine einzige Tochter, Prinzessin Refia (* 1888), starb bereits als Säugling. Ein weiterer Sohn, Prinz Mehmed Necmeddin (1878–1913) starb vor seinem Vater. Er war Sohn von Dürridem Kadın Efendı gewesen, die in Kars geboren und georgischer Herkunft war. Sie war damals die zweite Frau, wurde aber im Jahre 1887 geschieden, und die Konkubine Mihrengiz nahm ihren Platz als zweite Frau ein.

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1923
Reiterstandbild Mustafa Kemal Atatürk’s in Ankara’s Stadtteil Ulus

Kemal Atatürk (bis 1934: Mustafa Kemal Pascha, von 1935 bis 1937: Kamâl Atatürk; (* 1881 in Selânik, Osmanisches Reich; † 10. November 1938 in Istanbul), auch als Mustafa Kemal Atatürk bezeichnet, war der Begründer der Republik Türkei und von 1923 bis 1938 erster Präsident der nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Osmanischen Reich hervorgegangenen modernen Republik.

Seine Verdienste als Offizier bei der Verteidigung der Halbinsel Gallipoli 1915 gegen alliierte Truppen, welche die Dardanellen unter ihre Kontrolle bringen wollten, und ab 1921 der Abwehrkampf gegen die nach Anatolien vorgedrungenen Griechen ließen ihn zur Symbolfigur türkischen Selbstbehauptungswillens und Nationalbewusstseins werden. Als Machtpolitiker, der die Modernisierung seines Landes nach westlichem Vorbild beharrlich vorantrieb, schuf er mit der Abschaffung von Sultanat und Kalifat sowie mit weitreichenden gesellschaftlichen Reformen einen in dieser Form einmaligen Staatstypus. Darauf beruhen – trotz teilweiser Kontroversen über sein Wirken – die personenkultartige Verehrung, die ihm in der Türkei bis heute entgegengebracht wird, und die Unangefochtenheit des ihm 1934 vom türkischen Parlament verliehenen Nachnamens Atatürk (Vater der Türken).

Literatur: Johannes Glasneck: Die Rolle der Persönlichkeit Kemal Atatürks im nationalen Befreiungskampf der Völker des Nahen Ostens. Akademie-Verlag, Berlin 1983. Neuauflage: Kemal Atatürk und die moderne Türkei. Ahriman-Verlag, Freiburg 2010.

Peter I. von Serbien und der Balkan – das Pulverfass an der Schnittstelle zwischen Orient und Okzident

Web 2 King Peter I Of Serbia 1844 1921 Granger

Im Fadenkreuz der Mächte  und im kreuzfeuer der historiker

Seit Jahrhunderten steht der Balkan im Visier dreier Mächte und dreier Konfessionen; der katholischen habsburgischen Doppelmonarchie, des orthodoxen Russland und der islamischen Türkei. Ihre nie endgültig gelösten Interessenskonflikte spielen bis auf den heutigen Tag eine Rolle und bedürfen der dauerhaften, internationalen sowohl politisch als auch militärischen Beobachtung.

Der Begriff „Balkan“ wird in Westeuropa im Hinblick auf Konnotationen wie Zersplitterung, Konfliktträchtigkeit („Pulverfass Europas“), Rückständigkeit, Korruption und übermäßige Emotionalität oft abwertend gebraucht. Metternich meinte, der Balkan beginne schon am Rennweg in Wien-Landstraße. Bismarck wird der Spruch nachgesagt, der Balkan sei „nicht die Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert“. Winston Churchill bezeichnete den Balkan, als sich dieser nach dem deutschen Balkanfeldzug 1941 in der Hand des Dritten Reiches befand, als „Europas weichen Unterleib“. Diese wenig schmeichelhaften Beurteilungen, die inhaltlich eigentlich deckungsgleich sind basieren letztlich alle auf dem Umstand, dass durch die südosteuropäischen Länder – um den Begriff der „Balkanstaaten“ bewusst zu vermeiden – seit Menschengedenken eine Grenze verlief, die den heute damit verstandenen Begriff einer Staatsgrenze bei weitem übertrifft. Am Prellbock der „morgen- und abendländischen Kultur“ musste es zu fortlaufenden Reibereien kommen, die offensichtlich bis auf den heutigen Tag nicht abschliessend ausgetragen sind.

Die Gesschichte dieses Konglomerats an Ethnien, Religionen und Wertvorstellungen ist äusserst komplex und deren Darstellung wird bis auf den heutigen Tag von der Auseinandersetzung mit der eigentlichen Deutungshoheit geprägt. Serbische Historiker – und Politiker werden die Vergangenheit der Region immer anderst beurteilen, als dies ihre türkischen, bosnischen, herzegowinischen, albanischen, kosowarischen oder kroatischen Berufskollegen tun und auch diese sind sich untereinander oft uneinig. Aber auch „aus der Ferne“ betrachtet beurteilen Historiker aus dem „Westen“ dies ebenso different, wie jene aus dem „russischen Einzugsgebiet“.

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Wie unterschiedlich die tradierte Geschichte interpretiert wird und entsprechende Emotionen zu wecken mag, kann möglicherweise anhand eines – sicherlich überspitzten und auf dem Balkan als Witz erzählten – Sachverhalts aufgezeigt werden. 1953 veröffentlichte Ivo Andrić (1892- 1975 seinen historischen Roman „Die Brücke über die Drina“, für welchen er 1961 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Das Werk fand entsprechende Aufmerksamkeit und Verbreitung.

Der Roman umfasst vier Jahrhunderte einer Chronik dieser Region, zunächst unter osmanischer und später unter österreichisch-ungarischer Herrschaft und erzählt vom Zusammenleben der Nationen und Religionen in der Gegend von Višegrad vor dem Hintergrund der Brücke und der dazugehörigen Karawanserei und des Flusses Drina. Die Handlung setzt ein zur Zeit der Geburt des späteren Großwesirs Sokollu Mehmed Pascha in Rudo 1506, erzählt vom auf dessen Veranlassung erfolgten Bau der Brücke als Verbindung zwischen dem osmanischen Kernland und dem späteren Bosnien und Herzegowina. Andrić zeichnet die Welt der Menschen an und auf der Brücke, auf deren Mitte Bosnier und Türken, Christen und Muslime, Orient und Okzident aufeinandertreffen. Er erzählt von der Krise des Reiches, der Übernahme Bosniens durch Österreich-Ungarn nach dem Berliner Kongress, dem Aufstieg des Nationalismus und den Krisen und Kriegen bis ins 20. Jahrhundert. Das Buch endet mit der Sprengung der Brücke durch die sich vor den Serben zurückziehende österreichische Armee, als die Drina im Ersten Weltkrieg zur Frontlinie wurde.

Auf die oft seitens westlicher Besucher an Bewohner Bosniens gestellte Frage – und so beginnt der Witz – ob er dann das Buch von Andrić gelesen habe, beantwortet er diese Frage anhand nachfolgender Geschichte: „Ein westlicher Ausländer ist in Bosnien herumgereist, ist zu den Serben, zu den Muslimen und den Kroaten gegangen und hat sich bei allen als Intimfreund Ivo Andrić‘ und als Bewunderer seiner schriftstellerischen Leistung vorgestellt. Dreimal, von allen drei Konfessionsgruppen, ist er daraufhin verprügelt worden“. (Zitiert nach Scholl-Latour, im Fadenkreuz der Mächte, Gespenster am Balkan,1994, S.13)

Diese Anektote vermittelt die Problematik ja die Unmöglichkeit, es allen recht zu machen und wer sich mit der Geschichte der Balkanstaaten beschäftigt, läuft zwangsläufig Gefahr mit inhaltlich entgegnenden oder zumindest relativierenden Kommentaren konfrontiert zu werden.

Das Spannungsfeld Österreich – Bosnien – SERBIEN

Das zum Verständnis der Spannungen zwischen Belgrad, Wien und St. Petersburg im Vorfeld des Ersten Weltkrieges notwendige Wissen befreit den Autor dieser Zeilen von der Aufgabe der Abfassung einer historischen Gesamtdarstellung. Die heute ursächlichen Spannung basieren auch auf den nachfolgenden Kriegen des 20. Jahrhunderts und wenn man sich zur Aussage verleiten lässt, dass der Erste Weltkrieg ein Krieg der Urgossväter, der Zweite jener der Grossväter war und der Jugoslawienkrieg (1991-1999) dann durch die Väter und deren Söhne ausgetragen wurde, impliziert dies, dass ertragene Repressionen im vorangehenden Konflikt immer auch von Tatbestand der Revanche oder Rache befeuert wurden – und wohl auch weiter werden.

Im Folgenden liegt der Fokus also auf der Entwicklung der relevanten Situation in Serbien und Bosnien. Diese beginnt, wen wunderts, mit dem Grossen Türkenkrieg (1683-1699) der Heiligen Liga gegen das Osmanische Reich und den legendären Erfolgen des Prinzen Eugen von Savoyen als österreichischer Feldherr. Das Osmanische Reich musste grosse Gebietsabtretungen verkraften und Österreich stieg zur Grossmacht auf. Allerdings würde es den Rahmen sprengen, die Beziehung des Hauses Habsburg zu den Balkangebieten ab Ende des 17. Jahrhunderts aufzuzeigen.

Von Bedeutung war die Etablierung einer eigentlichen Verteidigungslinie entlang der neuen Grenzen des Osmanischen Reiches, welche als Militärgrenze in die Geschichte einging.Zur Zeit ihrer größten Ausdehnung im Jahre 1850 umfasste die Militärgrenze ein Gebiet von 50.000 Quadratkilometern und erstreckte sich zuletzt über eine Länge von 1850 km.

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Orgnaisatorisch bestand diese Zone aus den vier Generalfkommanden der Kroatischen (1538–1878), Slawonischen (1702–1878) sowie Banater (1742–1872) und Siebenbürger Grenze (1764–1851) mit den dazugehörigen Grenzregimentern.

Die Bevölkerung der Militärgrenze setzte sich größtenteils aus Serben, Kroaten, Rumänen und anderen orthodoxen Christen zusammen. Einen anderen Teil der Bevölkerung stellten Deutsche und Ungarn, darüber hinaus Walachen, Bulgaren, Morlaken, Albaner, Mazedonier, Bosniaken, Montenegriner und Slowenen.

In der Militärgrenze siedelten in erster Linie Serben und Kroaten. Sie waren von Abgaben befreit, lebten im Verband der Großfamilie und leisteten Wach- und Kriegsdienste. Erst nach der Auflösung der Militärgrenze kam es auch hier zur Ansiedlung deutschsprachiger Siedler.

Als Ausgleich für die Wehrpflicht gab es für die Grenzer die Privilegien der Steuer- sowie der Religionsfreiheit. Die Zivilbehörden waren an Weisungen des Militärkommandanten gebunden, der direkt dem Herrscher unterstellt war. Die allgemeine Schulpflicht gab es hier erst ab 1826, nachdem sie in Zivilkroatien bereits 1774 durch Maria Theresia eingeführt worden war.

Die nach den Grossen Türkenkriege etablierte Militärgrenze mit den vier Kommandobereichen Kroatien, Slawonien, Banat und Siebenbürgen. Darstellung aus Scholl-Latour, Im Fadenkreuz der Mächte.

Neben zahlreichen, lokal bedeutenden Schlüsselereignisse drängen sich zwei Kongresse auf, anlässlich welchen die Zukunft Südösteuropas festgelegt werden sollte. Der Wiener Kongress 1814/15 und der Berliner Kongress von 1878. Der Berliner Kongress war eine Versammlung von Vertretern der europäischen Großmächte: Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Italien und Russland sowie des Osmanischen Reiches, auf der die Balkankrise von 1875-1878 beendet und eine neue Friedensordnung für Südosteuropa ausgehandelt wurde.

Berliner Kongress (Ölgemälde von Anton von Werner, 1881, 3,60 × 6,15 m für das Rote Rathaus in Berlin). Abgebildet (v. l. n. r.): von Haymerle, Károlyi, de Launay, Gortschakow (sitzend), Waddington, Disraeli, von Radowitz, zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Corti, Graf de Mouy[ (halb verdeckt), d’Oubril (sitzend), de Saint-Vallier (verdeckend), Desprez, Andrássy, Bucher, Otto von Bismarck, von Holstein, Busch, Herbert von Bismarck, Schuwalow, Sadullah Bey, Russell, von Bülow, Salisbury, Carathéodori und Mehmed Ali Pascha, Bild aus: Wikipedia.
Balkan 1815
Die Balkanländer während der Zeit vom Wiener Kongress (1815) bis zum Berliner Kongress (1878); Abbildung aus Putzger, Historischer Weltatlas, Schweizer Ausgabe, 2004.
Balkan1878
Die Balkanländer während der Zeit vom  Berliner Kongress (1878) bis Anfang des Ersten Weltkriegs (1915); Abbildung aus Putzger, Historischer Weltatlas, Schweizer Ausgabe, 2004.

TIMELINE X: SERBIEN WIRD UNABHÄNGIG, BOSNIEN WIRD BESETZT

Die frühe, bis heute andauernde Bindung Serbiens an das russische Reich (oder deren Nachfolgestaaten) basiert auf dem Vertrag von 1804. Darstellung: Accola

Die russische Schirmherrschaft gegenüber Serbien garantiert deren Unterstützung im Kriegsfall. Im Fokus stand der Erste serbische Aufstand gegen die osmanische Beherrschung des Balkans und Stärkung der chritlich-orthodoxen, slawischen Kultur auf dem Balkan.

Litearatur:  Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.–21. Jahrhundert. Böhlau, Köln/Weimar, 2007.
Đorđe Petrović Karađorđe, der “Schwarze Đorđe”: Anführer des Ersten Serbischen Aufstands, Bild: Vladimir Borovikovsky, 1816; Digital: Wikipedia

Der Erste Serbische Aufstand von 1804 bis 1813 war die erste national- und sozialrevolutionäre Erhebung während der Serbischen Revolution, in deren Folge sich Serbien vollständig vom Osmanischen Reich emanzipierte und nachfolgend als Nationalstaat etablierte.

Litearatur:  Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.–21. Jahrhundert. Böhlau, Köln/Weimar, 2007.
Miloš Obrenović, 1848, Prinz von Serbien

Der Zweite Serbische Aufstand  von 1815 bis 1817 war die zweite Phase der nationalrevolutionären Erhebung der Serben gegen das Osmanische Reich, welche kurz nach der erneuten Annexion Serbiens durch das Osmanische Reich ausbrach. Der Aufstand führte schließlich zur begrenzten Unabhängigkeit Serbiens. Das Fürstentum Serbien, wie es genannt wurde, wurde von seinem eigenen Parlament in der neuen Hauptstadt Belgrad regiert, hatte seine eigene Verfassung und eine königliche Dynastie.

Litearatur:  Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.–21. Jahrhundert. Böhlau, Köln/Weimar, 2007.
Gefecht bei Jaice am 7. August 1878

Im Okkupationsfeldzug von 1878 besetzte Österreich-Ungarn die ihm im Berliner Kongress zur Verwaltung zugesprochenen osmanischen Provinzen Bosnien und Herzegowina. Dabei kam es zum bewaffneten Widerstand vor allem durch die muslimische Bevölkerung.

Literatur: Gesellschaft für österreichische Heereskunde (Hrsg.): Militärische Friedensmission Österreich-Ungarns im Auftrag der europäischen Großmächte 1878/79. Teil 1 der dreiteiligen Reihe: Pulverfass Balkan, Bosnien Herzegowina (= Militaria austriaca, Nr. 11/1992), Fritz H. Baer (Bearbeiter), Stöhr, Wien 1992
Peter I. war von 1903 bis 1918 König der Serben und ab 1918 bis zu seinem Tod König der Serben, Kroaten und Slowenen. Er stammte aus dem Haus Karađorđević und erhielt den Beinamen Petar Oslobodilac (der Befreier).

Das Königreich Serbien  war ein Staat auf dem Balkan, der sich aus dem Fürstentum Serbien entwickelte und 1878 beim Berliner Kongress selbstständig wurde. 1882 wurde Serbien zum Königreich. Der Staat existierte bis 1918 und ging dann im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (dem späteren Jugoslawien) auf. Zunächst in festen Händen des Hauses Obrenović, die bereits als Fürsten Serbiens in Amt und Würde waren, wechselte der serbische Thron 1903 in die Dynastie des Hauses Karađorđević.

Litearatur:  Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.–21. Jahrhundert. Böhlau, Köln/Weimar, 2007.
Französische Karikatur im Oktober 1908: Sultan Abdülhamid II. sieht hilflos zu, wie Kaiser Franz Joseph Bosnien-Herzegowina und Zar Ferdinand Bulgarien aus dem Osmanischen Reich herausreißen.

Als Bosnische Annexionskrise oder einfach nur als Bosnische Krise bezeichnet man die Krise, welche auf die Annexion der bis dahin völkerrechtlich zum Osmanischen Reich gehörigen Gebiete von Bosnien und Herzegowina durch Österreich-Ungarn im Jahr 1908 folgte. Am 16. September 1908 verabredeten der österreichische Außenminister Alois Lexa Freiherr von Aehrenthal und der russische Außenminister Alexander Petrowitsch Iswolski auf, dass Österreich Bosnien und Herzegowina erwerben könne, Russland im Gegenzug das Einverständnis Österreich-Ungarns mit der freien Durchfahrt russischer Kriegsschiffe durch den Bosporus und die Dardanellen erhalten sollte.

Im Verlauf der Krise 1908 schlug Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf mehrmals vor, bei der Gelegenheit auch Serbien zu erobern. Montenegro sollte ebenfalls ausgeschaltet werden oder wenigstens eine „Einengung“ erfahren. Die Südslawen sollten einen Komplex im Rahmen der Monarchie bilden und dem Habsburgerreich, wie Bayern dem Deutschen Reich, untergeordnet werden. Weiters strebte er damals die Gewinnung Albaniens, des westlichen Makedoniens und Montenegros an, mit dem strategischen Ziel, Saloniki als österreichische Bastion an der Ägäis zu etablieren. Sein imperialistisches Ziel war die Vereinigung aller West- und Südslawen unter österreichischer Herrschaft, was er mit der missionarischen Idee einer Stärkung der christlichen Kultur rechtfertigte.Diese Pläne wurden von Außenminister Alois Lexa von Aehrenthal zurückgewiesen.

Literatur: Karl Adam: Großbritanniens Balkandilemma. Die britische Balkanpolitik von der bosnischen Krise bis zu den Balkankriegen 1908–1913. Hamburg 2009
MIlitärischer Verlauf des Ersten Balkankrieges (1912); Ausschnitt aus der Darstellung auf Wikipedia unter dem entsprechenden Suchbegriff.

Die Balkankriege waren zwei Kriege der Staaten der Balkanhalbinsel in den Jahren 1912 und 1913 im Vorfeld des Ersten Weltkriegs. Als Folge wurde das Osmanische Reich in Europa bis in die heutigen Grenzen der Türkei verdrängt und musste große Gebiete an die Nachbarländer abtreten.

Die Balkankriege waren Wegbereiter für den Eintritt der südosteuropäischen Staaten in den Ersten Weltkrieg. Das Osmanische Reich trat ebenso wie das auf dem Balkan isolierte Bulgarien an der Seite der Mittelmächte in den Krieg ein. Beide Mächte strebten eine Revision der neu gezogenen Grenzen an.

Im Gegensatz zum Leitbild der „politischen Kriege“, das zu dieser Zeit in Europa herrschte, waren die Balkankriege von einem hohen Maß an ethnisch begründeter Gewalt geprägt. Alle Seiten ermordeten und vertrieben zahlreiche Zivilisten der jeweils anderen Völker. Der Frieden von Konstantinopel von 1913 gilt als der erste Friedensvertrag der Geschichte, der einen geplanten Bevölkerungsaustausch zwischen den Vertragspartnern mit dem Ziel einer ethnischen Entmischung vorsah. Im Frühsommer 1914 folgte ein ähnliches Abkommen zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich, das wegen des beginnenden Ersten Weltkrieges jedoch kaum umgesetzt wurde.

Die Balkankriege und der folgende Erste Weltkrieg vergifteten für Jahrzehnte die Beziehungen zwischen den Balkanvölkern.

Literatur: Katrin Boeckh: Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung am Balkan. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1996
Einschussloch im „Wagen von Sarajewo“, zu sehen im Heeresgeschtlichen Museum Wien.

Anlässlich einer Inspektionsreise bei den bosnischen Truppen erliegt das österreichische Thronfolgerpaar in Serbien einem Anschlag. Das von der serbischen Geheimgesellschaft „Schwarze Hand“ geplante Attentat in der bosnischen Hauptstadt löste die Julikrise aus, die schließlich zum Ersten Weltkrieg führte. Mehr dazu unter der Seite: Der Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Literatur: Christian Ortner, Thomas Ilming: Das Auto von Sarajevo. Der geschichtsträchtigste Oldtimer der Welt, Verlag Edition Winkler-Hermaden, Wien 2014
Im Nachgang an das österreichische Ultimatum an Serbien drehen die Mühlen der Diplomatie.

Die Julikrise war die Zuspitzung der Konfliktlage zwischen den fünf europäischen Großmächten sowie Serbien, die auf die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 folgte und zum Ersten Weltkrieg führte. Bis heute werden die Motive und Handlungsweisen aller beteiligten Mächte, Politiker und Diplomaten sowohl in der Öffentlichkeit als auch unter Historikern kontrovers diskutiert.

Das dem serbischen König gegenüber durch Österreich gestellte Ultimatum war, da sind sich die Historiker hingegen einig, derart formuliert, dass ein souveräner Staat auf derartige Forderungen nicht eintreten konnte.

Am 28. Juli 1914 richtete sich der greise Kaiser Franz Josef „An seine Völker“ und erklärte Serbien den Krieg. Mehr dazu und zur Juikrise: weiter unten.

Literatur: Christopher Clark: The Sleepwalkers. How Europe went to War in 1914. Allen Lane, London u. a. 2012,  Deutsch: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Gerd Krumeich: Juli 1914. Eine Bilanz. Schöningh, Paderborn 2013.
1804
Die frühe, bis heute andauernde Bindung Serbiens an das russische Reich (oder deren Nachfolgestaaten) basiert auf dem Vertrag von 1804. Darstellung: Accola

Die russische Schirmherrschaft gegenüber Serbien garantiert deren Unterstützung im Kriegsfall. Im Fokus stand der Erste serbische Aufstand gegen die osmanische Beherrschung des Balkans und Stärkung der chritlich-orthodoxen, slawischen Kultur auf dem Balkan.

Litearatur:  Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.–21. Jahrhundert. Böhlau, Köln/Weimar, 2007.
1804-1813
Đorđe Petrović Karađorđe, der “Schwarze Đorđe”: Anführer des Ersten Serbischen Aufstands, Bild: Vladimir Borovikovsky, 1816; Digital: Wikipedia

Der Erste Serbische Aufstand von 1804 bis 1813 war die erste national- und sozialrevolutionäre Erhebung während der Serbischen Revolution, in deren Folge sich Serbien vollständig vom Osmanischen Reich emanzipierte und nachfolgend als Nationalstaat etablierte.

Litearatur:  Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.–21. Jahrhundert. Böhlau, Köln/Weimar, 2007.
1817
Miloš Obrenović, 1848, Prinz von Serbien

Der Zweite Serbische Aufstand  von 1815 bis 1817 war die zweite Phase der nationalrevolutionären Erhebung der Serben gegen das Osmanische Reich, welche kurz nach der erneuten Annexion Serbiens durch das Osmanische Reich ausbrach. Der Aufstand führte schließlich zur begrenzten Unabhängigkeit Serbiens. Das Fürstentum Serbien, wie es genannt wurde, wurde von seinem eigenen Parlament in der neuen Hauptstadt Belgrad regiert, hatte seine eigene Verfassung und eine königliche Dynastie.

Litearatur:  Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.–21. Jahrhundert. Böhlau, Köln/Weimar, 2007.
1878
Gefecht bei Jaice am 7. August 1878

Im Okkupationsfeldzug von 1878 besetzte Österreich-Ungarn die ihm im Berliner Kongress zur Verwaltung zugesprochenen osmanischen Provinzen Bosnien und Herzegowina. Dabei kam es zum bewaffneten Widerstand vor allem durch die muslimische Bevölkerung.

Literatur: Gesellschaft für österreichische Heereskunde (Hrsg.): Militärische Friedensmission Österreich-Ungarns im Auftrag der europäischen Großmächte 1878/79. Teil 1 der dreiteiligen Reihe: Pulverfass Balkan, Bosnien Herzegowina (= Militaria austriaca, Nr. 11/1992), Fritz H. Baer (Bearbeiter), Stöhr, Wien 1992
1882
Peter I. war von 1903 bis 1918 König der Serben und ab 1918 bis zu seinem Tod König der Serben, Kroaten und Slowenen. Er stammte aus dem Haus Karađorđević und erhielt den Beinamen Petar Oslobodilac (der Befreier).

Das Königreich Serbien  war ein Staat auf dem Balkan, der sich aus dem Fürstentum Serbien entwickelte und 1878 beim Berliner Kongress selbstständig wurde. 1882 wurde Serbien zum Königreich. Der Staat existierte bis 1918 und ging dann im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (dem späteren Jugoslawien) auf. Zunächst in festen Händen des Hauses Obrenović, die bereits als Fürsten Serbiens in Amt und Würde waren, wechselte der serbische Thron 1903 in die Dynastie des Hauses Karađorđević.

Litearatur:  Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.–21. Jahrhundert. Böhlau, Köln/Weimar, 2007.
1908
Französische Karikatur im Oktober 1908: Sultan Abdülhamid II. sieht hilflos zu, wie Kaiser Franz Joseph Bosnien-Herzegowina und Zar Ferdinand Bulgarien aus dem Osmanischen Reich herausreißen.

Als Bosnische Annexionskrise oder einfach nur als Bosnische Krise bezeichnet man die Krise, welche auf die Annexion der bis dahin völkerrechtlich zum Osmanischen Reich gehörigen Gebiete von Bosnien und Herzegowina durch Österreich-Ungarn im Jahr 1908 folgte. Am 16. September 1908 verabredeten der österreichische Außenminister Alois Lexa Freiherr von Aehrenthal und der russische Außenminister Alexander Petrowitsch Iswolski auf, dass Österreich Bosnien und Herzegowina erwerben könne, Russland im Gegenzug das Einverständnis Österreich-Ungarns mit der freien Durchfahrt russischer Kriegsschiffe durch den Bosporus und die Dardanellen erhalten sollte.

Im Verlauf der Krise 1908 schlug Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf mehrmals vor, bei der Gelegenheit auch Serbien zu erobern. Montenegro sollte ebenfalls ausgeschaltet werden oder wenigstens eine „Einengung“ erfahren. Die Südslawen sollten einen Komplex im Rahmen der Monarchie bilden und dem Habsburgerreich, wie Bayern dem Deutschen Reich, untergeordnet werden. Weiters strebte er damals die Gewinnung Albaniens, des westlichen Makedoniens und Montenegros an, mit dem strategischen Ziel, Saloniki als österreichische Bastion an der Ägäis zu etablieren. Sein imperialistisches Ziel war die Vereinigung aller West- und Südslawen unter österreichischer Herrschaft, was er mit der missionarischen Idee einer Stärkung der christlichen Kultur rechtfertigte.Diese Pläne wurden von Außenminister Alois Lexa von Aehrenthal zurückgewiesen.

Literatur: Karl Adam: Großbritanniens Balkandilemma. Die britische Balkanpolitik von der bosnischen Krise bis zu den Balkankriegen 1908–1913. Hamburg 2009
1912/1913
MIlitärischer Verlauf des Ersten Balkankrieges (1912); Ausschnitt aus der Darstellung auf Wikipedia unter dem entsprechenden Suchbegriff.

Die Balkankriege waren zwei Kriege der Staaten der Balkanhalbinsel in den Jahren 1912 und 1913 im Vorfeld des Ersten Weltkriegs. Als Folge wurde das Osmanische Reich in Europa bis in die heutigen Grenzen der Türkei verdrängt und musste große Gebiete an die Nachbarländer abtreten.

Die Balkankriege waren Wegbereiter für den Eintritt der südosteuropäischen Staaten in den Ersten Weltkrieg. Das Osmanische Reich trat ebenso wie das auf dem Balkan isolierte Bulgarien an der Seite der Mittelmächte in den Krieg ein. Beide Mächte strebten eine Revision der neu gezogenen Grenzen an.

Im Gegensatz zum Leitbild der „politischen Kriege“, das zu dieser Zeit in Europa herrschte, waren die Balkankriege von einem hohen Maß an ethnisch begründeter Gewalt geprägt. Alle Seiten ermordeten und vertrieben zahlreiche Zivilisten der jeweils anderen Völker. Der Frieden von Konstantinopel von 1913 gilt als der erste Friedensvertrag der Geschichte, der einen geplanten Bevölkerungsaustausch zwischen den Vertragspartnern mit dem Ziel einer ethnischen Entmischung vorsah. Im Frühsommer 1914 folgte ein ähnliches Abkommen zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich, das wegen des beginnenden Ersten Weltkrieges jedoch kaum umgesetzt wurde.

Die Balkankriege und der folgende Erste Weltkrieg vergifteten für Jahrzehnte die Beziehungen zwischen den Balkanvölkern.

Literatur: Katrin Boeckh: Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung am Balkan. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1996
28.06.1914
Einschussloch im „Wagen von Sarajewo“, zu sehen im Heeresgeschtlichen Museum Wien.

Anlässlich einer Inspektionsreise bei den bosnischen Truppen erliegt das österreichische Thronfolgerpaar in Serbien einem Anschlag. Das von der serbischen Geheimgesellschaft „Schwarze Hand“ geplante Attentat in der bosnischen Hauptstadt löste die Julikrise aus, die schließlich zum Ersten Weltkrieg führte. Mehr dazu unter der Seite: Der Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Literatur: Christian Ortner, Thomas Ilming: Das Auto von Sarajevo. Der geschichtsträchtigste Oldtimer der Welt, Verlag Edition Winkler-Hermaden, Wien 2014
Juli 1914
Im Nachgang an das österreichische Ultimatum an Serbien drehen die Mühlen der Diplomatie.

Die Julikrise war die Zuspitzung der Konfliktlage zwischen den fünf europäischen Großmächten sowie Serbien, die auf die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 folgte und zum Ersten Weltkrieg führte. Bis heute werden die Motive und Handlungsweisen aller beteiligten Mächte, Politiker und Diplomaten sowohl in der Öffentlichkeit als auch unter Historikern kontrovers diskutiert.

Das dem serbischen König gegenüber durch Österreich gestellte Ultimatum war, da sind sich die Historiker hingegen einig, derart formuliert, dass ein souveräner Staat auf derartige Forderungen nicht eintreten konnte.

Am 28. Juli 1914 richtete sich der greise Kaiser Franz Josef „An seine Völker“ und erklärte Serbien den Krieg. Mehr dazu und zur Juikrise: weiter unten.

Literatur: Christopher Clark: The Sleepwalkers. How Europe went to War in 1914. Allen Lane, London u. a. 2012,  Deutsch: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Gerd Krumeich: Juli 1914. Eine Bilanz. Schöningh, Paderborn 2013.

thomas woodrow wilson und die vereinigten staaten von amerika

800x600 Thomas Woodrow Wilson

Thomas Woodrow Wilson (*1856, † 1924) war ein Politiker der Demokratischen Partei und von 1913 bis 1921 der 28. Präsident der Vereinigten Staaten.

Nach anfänglicher Neutralität traten die Vereinigten Staaten während seiner zweiten Amtszeit 1917 in den Ersten Weltkrieg ein. Bei der Pariser Friedenskonferenz 1919 gehörte er dem Rat der Vier an. Weitgehend auf seine Initiative geht die Gründung des Völkerbundes zurück. 1919 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen.

Wilson studierte Politikwissenschaften und Geschichte und promovierte 1886 zum Dr. phil. 1888 hatte er einen Professur für Geschichte und Volkswirtschaftslehre an der Wesleyan University in Middletown, Connecticut inne. Im Jahr 1901 veröffentlichte Wilson sein fünfbändiges Geschichtswerk A History of the American People. Im Abschnitt über die Rekonstruktionszeit nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg zeigte er großes Verständnis für den 1865–1875 aktiven Ku-Klux-Klan und äußerte sich abfällig über Schwarze.

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„Die weißen Männer des Südens waren aufgerüttelt durch den bloßen Selbsterhaltungstrieb, sich – mit gerechten Mitteln oder mit schrecklichen – zu befreien von der unerträglichen Last einer Regierung, die sich auf die Stimmen der ungebildeten Neger stützte und im Interesse von Abenteurern geführt wurde; (…) Jede ländliche Gegend wünschte sich ihren eigenen Ku-Klux, gegründet in Verschwiegenheit und Geheimnis wie die Mutter-‚Höhle‘ in Pulaski, bis letztlich ein großer Ku-Klux-Klan, ein ‚Unsichtbares Reich des Südens‘ entstanden war, in lockerer Organisation miteinander verbunden, um das Land des Südens vor einigen der übelsten Gefahren in einer Zeit der Umwälzung zu schützen.“

1910 kandidierte Wilson für die Demokratische Partei als Gouverneur von New Jersey. Er trat gegen den Republikaner Vivian M. Lewis an, ein Mitglied der Staatsregierung, und bezwang diesen mit einem Vorsprung von mehr als 49.000 Stimmen. Der Umstand, dass Wilson vorher kein politisches Amt ausgeübt hatte, wirkte sich zu seinen Gunsten aus; sein Versprechen, sich vom Parteiapparat die Amtsführung nicht diktieren zu lassen, wurde von den Wählern honoriert. Wilson hielt sich an seine Wahlkampfaussagen und setzte Reformen durch, die von der demokratischen Parteiführung nicht mitgetragen wurden.

Am 5. November 1912 gewann Wilson die Präsidentschaftswahl. In 40 der 48 Bundesst erlangte der die Mehrheit der Wahlmännerstimmen. Wilson war der zweite demokratische Präsident seit 1897 und der erste Präsident seit Andrew Johnson (1865–1869), der aus den ehemaligen Konföderierten Staaten stammte. Innenpolitisch setzte er sich vor allem im Sinne des Progressivismus für eine sozialreformerische Politik ein.

Wilson unterstützte die Südstaaten in ihrem Anliegen, das die Schwarzen benachteiligende Wahlrecht zu bewahren und ohne Eingriffe der Bundespolitik die Rassentrennung („Segregation“) zu festigen.

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Während Kabinettssitzungen erzählte der Präsident gerne “darky stories” (rassistische Witze über Schwarze). D. W. Griffiths Film Die Geburt einer Nation, der den historischen Ku-Klux-Klan verherrlicht und zu dessen Wiederbelebung führte, ließ Wilson 1915 im Weißen Haus vorführen. Drei Zitate aus Wilsons Buch A History of the American People – teils gekürzt, verändert und neu zusammengesetzt – werden in dem Stummfilm als Titelkarten eingeblendet.

Der Historiker Imanuel Geiss beschrieb Wilson als einen gemäßigten südstaatlichen Segregationisten. Der Rassismusforscher Ibram X. Kendi führte Wilson in einem Artikel in der Huffington Post hingegen als einen der rassistischsten Präsidenten der US-Geschichte an. Wilsons Biograph John M. Cooper relativierte in seinem 2009 erschienenen Werk Woodrow Wilson: A Biography dessen Rassismus, womit er aber die Ausnahme in der modernen geschichtswissenschaftlichen Rezeption blieb. Sie betont mehrheitlich Wilsons Rassismus und führt dafür unter anderem an, dass er in Bundesbehörden Jim-Crow-Gesetze zur Rassentrennung einführte, wie sie in den Südstaaten üblich waren, im Völkerbund Gruppen anderer Hautfarbe nicht als gleichwertig akzeptierte und ihnen ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung absprach.

Im Ersten Weltkrieg verfolgte Wilson anfangs eine Neutralitätspolitik der Vereinigten Staaten. Er forderte das Deutsche Kaiserreich dazu auf, sich im U-Boot-Krieg gegen die Handelsschifffahrt innerhalb der Blockadezone um Großbritannien an die tradierte Kriegsordnung zu halten, noch bevor diese in Kraft getreten war. Die herkömmliche Kriegsordnung inkludierte jedoch nicht diese neue U-Boot-Waffe, sondern behandelte den klassischen Schiffsverkehr über Wasser. In einer scharf formulierten Botschaft an Berlin, deren Entwurf auf Außenminister Robert Lansing zurückgeht, erklärte Wilson am 10. Februar 1915, dass er für jegliche Schäden an amerikanischen Bürgern und Eigentum das Kaiserreich zur Verantwortung ziehen werde. Durch dieses überstürzte Vorgehen legte er laut dem Historiker Kendrick A. Clements die entscheidenden Weichen für den späteren Kriegseintritt der Vereinigten Staaten.

Die Neutralitätspolitik Wilsons war wesentliches Thema bei seiner Wiederwahl 1916 gegen den Republikaner Charles Evans Hughes. Wilson konnte sich mit 49 gegen 46 Prozent und 277 gegen 254 Wahlmänner knapp durchsetzen und wurde am 4. März 1917 für eine zweite Amtszeit vereidigt. Die Demokraten warben um Stimmen mit dem Spruch: „He kept us out of war!“ („Er hielt uns vom Krieg fern!“); Wilson selbst sagte dies jedoch in keiner einzigen Wahlkampfrede. Erst mit der Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs durch das Deutsche Kaiserreich, der Februarrevolution im Russischen Reich und dem Zimmermann-Telegramm änderte sich die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten. Am 6. April 1917 traten die Vereinigten Staaten unter Führung Wilsons in den Ersten Weltkrieg ein.

Nachdem ein Waffenstillstand vereinbart worden war, begann am 18. Januar 1919 der von den Entente-Staaten und ihren Verbündeten einberufene Friedenskongress von Versailles, der von dem aus Georges Clemenceau, David Lloyd George, dem italienischen Minister Vittorio Orlando und Wilson gebildeten Rat der Vier geleitet wurde.

TIMELINE XI: DIE USA VON DEN INDIANERKRIEGEN BIS ZUM AUFSTIEG ZUR FÜHRENDEN WIRTSCHAFTSMACHT

Sitting Bull (* um 1831 am Grand River, South Dakota; † 15. Dezember 1890 in seinem Lager am Grand River in der Standing Rock Reservation, North Dakota) war Stammeshäuptling und Medizinmann der Hunkpapa-Lakota-Sioux. Als vor allem spiritueller Anführer leistete er jahrelangen Widerstand gegen die US-amerikanische Regierungspolitik.

Als Indianerkriege werden im engeren Sinn die Kriege und militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Indianern Nordamerikas und den europäischen Einwanderern bzw. – nach der amerikanischen Unabhängigkeit 1783 und der Bildung der Kanadischen Konföderation 1867 – den Truppen der Vereinigten Staaten oder Kanadas bezeichnet.

Diese fanden von Anfang des 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts statt und führten zur Unterwerfung, Vertreibung oder Ausrottung eines großen Teils der indianischen Urbevölkerung Nordamerikas. Ihr Anfang wird gewöhnlich mit dem Krieg der ersten englischen Kolonisten gegen die Powhatan-Föderation ab 1620 datiert, ihr Ende mit dem Massaker von Wounded Knee im Dezember 1890, mit dem der Widerstand der Prärie-Indianer endgültig gebrochen wurde. Als bekanntestes Einzelereignis der Indianerkriege gilt die Schlacht am Little Bighorn 1876, in der eine aus Sioux, Cheyenne und Arapaho bestehende Indianerstreitmacht dem US-Heer eine schwere Niederlage zufügte.

Die Indianerkriege begleiten die Geschichte Amerikas ähnlich einem roten Faden. Unterdrückung durch den Versuch einer „Sozialisierung“ insbesondere aber Landnahme und Vertreibung bewogen die Ureinwohner immer wieder zum Aufstand gegen Siedler und die US-Amerikanischen Streitkräfte.

Literatur: Werner Arens, Hans-Martin Braun: Die Indianer Nordamerikas. Geschichte, Kultur, Religion. C. H. Beck, München 2004
Die Schlacht auf den Queenston Heights 1812, Gemälde von John David Kelly (1896)

Der Britisch-Amerikanische Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich, auch bekannt als Krieg von 1812,  oder Zweiter Unabhängigkeitskrieg, begann mit der Kriegserklärung der Vereinigten Staaten am 18. Juni 1812 und wurde durch den Frieden von Gent vom 24. Dezember 1814 beendet, auf den jedoch weitere Kämpfe folgten, die bis in das Jahr 1815 dauerten. Als Ergebnis des Krieges wurde im Wesentlichen der Status quo ante bellum wiederhergestellt.

Im Krieg von 1812 kulminierten jahrelange Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich. In einer Rede vom 1. Juni 1812 nannte der amerikanische Präsident James Madison folgende Gründe, die aus seiner Sicht eine Kriegserklärung rechtfertigten:

  • Die Zwangsrekrutierung (impressment) amerikanischer Seeleute in die Royal Navy.
  • Übergriffe britischer Kriegsschiffe gegen Schiffe der Vereinigten Staaten.
  • Die britische Blockade amerikanischer Häfen, um Handel mit dem von Napoleon besetzten Europa zu unterbinden.
  • Die Weigerung der britischen Regierung, ein Verbot aufzuheben, das den neutralen Amerikanern angesichts der napoleonischen Kontinentalsperre den Handel mit den europäischen Staaten untersagte.
  • Die angebliche Aufstachelung von Indianervölkern zu Gewaltakten gegen die Vereinigten Staaten.

Der Landkrieg erfolgte entlang der Kanadischen Grenze, der Konflikt auf See wurde vornehmlich an der Ostküste ausgetragen, wobei die US-Marine vorerst sehr erfolgreich war.

Als Ergebnis des Krieges wurde im Wesentlichen der Status quo ante bellum wiederhergestellt.

Literatur: Jeremy Black: The War of 1812 in the Age of Napoleon. Continuum, London/ New York 2009.
Männer, Frauen und Kinder arbeiten unter der Kontrolle eines berittenen Aufsehers auf einer Baumwollplantage im Süden der USA, um 1850

Analog der Indianerkriege prägt die Problematik der Sklaverei die Geschichte der Vereinigten Staaten während Jahrhunderten nachhaltig.

Die Sklaverei in den Vereinigten Staaten bildet die Fortsetzung und Fortentwicklung der Sklaverei, die bereits in den 13 Kolonien bestand, aus denen 1776 die Vereinigten Staaten hervorgegangen sind. Die Kolonisierung Amerikas vom 16. bis 19. Jahrhundert ging mit einer Massenversklavung von Afrikanern einher, die in allen Teilen des dünn besiedelten Doppelkontinents als billige Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Dies betrifft nicht nur die britischen, niederländischen, schwedischen, französischen und spanischen Kolonien, aus denen später die USA entstanden sind, sondern in noch größerem Umfang Brasilien und die europäischen Kolonien in der Karibik. Auf dem nordamerikanischen Festland erlangte die Sklaverei jedoch Ausprägungsformen, die auf dem Doppelkontinent einzigartig waren.

Bereits der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775 bis 1783) war im Wesentlichen mit Tabaklieferungen aus Plantagen Virginias nach Frankreich finanziert worden. Edmund S. Morgan nannte als zentrales Paradox der amerikanischen Geschichte, dass Freiheit und Gleichheit, eine Betonung der Klassenlosigkeit als zentrale amerikanische Werte, ganz wesentlich auf der Sklaverei und dem zugehörigen Rassismus beruhten.

In England wäre hingegen die individuelle Freiheit stärker betont und die Sklaverei viel früher abgeschafft und bekämpft worden. Hingegen blieb dort die ständische/klassenspezifische Trennung deutlich stärker.

Literatur: Joachim Meißner, Ulrich Mücke, Klaus Weber: Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. C.H. Beck, 2008
Präsident Abraham Lincoln, Aufnahme des bekannten „Bürgerkriegs-Fotographen“ Alexander Gardner, 1863

Abraham Lincoln  (*1809,  † 1865) amtierte von 1861 bis 1865 als 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Jahr 1860 erstmals gewählt, gelang ihm 1864 die Wiederwahl für eine zweite Amtszeit. Er war der erste Präsident aus den Reihen der Republikanischen Partei und der erste, der einem Attentat zum Opfer fiel.

Lincolns Präsidentschaft gilt als eine der bedeutendsten in der Geschichte der Vereinigten Staaten: Die Wahl des Sklavereigegners veranlasste zunächst sieben, später weitere vier der sklavenhaltenden Südstaaten, aus der Union auszutreten und einen eigenen Staatenbund, die Konföderierten Staaten von Amerika, zu bilden. Lincoln führte die verbliebenen Nordstaaten durch den daraus entstandenen Sezessionskrieg. Er setzte die Wiederherstellung der Union durch und betrieb erfolgreich die Abschaffung der Sklaverei in den USA. Unter seiner Regierung schlug das Land endgültig den Weg zum zentral regierten, modernen Industriestaat ein und schuf so die Basis für seinen Aufstieg zur Weltmacht im 20. Jahrhundert.

Literatur: Jörg Nagler, Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident. Eine Biographie. C. H. Beck, München 2009
Die Vereinigten Staaten 1864: Unionsstaaten ohne Sklaverie (Dunkelblau), Unionsstaaten mit Sklaverei (helleres Blau), Konföderierte Staaten (Rot).

Der Sezessionskrieg oder Amerikanische Bürgerkrieg[ war der von 1861 bis 1865 währende militärische Konflikt zwischen den aus den Vereinigten Staaten ausgetretenen, in der Konföderation vereinigten Südstaaten und den in der Union verbliebenen Nordstaaten (Unionsstaaten).

Ursache war eine tiefe wirtschaftliche, soziale und politische Spaltung zwischen Nord- und Südstaaten, die vor allem in der Sklavereifrage zu Tage trat und sich seit etwa 1830 immer weiter vertieft hatte. Als Reaktion auf die Wahl des gemäßigten Sklavereigegners Abraham Lincoln zum US-Präsidenten traten im Winter 1860/61 die meisten Südstaaten aus der Union aus. Der Krieg begann am 12. April 1861 mit der Beschießung Fort Sumters durch die Konföderierten. Er endete im Wesentlichen mit der Kapitulation der konföderierten Nord-Virginia-Armee in Appomattox Court House am 9. April 1865. Die letzten Truppen der Konföderierten kapitulierten am 23. Juni 1865 im Indianerterritorium. Nach dem Sieg des Nordens wurden die Südstaaten im Rahmen der Reconstruction wieder in die Union aufgenommen.

Die wichtigsten Folgen des Krieges waren die Stärkung der Zentralmacht und die endgültige Abschaffung der Sklaverei in den USA sowie die verstärkte Ausrichtung des Landes als Industriestaat.

Literatur: Michael Hochgeschwender, Der amerikanische Bürgerkrieg. Beck, München 2010
John Keegan, Der amerikanische Bürgerkrieg, Rowohlt, Berlin 2010, (Originaltitel: The American Civil War: A military history, übersetzt von Hainer Kober)
Nordamerika, Ende des 19. Jahrhunderts, (Ausschnitt)

In der Zeit nach dem Bürgerkrieg standen die Vereinigten Staaten vor der schwierigen Aufgabe, den Süden wieder aufzubauen und die Abschaffung der Sklaverei konstitutionell zu verankern. Letzteres geschah mit dem 13., 14. und 15. Zusatzartikel zur Verfassung. Der Prozess der Reconstruction wird von den meisten Historikern nicht als Erfolg gewertet. In vielen Staaten wurden ab 1876 die so genannten Jim-Crow-Gesetze verabschiedet, die die Rechte der ehemaligen Sklaven drastisch minderten und dadurch die Rassentrennung verstärkten. In die Jahre 1862 bis 1890 fällt auch die letzte Phase der Indianerkriege.

Ein weiteres prägendes Motiv der amerikanischen Geschichte gegen Mitte des 19. Jahrhunderts war die Landnahme gegen Westen, welche die frontier – die Grenze zum offenen, „unzivilisierten“ Land – immer weiter Richtung Kalifornien verschob. Dieses zu jener Zeit offene Land ist in der Folklore als „Wilder Westen“ in Erinnerung geblieben. Geprägt war diese historische Periode von den Indianerkriegen, die sich bis 1890 (Wounded Knee) hinzogen, dem „Goldrausch“ 1848/49 nach Goldfunden in Kalifornien, der Besiedlung durch wilde Siedler (Squatter) und den oft gewalttätig ausgetragenen „Weidekriegen“ um die Inbesitznahme des offenen Landes (bekanntestes Beispiel: der Lincoln County War in New Mexico 1878 unter Beteiligung von John Chisum und Billy the Kid).

Literatur: Richard White, The Republic for Which It Stands: The United States during Reconstruction and the Gilded Age, 1865-1896. Oxford University Press, New York 2017
Stahlwerk in Pittsburgh, Pennsylvania, um 1905

Im Jahr 1877 war das offizielle Ende der militärischen Rekonstruktion; die Zeit nach der Rekonstruktion wird als Gilded Age bezeichnet. Die Gesellschaft der USA wurde immer mehr von Industrie und Wirtschaft geprägt. Die Weltausstellungen von Philadelphia 1876 und Chicago 1893 demonstrierten diesen Aufschwung nach außen hin. Der Westen des Landes zog viele Spekulanten und Glücksritter an. Neue Staaten traten nach und nach der Union bei.

In den 1880er Jahren und im Jahrzehnt von 1905 bis 1915 erreichte die europäische Einwanderung in die USA einen Höhepunkt, die daraufhin im Immigration Act von 1924 beschränkt wurde. Neben New York überschritten um 1890 mit Philadelphia und Chicago zwei weitere Städte die Zahl von einer Million Einwohner; die Gesamtbevölkerung der USA stieg im Zeitraum von 1870 bis 1920 von 38,5 Millionen auf 106 Millionen.

Durch die Zweite Welle der Industrialisierung 1865–1914 stiegen die Vereinigten Staaten zur weltweit führenden Wirtschaftsmacht auf. Namen wie Bell, Edison, Carnegie, Westinghouse, Vanderbilt, Rockefeller, J. P. Morgan und William Jennings Bryan prägten von nun an die Geschichte.

1869 wurde durch die Verbindung von Central Pacific Railroad und Union Pacific Railroad die erste Transkontinentale Eisenbahn vollendet.

1783-1890
Sitting Bull (* um 1831 am Grand River, South Dakota; † 15. Dezember 1890 in seinem Lager am Grand River in der Standing Rock Reservation, North Dakota) war Stammeshäuptling und Medizinmann der Hunkpapa-Lakota-Sioux. Als vor allem spiritueller Anführer leistete er jahrelangen Widerstand gegen die US-amerikanische Regierungspolitik.

Als Indianerkriege werden im engeren Sinn die Kriege und militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Indianern Nordamerikas und den europäischen Einwanderern bzw. – nach der amerikanischen Unabhängigkeit 1783 und der Bildung der Kanadischen Konföderation 1867 – den Truppen der Vereinigten Staaten oder Kanadas bezeichnet.

Diese fanden von Anfang des 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts statt und führten zur Unterwerfung, Vertreibung oder Ausrottung eines großen Teils der indianischen Urbevölkerung Nordamerikas. Ihr Anfang wird gewöhnlich mit dem Krieg der ersten englischen Kolonisten gegen die Powhatan-Föderation ab 1620 datiert, ihr Ende mit dem Massaker von Wounded Knee im Dezember 1890, mit dem der Widerstand der Prärie-Indianer endgültig gebrochen wurde. Als bekanntestes Einzelereignis der Indianerkriege gilt die Schlacht am Little Bighorn 1876, in der eine aus Sioux, Cheyenne und Arapaho bestehende Indianerstreitmacht dem US-Heer eine schwere Niederlage zufügte.

Die Indianerkriege begleiten die Geschichte Amerikas ähnlich einem roten Faden. Unterdrückung durch den Versuch einer „Sozialisierung“ insbesondere aber Landnahme und Vertreibung bewogen die Ureinwohner immer wieder zum Aufstand gegen Siedler und die US-Amerikanischen Streitkräfte.

Literatur: Werner Arens, Hans-Martin Braun: Die Indianer Nordamerikas. Geschichte, Kultur, Religion. C. H. Beck, München 2004
1812
Die Schlacht auf den Queenston Heights 1812, Gemälde von John David Kelly (1896)

Der Britisch-Amerikanische Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich, auch bekannt als Krieg von 1812,  oder Zweiter Unabhängigkeitskrieg, begann mit der Kriegserklärung der Vereinigten Staaten am 18. Juni 1812 und wurde durch den Frieden von Gent vom 24. Dezember 1814 beendet, auf den jedoch weitere Kämpfe folgten, die bis in das Jahr 1815 dauerten. Als Ergebnis des Krieges wurde im Wesentlichen der Status quo ante bellum wiederhergestellt.

Im Krieg von 1812 kulminierten jahrelange Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich. In einer Rede vom 1. Juni 1812 nannte der amerikanische Präsident James Madison folgende Gründe, die aus seiner Sicht eine Kriegserklärung rechtfertigten:

  • Die Zwangsrekrutierung (impressment) amerikanischer Seeleute in die Royal Navy.
  • Übergriffe britischer Kriegsschiffe gegen Schiffe der Vereinigten Staaten.
  • Die britische Blockade amerikanischer Häfen, um Handel mit dem von Napoleon besetzten Europa zu unterbinden.
  • Die Weigerung der britischen Regierung, ein Verbot aufzuheben, das den neutralen Amerikanern angesichts der napoleonischen Kontinentalsperre den Handel mit den europäischen Staaten untersagte.
  • Die angebliche Aufstachelung von Indianervölkern zu Gewaltakten gegen die Vereinigten Staaten.

Der Landkrieg erfolgte entlang der Kanadischen Grenze, der Konflikt auf See wurde vornehmlich an der Ostküste ausgetragen, wobei die US-Marine vorerst sehr erfolgreich war.

Als Ergebnis des Krieges wurde im Wesentlichen der Status quo ante bellum wiederhergestellt.

Literatur: Jeremy Black: The War of 1812 in the Age of Napoleon. Continuum, London/ New York 2009.
1850
Männer, Frauen und Kinder arbeiten unter der Kontrolle eines berittenen Aufsehers auf einer Baumwollplantage im Süden der USA, um 1850

Analog der Indianerkriege prägt die Problematik der Sklaverei die Geschichte der Vereinigten Staaten während Jahrhunderten nachhaltig.

Die Sklaverei in den Vereinigten Staaten bildet die Fortsetzung und Fortentwicklung der Sklaverei, die bereits in den 13 Kolonien bestand, aus denen 1776 die Vereinigten Staaten hervorgegangen sind. Die Kolonisierung Amerikas vom 16. bis 19. Jahrhundert ging mit einer Massenversklavung von Afrikanern einher, die in allen Teilen des dünn besiedelten Doppelkontinents als billige Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Dies betrifft nicht nur die britischen, niederländischen, schwedischen, französischen und spanischen Kolonien, aus denen später die USA entstanden sind, sondern in noch größerem Umfang Brasilien und die europäischen Kolonien in der Karibik. Auf dem nordamerikanischen Festland erlangte die Sklaverei jedoch Ausprägungsformen, die auf dem Doppelkontinent einzigartig waren.

Bereits der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775 bis 1783) war im Wesentlichen mit Tabaklieferungen aus Plantagen Virginias nach Frankreich finanziert worden. Edmund S. Morgan nannte als zentrales Paradox der amerikanischen Geschichte, dass Freiheit und Gleichheit, eine Betonung der Klassenlosigkeit als zentrale amerikanische Werte, ganz wesentlich auf der Sklaverei und dem zugehörigen Rassismus beruhten.

In England wäre hingegen die individuelle Freiheit stärker betont und die Sklaverei viel früher abgeschafft und bekämpft worden. Hingegen blieb dort die ständische/klassenspezifische Trennung deutlich stärker.

Literatur: Joachim Meißner, Ulrich Mücke, Klaus Weber: Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. C.H. Beck, 2008
1860
Präsident Abraham Lincoln, Aufnahme des bekannten „Bürgerkriegs-Fotographen“ Alexander Gardner, 1863

Abraham Lincoln  (*1809,  † 1865) amtierte von 1861 bis 1865 als 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Jahr 1860 erstmals gewählt, gelang ihm 1864 die Wiederwahl für eine zweite Amtszeit. Er war der erste Präsident aus den Reihen der Republikanischen Partei und der erste, der einem Attentat zum Opfer fiel.

Lincolns Präsidentschaft gilt als eine der bedeutendsten in der Geschichte der Vereinigten Staaten: Die Wahl des Sklavereigegners veranlasste zunächst sieben, später weitere vier der sklavenhaltenden Südstaaten, aus der Union auszutreten und einen eigenen Staatenbund, die Konföderierten Staaten von Amerika, zu bilden. Lincoln führte die verbliebenen Nordstaaten durch den daraus entstandenen Sezessionskrieg. Er setzte die Wiederherstellung der Union durch und betrieb erfolgreich die Abschaffung der Sklaverei in den USA. Unter seiner Regierung schlug das Land endgültig den Weg zum zentral regierten, modernen Industriestaat ein und schuf so die Basis für seinen Aufstieg zur Weltmacht im 20. Jahrhundert.

Literatur: Jörg Nagler, Abraham Lincoln. Amerikas großer Präsident. Eine Biographie. C. H. Beck, München 2009
1861-1865
Die Vereinigten Staaten 1864: Unionsstaaten ohne Sklaverie (Dunkelblau), Unionsstaaten mit Sklaverei (helleres Blau), Konföderierte Staaten (Rot).

Der Sezessionskrieg oder Amerikanische Bürgerkrieg[ war der von 1861 bis 1865 währende militärische Konflikt zwischen den aus den Vereinigten Staaten ausgetretenen, in der Konföderation vereinigten Südstaaten und den in der Union verbliebenen Nordstaaten (Unionsstaaten).

Ursache war eine tiefe wirtschaftliche, soziale und politische Spaltung zwischen Nord- und Südstaaten, die vor allem in der Sklavereifrage zu Tage trat und sich seit etwa 1830 immer weiter vertieft hatte. Als Reaktion auf die Wahl des gemäßigten Sklavereigegners Abraham Lincoln zum US-Präsidenten traten im Winter 1860/61 die meisten Südstaaten aus der Union aus. Der Krieg begann am 12. April 1861 mit der Beschießung Fort Sumters durch die Konföderierten. Er endete im Wesentlichen mit der Kapitulation der konföderierten Nord-Virginia-Armee in Appomattox Court House am 9. April 1865. Die letzten Truppen der Konföderierten kapitulierten am 23. Juni 1865 im Indianerterritorium. Nach dem Sieg des Nordens wurden die Südstaaten im Rahmen der Reconstruction wieder in die Union aufgenommen.

Die wichtigsten Folgen des Krieges waren die Stärkung der Zentralmacht und die endgültige Abschaffung der Sklaverei in den USA sowie die verstärkte Ausrichtung des Landes als Industriestaat.

Literatur: Michael Hochgeschwender, Der amerikanische Bürgerkrieg. Beck, München 2010
John Keegan, Der amerikanische Bürgerkrieg, Rowohlt, Berlin 2010, (Originaltitel: The American Civil War: A military history, übersetzt von Hainer Kober)
1870
Nordamerika, Ende des 19. Jahrhunderts, (Ausschnitt)

In der Zeit nach dem Bürgerkrieg standen die Vereinigten Staaten vor der schwierigen Aufgabe, den Süden wieder aufzubauen und die Abschaffung der Sklaverei konstitutionell zu verankern. Letzteres geschah mit dem 13., 14. und 15. Zusatzartikel zur Verfassung. Der Prozess der Reconstruction wird von den meisten Historikern nicht als Erfolg gewertet. In vielen Staaten wurden ab 1876 die so genannten Jim-Crow-Gesetze verabschiedet, die die Rechte der ehemaligen Sklaven drastisch minderten und dadurch die Rassentrennung verstärkten. In die Jahre 1862 bis 1890 fällt auch die letzte Phase der Indianerkriege.

Ein weiteres prägendes Motiv der amerikanischen Geschichte gegen Mitte des 19. Jahrhunderts war die Landnahme gegen Westen, welche die frontier – die Grenze zum offenen, „unzivilisierten“ Land – immer weiter Richtung Kalifornien verschob. Dieses zu jener Zeit offene Land ist in der Folklore als „Wilder Westen“ in Erinnerung geblieben. Geprägt war diese historische Periode von den Indianerkriegen, die sich bis 1890 (Wounded Knee) hinzogen, dem „Goldrausch“ 1848/49 nach Goldfunden in Kalifornien, der Besiedlung durch wilde Siedler (Squatter) und den oft gewalttätig ausgetragenen „Weidekriegen“ um die Inbesitznahme des offenen Landes (bekanntestes Beispiel: der Lincoln County War in New Mexico 1878 unter Beteiligung von John Chisum und Billy the Kid).

Literatur: Richard White, The Republic for Which It Stands: The United States during Reconstruction and the Gilded Age, 1865-1896. Oxford University Press, New York 2017
1877-1914
Stahlwerk in Pittsburgh, Pennsylvania, um 1905

Im Jahr 1877 war das offizielle Ende der militärischen Rekonstruktion; die Zeit nach der Rekonstruktion wird als Gilded Age bezeichnet. Die Gesellschaft der USA wurde immer mehr von Industrie und Wirtschaft geprägt. Die Weltausstellungen von Philadelphia 1876 und Chicago 1893 demonstrierten diesen Aufschwung nach außen hin. Der Westen des Landes zog viele Spekulanten und Glücksritter an. Neue Staaten traten nach und nach der Union bei.

In den 1880er Jahren und im Jahrzehnt von 1905 bis 1915 erreichte die europäische Einwanderung in die USA einen Höhepunkt, die daraufhin im Immigration Act von 1924 beschränkt wurde. Neben New York überschritten um 1890 mit Philadelphia und Chicago zwei weitere Städte die Zahl von einer Million Einwohner; die Gesamtbevölkerung der USA stieg im Zeitraum von 1870 bis 1920 von 38,5 Millionen auf 106 Millionen.

Durch die Zweite Welle der Industrialisierung 1865–1914 stiegen die Vereinigten Staaten zur weltweit führenden Wirtschaftsmacht auf. Namen wie Bell, Edison, Carnegie, Westinghouse, Vanderbilt, Rockefeller, J. P. Morgan und William Jennings Bryan prägten von nun an die Geschichte.

1869 wurde durch die Verbindung von Central Pacific Railroad und Union Pacific Railroad die erste Transkontinentale Eisenbahn vollendet.

DIE JAHRTAUSENDWENDE

Das Bündnissystem der Vorkriegsjahre

In den bisherigen Ausführungen zu den unterschiedlichen Entwicklungen von Reichen und Republiken wurde immer wieder auf deren bi-, tri- oder mehrlateralen Beziehungen hingewiesen. Sich diesbezüglich einen klärenden Überblick zu schaffen ist in etwas gleicherweise komplex, wie die Verknüfungen inhaltlicher Natur waren. Nachfolgend ein entsprechender Versuch.

Russland Serbien 1804
Die 1804 gewährte russische Schirmherrschaft gegenüber Serbien sicherte diesem die Unterstützung während des Ersten Serbischen Aufstands gegen das Osmanische Reich im Zuge dessen sich das Fürstentum Serbien von den Türken emanzipierte. Wie die Russen zählen die Serben zu den Slawen und finden eine weitere Gemeinsamkeit in ihren orthodoxen Kirchen.
Zweibund 1879
Der Deutsch-Österreichische Zweibund war das Resultat des Ausstiegs Russlands aus dem sogenannten „Dreikaiserabkommen“ von 1873. In diesem, 1897 unterzeichneten Geheimabkommen, verpflichteten sich das Deutsche Reich und die Österreichisch-Ungarische Monarchie, sich bei einem russischen Angriff „mit der gesamten Kriegsmacht“ beizustehen.
Dreibund 1882
1882 trat das junge Königreich Italien dem Zweibund bei. Es versprach sich durch das geheime Defensivbündnis, dem 1883 auch Rumänien beitrat, vorallem die Unterstützung der Mittelmächte bei den italienischen Kolonialbestrebungen in Afrika. Der Dreibund sollte bis 1912 alle fünf Jahre neu besiegelt werden.
DE RUS Vertrag
Im Deutsch-Russischen Rückversicherungsabkommen von 1887 versicherten sich der Deutsche Kaiser und der Russische Zar die gegenseitige „wohlwollende Neutralität“ im Falle eines unprovozierten Angriffs einer dritten Macht. Ein geheimes Zusatzprotokoll sah dabei die Unterstützung Deutschlands Russlands bei Umsetzung deren Balkan- und Bosporuspolitik vor.
Entente Cordiale
Die Entente cordiale ist ein am 8. April 1904 zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich geschlossenes Abkommen, in welchem eine Lösung der Interessenskonflikte beider Länder in den Kolonien Afrikas angestrebt wurde. Nachdem der Status quo im Mittelmeerraum durch das sogenannte „Mittelmeerabkommen“ 1887 besiegelt wurde, bedurfte es nun der Regelung im Zuge der weiteren Kolonialabsichten der grossen Blöcke.
Triple Entente
1907 schloss sich Russland der Entente an, wodurch die sogenannte Triple Entente entstand. Basis war eine bestehende russisch-französische Allianz von 1894. Die aufstrebenden Mittelmächte sahen sich nun von einer mächtigen Allianz umringt, was den militärischen Druck entrechend erhöhte.

Megatrends um die Jahrtausendwende

Neben den oben nochmals zusammengefassten, politischen Schnittstellen der damaligen Mächte sind die nachfolgenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und militärischen Tendenzen zum besseren Verständnis der Kriegsursache und insbesondere auch zur Kriegsbereitschaft breiter Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen. Viele dieser Trends wohl mit Ausnahme des Navalismus griffen auf alle beteiligten Staaten über.

Industrialisierung

Die technologische Entwicklung zu Ende des 19. Jahrhunderts veränderte das Leben der Gesellschaft und der Produktionsweise. Stahl, Grundbaustoff für Schiffe und Waffen konnte in grossen Mengen bereitgestellt und verarbeitet werden, Munition lief schon bald vom Laufband. Schiffswerfte und Rüstungsbetriebe produzierten an sieben Tagen, Frauen waren insbesondere dort begehrte Kräfte welche oft zu unwürdigen Bedingungen ihre Arbeit verrichteten.

Industrialisierung
Nationalismus

Nationalismus

Mit europaweiten Aufständen während der Jahre 1848/49 veränderte sich die Wahrnehmung sowie das Selbstverständnis des Bürgertums. Nur noch ganz Weinige bezeichneten sich fortan primär als Untertanen eines Fürsten- oder Königshauses. Vielmehr stand die Bestrebung nach Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, zu einem neuen Nationalgefühl im Zentrum. Mitbestimmung bei der Bildung von Nationalstaaten lautete die Forderung und verlieh einen bisher unbekannten Nationalstolz.

Kolonialismus

Grosse Teile der „neuen Welt“ waren seitens der tradtionellen Seefahrtsnationen bereits als Kolonialgebiet annektiert worden. Es ging noch um die letzten „weissen Flecken“ in Afrika, wo neben Belgien, Frankreich und England auch das Deutsche Kaiserreich „nach einem Platz an der Sonne“ strebte. Das Reich wollte bei der Gewinnung oder je nach Betrachtungsweise auch Ausbeutung von Bodenschätzen und Arbeitskräften nicht hinten anstehen.

Kolonialismus
Navalismus

Navalismus

Wer Güter aus Übersee importieren, oder seine Liegenschaften dort versorgen will, bedarf einer Handelsflotte mit einer grossen Stückzahl an Schiffen. Diese wiederum benötigen im Krisenfall eines Schutzes, welcher nur durch eine glaubwürdige, moderne Marine gewährleistet werden kann. England beobachtete mit Argwohn, wie das Deutsche Kaiserreich beide Flotten in raschem Tempo ausbaute. Die Devise „Rule Britannia“ lies dies nur bedingt zu.

Militarismus

Aus der Vorkriegszeit besteht eine Vielzahl an Photographien, auf welchen Väter (auch) ihre Kleinkinder in Matrosenuniform ablichten liessen. Dies ist sichtbarer Ausdruck einer damaligen Bestrebung durch „Zucht und Ordnung“  eine hierachrisch auf Befehl und Gehorsam getrimmte Jugend zu erziehen. Die vielen Kadettenschulen belegen diese urdeutsche Tugend und die heutigen Uniformen der „Wiener Sängerknaben“ sind ein letztes Relikt dieser Zeit.

Militarismus
Politische Bewegung

Ideologische, politische Bewegungen

Monarchische Staatsformen waren nur noch bei „jenen en vogue“, welche in der Gunst der Machthaber standen, mit Positionen, Titeln und Orden begünstigt wurden. Politische Tendenzen nach links (Sozialisten, Kommunisten) und rechts (die liberale, freisinnige Bewegung) aber auch die Konservativen (Zentrumspartei und Katholische Vereinigungen) hatten unterschiedlichste Vorstellungen, wie die Staaten sich künftigt entwickeln sollten.

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